Der europäische Flugzeugbauer Airbus fordert seinen Rivalen Boeing mitten in dessen Krise mit einer neuen Langstreckenversion des Verkaufsschlagers A321neo heraus. Der neue Airbus A321XLR soll dank eines großen Zusatztanks etwa von Europa bis nach Amerika oder Indien fliegen können, wie Airbus-Verkaufschef Christian Scherer am Montag auf der weltgrößten Luftfahrtmesse in Le Bourget bei Paris ankündigte. "Verglichen mit bisherigen Flugzeugen wie der Boeing 757, die solche Strecken typischerweise fliegen, spart die A321XLR rund 30 Prozent an Treibstoff und CO2-Ausstoß ein", sagte Scherer.

Das geplante Flugzeug ist eine Weiterentwicklung des Mittelstreckenjets A321neo und dessen bereits existierender Langstreckenversion A321LR (Long Range). Die A321XLR (Extra Long Range) soll eine Reichweite von 4700 Seemeilen (8700 Kilometer) haben und im Jahr 2023 in den Liniendienst gehen. Das wären zwei Jahre, bevor Boeing sein "New Midsize Aircraft" (NMA) fertig haben will. Die Entwicklung dieses Jets, der inoffiziell bereits als Boeing 797 gehandelt wird, ist jedoch nicht einmal beschlossene Sache.

Denn Boeing steckt nach zwei tödlichen Abstürzen seines modernisierten Mittelstreckenjets 737 Max in einer schweren Krise. Für die Max-Maschinen gilt seit März ein weltweites Flugverbot. "Unsere Priorität ist die sichere Rückkehr der 'Max' in die Luft", stellte Boeings Finanzchef Greg Smith in Le Bourget klar. Ein Update für eine Steuerungs-Software, die für die beiden Unglücke mit insgesamt 346 Toten mitverantwortlich gewesen sein soll, wird derzeit von den zuständigen Behörden aus den USA und vielen anderen Ländern geprüft. Wann die "Max" wieder abheben darf, ist völlig offen. Boeing-Chef Dennis Muilenburg geht aber davon aus, dass es noch 2019 dazu kommen wird.

Die Boeing-Führung, die für ihren Umgang mit der Max-Desaster vor allem in den ersten Wochen heftig in der Kritik stand, übte sich zum Messestart in Bescheidenheit. "Diese Messe ist anders", sagte Muilenburg bereits am Sonntag. Diesmal gehe es für sein Unternehmen nicht um Aufträge, sondern um Sicherheit, Bescheidenheit sowie darum, aus Fehlern zu lernen und verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Auch Finanzvorstand Smith und Spartenchefs drückten am ersten Messetag ihr Bedauern über die tragischen Zwischenfälle aus.

Trotz der Krise gab sich die Boeing-Spitze überzeugt, dass ihr Konzern die seit Jahren diskutierte Entwicklung des NMA bis 2025 hinbekommt. Das Flugzeug soll Platz für 220 bis 270 Passagiere bieten und damit eher größer ausfallen als der Airbus A321XLR, der bis zu 244 Fluggäste fasst. Auch bei der Reichweite soll der Boeing-Jet mit 5000 nautischen Meilen vor dem A321XLR liegen. Allerdings setzt Airbus auch auf den Erfolg seines modernisierten Großraumjets A330neo, der das Segment von oben her in Angriff nimmt.

Am ersten Messetag in Le Bourget stellte Airbus bereits Käufer für beide Flugzeugtypen vor. Der US-amerikanische Flugzeugfinanzierer Air Lease Corporation (ALC) unterzeichnete als erster Interessent einen Vorvertrag über 27 Exemplare der A321XLR. Hinzu kommen 23 normale Airbus A321neo und 50 kleinere Maschinen der A220-Reihe. Die britische Fluglinie Virgin Atlantic entschied sich für 14 Airbus A330neo, von denen sie aber nur 8 Stück kauft und die restlichen von ALC least.

ALC-Chef John Plueger sagte Airbus' kleinstem Langstreckenjet eine große Nachfrage voraus: "In fünf Jahren dürften mehr als 50 Airlines den Airbus A321XLR bestellt haben." Die Boeing-Führung schätzt den Bedarf in diesem Bereich, den es als die "Mitte des Marktes" bezeichnet, weltweit auf etwa 4000 bis 5000 Flugzeuge. Jeder der beiden großen Flugzeugbauer will sich daran einen möglichst großen Anteil sichern - und möglichst keine Kunden an den Konkurrenten zu verlieren.

Das könnte Boeing auch im eigenen Lande drohen. Der Airbus A321XLR sei bisher die beste Möglichkeit auf dem Markt, um Maschinen aus Boeings 757-Reihe auf Transatlantik-Strecken zu ersetzen, sagte der Finanzchef der US-Gesellschaft United Airlines, Gerald Ladermann, in Le Bourget. Für United könne der Airbus-Jet Teil einer langfristigen Flottenerneuerung sein. Zwar gebe es keinen Grund zur Eile, doch die Boeing 757 sei im laufenden Betrieb teuer, sagte Ladermann.

Boeing sammelte am Montag zunächst eine kleinere Bestellung über 10 ältere Mittelstreckenjets der 737-Reihe, die der Konzern zu Frachtmaschinen umgebaut hat. Käufer ist der US-Flugzeugfinanzierer Gecas. Im Gegensatz zu den 737-Max-Jets sind die älteren Typen der 737-Reihe von dem derzeitigen Flugverbot nicht betroffen./stw/eas/stk

 ISIN  NL0000235190  US0970231058

AXC0190 2019-06-17/14:34

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