Das sollten Schnäppchenjäger beachten, wenn sie nun nach dem Kursverfall nach günstigen Einstiegsgelegenheiten Ausschau halten. So suggerieren zumindest die Kurse, die auf lange nicht mehr gesehene Niveaus zurückgefallen sind, und auch ein oberflächlicher Blick auf die Aktien-Bewertung der Unternehmen:

Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) setzt die aktuellen Kurse in Relation zum Unternehmensgewinn pro Aktie und gilt als eine der wichtigsten Kennzahlen an den Märkten. Wer Ende März Aktien im DAX kaufte, bezahlte die Unternehmen - heruntergerechnet auf jede einzelne Aktie - im Schnitt nur noch mit dem zehnfachen Jahresnettogewinn. Grundlage dafür sind jeweils die Gewinne im laufenden Geschäftsjahr. Das wäre gut 25 Prozent preiswerter als im historischen Mittel. Das Problem: Die Annahmen beruhen auf falschen Voraussetzungen. Das Argument, dass Aktien aufgrund des Kursverfalls günstig geworden sind, ist angesichts der noch immer unwägbaren wirtschaftlichen Auswirkungen durch Corona sehr fragwürdig. Denn das KGV, wie es bei vielen Finanzdatenanbietern ausgewiesen ist, beruht auf Erwartungen und Schätzungen von Analysten, wonach die Unternehmensgewinne in diesem Jahr um durchschnittlich zwölf bis 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr steigen werden.

Noch immer haben die meisten Analysten ihre Gewinnschätzungen angesichts der Corona-Pandemie nicht nach unten angepasst. Schon zur Jahreswende gab es die Annahme, dass die Gewinne um genau diese zwölf bis 15 Prozent steigen werden. Der Grund für das Beharrungsvermögen der Analysten ist keineswegs ihre Trägheit oder die Tätigkeit im Home Office, auch nicht ein Übermaß an Optimismus im Sinne, dass sich die Konjunktur nach dem jetzigen Stillstand wieder sehr schnell erholen wird. Vielmehr ist es momentan gar nicht möglich, auch nur halbwegs zuverlässig Gewinne zu prognostizieren. Viele Unternehmen, die mehr oder minder von den staatlich verordneten Shut-Down-Maßnahmen betroffen sind, verweisen darauf, dass es momentan nicht abzuschätzen sei, wie lange die Schutzmaßnahmen anhielten und welche Auswirkungen diese letztlich auf das eigene Unternehmen oder eventuelle Zulieferer haben könnten. Vor diesem Hintergrund wagen die meisten Firmenchefs noch keinen Ausblick auf das Geschäftsjahr 2020. Und so verharren die Schätzungen bei den Unternehmen - und auch bei den allermeisten Analysten - zunächst auf ihrem alten Niveau aus der Zeit vor der Corona-Pandemie.

Wie kann man sich behelfen? Zum Beispiel mit Wenn-dann-Szenarien: Wenn man beispielsweise davon ausgeht, dass die Gewinne der Dax-Konzerne im laufenden Jahr um zehn bis 20 Prozent gegenüber Vorjahr einbrechen werden, dann wäre der DAX nicht mehr niedrig, sondern mit einem KGV von 14 bis 15 moderat bis hoch bewertet. Aktien würden dann gar nicht mehr so billig aussehen, obwohl sich ihre Kurse fast halbiert haben. Es würde den DAX aber wohl oberhalb von 8.000 Punkten halten. Dieses Niveau entspricht auch etwa dem aktuellen Buchwert-Niveau der DAX-Titel. In der langen Börsenhistorie stoppte ein Börsenverfall spätestens dann, wenn die Unternehmen mit einem Buchwert von knapp unter eins bewertet waren.

Sollte sich die Situation jedoch verschärfen, dass Unternehmen ihre Produktion nicht zügig wieder hochfahren können (man denke zum Beispiel nur an Fluglinien und Flughäfen), dürften solche Schätzungen zu optimistisch sein. Bei einem Gewinnrückgang um 30 Prozent und mehr fiele der DAX Richtung 7.000 Punkte. Solche Einbrüche der Unternehmensgewinne sind leider gar nicht so selten, wenn man große Rezessionen der Vergangenheit untersucht. Zum Vergleich: In der Finanzkrise 2008/09 sackten die Gewinne der Dax-Konzerne um im Schnitt 72% weg.

Unser Rat: Die Suche nach dem optimalen Einstiegszeitpunkt ist ja immer so eine Sache. Auf lange Sicht ist das aktuelle Kursniveau zumindest attraktiver als noch vor einigen Monaten. Ein paar Werte einzusammeln, aber dennoch Pulver trocken zu halten, ist daher sicher eine gute Idee. Voraussichtlich kommen noch ein paar schlechte Nachrichten, die die Aktienmärkte in den kommenden Wochen nochmals zurücksetzen lassen. Wer jedoch immer nur noch auf ein neues Tief wartet, verpasst früher oder später den Anschluss.

Diesen und weitere Vermögensverwalter mit Meinungen und Anlagestrategien finden Sie auf www.v-check.de.