Der deutsche Aktienmarkt hat am Dienstag erneut einen Erholungskurs eingeschlagen und sich stabilisiert. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts über milliardenschwere Käufe von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB) sorgte nur kurz für Nervosität und zeitweilige Gewinnmitnahmen. Auftrieb kam dank positiver Impulse aus den USA, wo die Börsen nach einem freundlichen Wochenauftakt weiter zulegen dürften. Zudem machten die zunehmenden Lockerungen in der Corona-Krise Mut, sagte Marktanalyst David Madden von CMC Markets. "Das dürfte den Weg für die Wiederöffnung der Volkswirtschaften ebnen."

Der Dax legte nach einem zweitägigen deutlichen Kursrutsch am Nachmittag um 1,80 Prozent auf 10 654,72 Punkte zu, wobei Händler allerdings angesichts relativ geringer Handelsvolumina vorsichtig blieben. Für den MDax ging es um 2,60 Prozent auf 23 013,93 Punkte nach oben. Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 stieg um 1,4 Prozent.

Das Bundesverfassungsgericht gab am Vormittag mehreren Klagen gegen die umfangreichen Staatsanleihekäufe der EZB seit 2015 überwiegend statt. Die Beschlüsse der Notenbank seien kompetenzwidrig ergangen, entschieden die Karlsruher Richter. Bundesregierung und Bundestag hätten durch ihr tatenloses Zusehen Grundrechte verletzt.

Aus Sicht von LBBW-Volkswirt Uwe Burkert erzielte die EZB zwar einen Teilerfolg, da ihr Ankaufprogramm nicht als Staatsfinanzierung beurteilt wurde. Dennoch beinhalte der Schiedsspruch "Sprengstoff", da der EZB ein Überschreiten ihrer Kompetenzen vorgeworfen werde. "Im Moment ist es nur schwer vorstellbar, dass der Bundesbank, womöglich sogar der EZB, aus Karlsruhe tatsächlich gravierend ins Steuerrad gegriffen wird", schrieb Burkert. Damit nämlich dürften erst recht ernsthafte negative Konsequenzen verbunden sein.

Abseits politischer Themen und gesamtwirtschaftlicher Unwägbarkeiten ging es am Dienstag für die Investoren mit zahlreichen Quartalsbilanzen weiter. Aus dem Dax hatte der Chipkonzern Infineon bereits am Montagabend nach Börsenschluss seinen Bericht vorgelegt. Laut JPMorgan-Analyst Sandeep Deshpande war das zweite Geschäftsquartal etwas besser verlaufen als erwartet. Die Signale für das dritte seien aber deutlich schlechter und das Vertrauen in die angepeilten Jahresziele recht gering. Für die Aktie ging es um 4,3 Prozent hoch, nachdem sie am Vortag fast 7 Prozent eingebüßt hatte.

Die Aktien von Vonovia zogen um 5,2 Prozent an. Der Immobilienkonzern meldete vor dem Hintergrund milliardenschwerer Zukäufe im Ausland und höherer Mieteinnahmen im Auftaktquartal einen Gewinnanstieg. Der Ausblick wurde bestätigt. Beiersdorf indes gaben nach detaillierten Umsatzzahlen als Dax-Schlusslicht um 3,4 Prozent nach. Der Konsumgüterhersteller sieht sich auch im zweiten Quartal vor Herausforderungen. Zudem nannte UBS-Analyst Charles Eden den starken Umsatzrückgang der Luxusmarke La Prairie "enttäuschend".

Die Lufthansa-Aktien legten um 2,6 Prozent zu. Die von der Pandemie stark getroffene Fluggesellschaft veranstaltete ihre Hauptversammlung im Internet. Fragen zum Thema Staatshilfen wurden dabei ausgeklammert. Es hieß nur, dass der Konzern einen erfolgreichen Gesprächsabschluss mit der Bundesregierung in Kürze erwarte und kein Interesse an einer Insolvenz habe. Derweil gab es grünes Licht für milliardenschwere Staatshilfen der Schweiz für die Lufthansa-Töchter Swiss und Edelweiss.

Quartalsbilanzen legten ansonsten zahlreiche Unternehmen aus der zweiten Reihe vor, so etwa Grenke , Hellofresh , Siemens Healthineers , Hugo Boss oder auch Pfeiffer Vacuum .

Grenke als einer der Favoriten im MDax sprangen um 6,3 Prozent nach oben. Der Leasingspezialist machte nach vorgelegten Quartalszahlen und einem nur leicht gesenkten Dividendenvorschlag die Vortagesverluste mehr als wett. Am Markt wurde zudem die reichliche Ausstattung von Grenke mit Barmitteln gelobt.

Der Kochboxenlieferant Hellofresh als einer der wenigen Gewinner in der Corona-Krise erhöhte die Prognose für das laufenden Jahr deutlich. Die Aktie sprang daraufhin bei 36,60 Euro auf ein Rekordhoch. Zuletzt ging es um 8,7 Prozent auf 35,86 Euro hoch. Die Hugo-Boss-Papiere indes sackten nach einem enttäuschenden ersten Quartal mit minus 3,3 Prozent an das Ende des Index für mittelgroße Werte.

Am Rentenmarkt stieg die Umlaufrendite von minus 0,57 Prozent am Vortag auf minus 0,54 Prozent. Der Rentenindex Rex fiel um 0,17 Prozent auf 145,28 Punkte. Der Bund-Future gewann 0,15 Prozent auf 174,37 Punkte.

Der Kurs des Euro geriet nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts unter Druck. Am frühen Nachmittag kostete der Euro 1,0848 US-Dollar. Die EZB hatte den Referenzkurs am Montag auf 1,0942 Dollar festgesetzt./ck/jha/

--- Von Claudia Müller, dpa-AFX ---

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AXC0304 2020-05-05/15:02

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