IG Lebenszyklus Bau: Hebel der Bau- und Immobilienbranche für den Klimaschutz jetzt nutzen / sechs neue Leitfäden zur Unterstützung von Bauherren und Branchenvertreter:innen

21. November 2023 – Einmal mehr pochte die IG Lebenszyklus Bau im Rahmen ihres jährlichen Herbstkongresses auf das Verantwortungsgefühl jedes einzelnen Branchenteilnehmers, um vor dem Hintergrund von Klimawandel, Ressourcenknappheit und neuen sozialen Herausforderungen aktiv zu werden. Der Tenor: Besser sei die Zeit nie gewesen, um als Branche gemeinsam etwas zu bewegen. Durch die Digitalisierung getrieben, seien viele Prozesse bereits optimiert worden, gesetzliche Rahmenbedingungen beschleunigten nun die Forderungen jener, die bereits seit Jahren um Nachhaltigkeit in der so ressourcenintensiven und CO2-lastigen Branche bemüht sind. Auch 2023 waren mehr als 100 Expert:innen aus rund 60 Unternehmen und Institutionen an der Erarbeitung von sechs neue Leitfäden beteiligt. Sie stehen zum kostenfreien Download zur Verfügung und bieten Bauherren und Branchenvertreter:innen konkrete Analysen und Tools zu den Themen ganzheitliche Gebäudesanierung, Bodenversiegelung im ländlichen Raum, ESG, Lieferkettengesetze, mehrwertorientierte Dachflächennutzung und Klimarisikobewertung von Gebäuden.

„Wien wird Athen. Dafür ist es nicht gebaut.“

„Erinnern Sie sich bitte im Jahr 2050 an diesen „Rekordsommer“ zurück, sie werden nicht mehr viel kühlere Sommer erleben. Wir sind am Anfang und nicht am Ende der Erderwärmung.“ Emotional und mit erschreckenden Fakten zu den Auswirkungen des Klimawandels, musikalisch untermalt von Michael Jacksons Earth Song, eröffnete Vorstandsmitglied Klaus Reisinger, ClimatePartner, den Kongress gemeinsam mit Wolfgang Kradischnig, Sprecher der IG Lebenszyklus Bau, DELTA, der im Anschluss die Verantwortung der Baubranche und jedes Einzelnen hervorhob: „Wir können diese Verantwortung nicht abgeben. Der Hebel der Bau- und Immobilienbranche ist groß und wir haben jetzt – auch, aber nicht nur, getrieben durch neue Gesetze und Rahmenbedingungen auf den Märkten – die einmalige Chance, als Branche richtig viel bewegen zu können und einen maßgeblichen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.“

Mit Bauen die Zukunft anderer positiv gestalten

In diese Kerbe schlug auch der Berliner Futurologe Max Thinius, der in seiner Eröffnungskeynote die „lokale, soziale, ökologische und wirtschaftliche Wertschöpfung in neuen multilateral verwebten Strukturen“ in den Fokus rückte. Dabei erweiterte Thinius den bestehenden Denkradius des „Wie kann ich Bauen zukunftsfähig machen?“ um den  gesellschaftlichen Faktor und benannte dabei die für ihn zentrale Fragestellung der Bau- und Immobilienbranche: „Wie kann ich mit Bauen die Zukunft anderer positiv gestalten?“

Allianzverträge und ECI als „Teilchenbeschleuniger“

Auf nachhaltige Projektentwicklung fokussierte sich Caroline Palfy, Loud4Planet, in ihrer Eingangskeynote und füllte damit das von Thinius formulierte Eingangsstatement mit branchenrelevanten Ausführungen. Dabei erläuterte sie insbesondere die positiven Wirkungen von Allianzverträgen und Early Contractor Involvement (ECI). Mit integrierter Projektabwicklung, BIM und Lean Management könne die Transformation der Bau- und Immobilienwirtschaft vorangetrieben und die aktuellen ökonomischen, ökologischen und politischen Krise(n) als Chance ergriffen werden. „Um die Herausforderungen hinsichtlich ESG in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zu meistern, braucht es das größtmögliche Engagement aller. Technologien und Digitalisierung sind nur die Werkzeuge – die Umsetzung verantwortet die Menschheit weiterhin selbst,“ betonte Palfy.

Neue Bauordnungen und Anreizsysteme als Game Changer

Im Rahmen der Paneldiskussionen widmeten sich die Teilnehmer:innen – darunter Gerald Beck (UBM Development), Isabella Stickler (Alpenland), Uwe Breitschopf (Managementservice Linz), Sandra Bauernfeind (Heimat Österreich), Claudia Nutz (nutzeffekt) und Irene Hauer-Karl (HABAU Group),  den wirksamsten Hebeln für eine nachhaltige Bau- und Immobilienwirtschaft. Genannt seien hier exemplarisch als Lösungen die noch notwendigen Anpassungen der Bauordnungen an die Gegebenheiten im Bereich der Sanierung sowie die Notwendigkeit des Ausbaus der Förderlandschaft für Gebäudesanierung und erneuerbare Energien. Diese Förderungen sollten ein Augenmerk auf Anreizsysteme legen, wovon Eigentümer:innen wie Wirtschaft profitieren.

Die sechs neuen Leitfäden im Überblick

„Klimarisiko-Guide für Immobilien“

Der menschengemachte Klimawandel hat uns zu dem Punkt gebracht, ab dem wesentliche Schäden nicht mehr vermieden werden können. Umso wichtiger wird es nun, Gebäude präventiv an den Klimawandel anzupassen. Ziel des Leitfadens „Klimarisiko-Guide für Immobilien“ ist es daher, das Thema Klimarisiko aufzuspannen. Sowohl physische als auch transitorische Risiken werden beleuchtet und vor allem auch ein möglicher Plan aufgezeigt, wie Klimarisiken analysiert und minimiert werden können.

„Zukunftsweisender Umgang mit Gebäudebestand“

Im Bereich der Sanierung müssen sich das Mindset und die gesetzlichen Rahmenbedingungen ändern. Auch die Wertschätzung des Gebäudebestandes, das Vertrauen in Planungskompetenz und die Kostenwahrheit gegenüber einem Neubau müssen angepasst werden. Allein der Erhalt der tragenden Struktur bringt wichtige CO2-Einsparungen, die für die angestrebte Klimaneutralität nötig sind. Zielsetzung des Leitfadens „Zukunftsweisender Umgang mit Gebäudebestand“ ist es, für Eigentümer:innen und Hausverwaltungen ebenso wie für interessierte Fachexpert:innen eine kompakte Übersicht über das Thema der Gebäude-Sanierung zu geben. Ein separater Maßnahmenkatalog unter dem Titel Technische Sanierungslösungen zur Dekarbonisierung des Gebäudebestandes bietet zudem interaktive und übersichtliche Entscheidungsbäume, mit denen man abhängig der vorhandenen Ausgangslage zu knapp 70 konkreten Maßnahmen rund um Energieverbrauch, erneuerbare Energieträger und geeignete Abgabesysteme geführt wird.

„Netto-Neuversiegelung gleich null! Gemeinden zeigen, wie es gehen kann“

Es genügt nicht, im Status Quo zu verharren. Mit dem Leitfaden „Netto-Neuversiegelung gleich null! Gemeinden zeigen, wie es gehen kann“ wird das Tun befeuert und so mehr Gemeinden zu einer nachhaltigen Entwicklung motiviert, um in Folge das Ziel Netto-Neuversiegelung gleich NULL in greifbare Nähe zu bringen. Die herausragenden Erfahrungen der ausgewählten Gemeinden in der Entwicklung einer nachhaltigen Infrastruktur im jeweiligen Gemeindegebiet sollen Handlungsräume vermitteln, die im Kontext der Vermeidung von „Neuversiegelung”, Bestand aktivieren, soziales Engagement zeigen, integrale Konzepte verfolgen und kreative Lösungen umsetzen.

„Mehrwertorientierte Dachflächennutzung“

Gemeinsam müssen die Flächen der gebauten Stadt genutzt werden, um die Klimaneutralität und die Klimawandelanpassung zu schaffen. Besonders die Dachflächen eignen sich gut für eine Mehrfachnutzung im Sinne der CO2-Einsparung und Resilienz. Ziel des Positionspapiers „Mehrwertorientierte Dachflächennutzung“ ist die Zusammenfassung und Bereitstellung grundlegender Informationen und Daten für die mehrwertorientierte Systementscheidung bei einer Nutzungsänderung bzw. -erweiterung von bestehenden und neu erbauten Dachflächen.

„Zertifizierungskompass ESG“

Greenwashing ist ein Showstopper der Nachhaltigkeitswende. Der Leitfaden „Zertifizierungskompass ESG“ vermittelt eine fundierte Kenntnis über die rechtlichen Fallstricke des Greenwashing sowie einen Überblick über die gängigsten Gebäudezertifizierungen und Systemzertifizierungen im Sinne eines ESG-Zertifizierungskompasses.

„Lieferkettengesetze für Klein- und Mittelunternehmen“

Klein- und Mittelunternehmen müssen bereits jetzt verfügbare Kapazitäten auf die Darstellung ihrer Lieferketten verwenden. Der Leitfaden „Lieferkettengesetze“ widmet sich dem Umgang von Klein- und Mittelunternehmen (KMU) mit der Lieferkettengesetzgebung. Hier wird die Frage der Konsequenzen von Lieferkettengesetzgebung für Klein- und Mittelunternehmen aus drei unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet: Die praktische Darstellung einer gewöhnlichen Lieferkette in konkreten Sektoren, Analysen bestehender "good practices" sowie Leitlinien und Handreichungen aus rechtlicher Perspektive.

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