Die aktuelle Konjunkturflaute in Deutschland wird nach Einschätzung der Schweizer Privatbank Julius Bär nicht in eine Rezession abgleiten. Zwar gebe es Risiken für die konjunkturelle Entwicklung, und neben wichtigen Stimmungsindikatoren seien auch die Auftragseingänge schwach ausgefallen, räumte David Kohl, Chefvolkswirt Deutschland bei Julius Bär, am Donnerstag in Frankfurt ein. Der "extrem robuste Arbeitsmarkt" wirke aber stabilisierend und stütze weiterhin den Aufschwung.

Allerdings rechnet Julius Bär im laufenden Jahr mit einem deutlich schwächeren Wachstum. Demnach dürfte die Wirtschaftsleistung nur noch um 0,7 Prozent zulegen. Im nächsten Jahr sollte die Konjunktur aber wieder stärker in Schwung kommen. Die Schweizer Bank erwartet 2020 eine Zunahme des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 1,3 Prozent.

"Hoffnungszeichen" für die deutsche Wirtschaft erkannte Experte Kohl außerdem in der Geldpolitik der US-Notenbank Fed und in der Entwicklung in China. Neben der Erwartung fallender Zinsen in den USA dürften auch die Fiskal- und Geldpolitik in China das Wachstum der Weltwirtschaft stützen. Die stark auf den Export ausgerichtete deutsche Wirtschaft würde hiervon profitieren.

Während die Finanzmärkte derzeit bis zu drei Zinssenkungen in den USA in diesem Jahr erwarten, rechnet Julius Bär allerdings nur mit einer Zinssenkung. Nach Einschätzung von Kohl sei in der zweiten Jahreshälfte mit besseren Konjunkturdaten aus den USA zu rechnen. Dies mache einen weiteren Zinsschritt nicht erforderlich. Erst im kommenden Jahr geht die Schweizer Bank von weiteren Zinssenkungen durch die Fed aus.

Besorgt zeigte sich Kohl hingegen von der schwachen Entwicklung in der deutschen Industrie, einem der wichtigsten Treiber der deutschen Wirtschaft. "Die Bodenbildung dauert länger als erwartet", sagte der Ökonom. Aber auch hier rechnet er Ende des Jahres wieder mit einer besseren Entwicklung. Als Grund nannte er die stärkere Kreditdynamik im Industriesektor. Außerdem seien weitere Nachholeffekte in der Autobranche zu erwarten.

Während die Wahrscheinlichkeit eines ungeregelten Austritts Großbritanniens aus der EU im Bankhaus Julius Bär nach wie vor als gering eingeschätzt wird, wird im Handelskonflikt zwischen den USA und China ein größeres Gefahrenpotential gesehen. Ein großes Risiko berge eine Eskalation mit gegenseitigen Sanktionen oder Boykott-Maßnahmen gegen einzelne Unternehmen. Dies wird bei Julius Bär als Bedrohung für die Weltwirtschaft gesehen, denn solche Maßnahmen würden im stark globalisierten Technologiebereich weltweite Lieferketten gefährden./jkr/bgf/jha/

AXC0171 2019-06-13/14:02

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