FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Portfoliomanager Schlienkamp hält es für extrem schwierig, den Markt zu timen. Und rät, Aktien auch mal mit Verlust zu verkaufen.

16. Mai 2023. FRANKFURT (GS&P). In diesen Tagen habe ich sehr viele Börsenberichte und -kommentare gelesen und Podcasts gehört, die sich alle mit der alten Börsenweisheit "Sell in May and go away" beschäftigten. Keine Angst, ich will das Thema hier nicht noch einmal aufwärmen, ob und wann diese Börsenregel gilt und wann nicht. Gleichwohl gibt es für Anleger meines Erachtens zwei wichtige Grundregeln, die zu wenig beachtet werden und die viel wichtiger sind als darüber zu entscheiden, welcher Monat gerade ist.

"Time niemals den Markt"

Die goldene Regel für ein Basisinvestment zum Vermögensaufbau heißt ganz klar: "Time niemals den Markt". Wichtig ist es, überhaupt an der Börse zu investieren, um von den langfristigen Chancen des Aktienmarktes profitieren zu können. Das Problem mit dem Versuch, den Markt zu timen, ist, dass es fast unmöglich ist, den besten Zeitpunkt für den Kauf oder Verkauf von Aktien zu treffen. Die Börse ist nicht selten unberechenbar und kann schnell in die eine oder andere Richtung ausschlagen. Es ist viel sinnvoller, an der Börse zu investieren und langfristig zu denken. Wenn man ein Portfolio breit diversifiziert und in Unternehmen investiert, von denen man überzeugt ist, dann ist es wahrscheinlicher, langfristig erfolgreich zu sein. Ja, es kann schwierig sein, zu sehen, wie ein Portfolio in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit sinkt, aber es ist wichtig, daran zu denken, dass der Markt langfristig gesehen immer nach oben tendiert.

Es ist daher wichtig, eine langfristige Anlagestrategie zu verfolgen, die auf fundierten Fundamentaldaten und langfristigen Trends basiert, anstatt auf kurzfristigen Schwankungen zu reagieren. Indem Anleger regelmäßig in solide Unternehmen investieren und geduldig sind, können sie über einen längeren Zeitraum hinweg ein solides Portfolio aufbauen und von den Vorteilen des Zinseszinseffekts profitieren. Durch das Verfolgen einer langfristigen Anlagestrategie und das Vermeiden von emotionalen Entscheidungen können Anleger ihr Portfolio erfolgreich aufbauen und langfristige Gewinne erzielen.

Sparpläne sind ein gutes Instrument, um an den langfristigen Chancen zu partizipieren. Und wenn der Markt dann doch mal im Mai sinkt, dann bekommt man für den festen Betrag mehr Anteile. Auf lange Sicht kann diese Strategie dazu beitragen, das Risiko zu minimieren und den Erfolg zu maximieren. Kurz gesagt, das Timing des Marktes ist eine schwierige Sache, die selbst erfahrene Investoren herausfordert. Es ist viel sinnvoller, langfristig zu denken, das Portfolio zu diversifizieren und regelmäßig in den Markt zu investieren.

Vertrauen auf das Prinzip Hoffnung

Bei einer Einzelanlage vergessen Anleger zudem sehr häufig, sich von einem Titel zu trennen, wenn der Kurs nicht nach oben geht, die Einschätzung des Unternehmens sich aber zum Negativen geändert hat. Dann vertrauen viele Anleger auf das Prinzip Hoffnung, doch vielleicht den Einstandskurs wieder erreichen zu können. Das bindet Kapital, neuen Ideen nachzugehen, die erfolgsversprechender sind. Trauen Sie sich also auch. Sich mit Verlust von Papieren zu trennen.

Es ist eine der größten Herausforderungen bei der Investition in Einzeltitel, emotionale Entscheidungen zu vermeiden. Es ist natürlich, eine emotionale Bindung zu einer Aktie aufzubauen, insbesondere wenn sie in der Vergangenheit gute Renditen erzielt hat. Es ist aber wichtig, dass Anleger bei der Investition in Einzeltitel an der Börse rational und diszipliniert bleiben. Sie sollten ihre Investitionen regelmäßig überprüfen, klare Ausstiegsstrategien festlegen und sich nicht von emotionalen Entscheidungen und auch nicht vom Kalender leiten lassen.

von Christoph Schlienkamp, 16. Mai 2023, © GS&P

Christoph Schlienkamp ist Portfoliomanager bei der GS&P Kapitalanlagegesellschaft S.A. und geschäftsführender Vorstand der DVFA (Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management e.V.) und dort auch Vorsitzender der Kommission Unternehmensanalyse.

Dieser Artikel gibt die Meinung des Autors wieder, nicht die der Redaktion von boerse-frankfurt.de. Sein Inhalt ist die alleinige Verantwortung des Autors.

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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