FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Trotz der jüngsten Kurserholungen warten viele an der Seitenlinie ab. Wer kauft, achtet mehr auf Größe und Qualität. Ethereum überflügelt die Konkurrenz vor dem anstehenden Wechsel im Konsensmechanismus.

28. Juli 2022 Frankfurt (Börse Frankfurt). Viele Kryptowährungen haben ihre Verluste aus dem Frühjahr wettgemacht. Nach heftigen Kursschwankungen profitierten sie nun zum einen von der Erholung der US-Technologieaktien. Zum anderen hoben die Zinserhöhungen der Notenbanken, vor allem der Fed in den USA, die Stimmung. So steigt der Bitcoin auf Monatssicht um rund 13 Prozent auf 22.870 US-Dollar. Das Jahrestief lag bei 18.595 US-Dollar. Die zweitgrößte Kryptodevise, Ethereum, legt vor der Umstellung ihres Konsensmechanismus' um 41 Prozent zu auf ein Niveau von 1.613 US-Dollar. Ein Konsensmechanismus ist die in einer Blockchain von allen anerkannte Form des Datennachweises.

"Die Korrelation von Krypto und Technologieaktien ist extrem", erklärt Adrian Fritz von 21Shares. Hier berge die laufende Berichtssaison sowohl Chancen als auch Risiken: "Nach positiven wie negativen Überraschungen dieser Woche richten sich die Augen auf Amazon und Apple."

Die jüngste Zinserhöhung in den USA um 75 Basispunkte war zwar keine Überraschung, vor allem die Aussicht auf kleinere Schritte in Zukunft brachte Entspannung an die Kapitalmärkte - auch an die Kryptomärkte, berichten Experten: "Die Zinserhöhungen waren eingepreist, eine Abweichung hätte allerdings das Risiko extremerer Volatilitäten bei den ohnehin schwankungsanfälligen Kryptos vergrößert", erklärt Adrian Fritz.

Dennoch seien Schwankungen weiterhin denkbar: "Das ist nicht der erste Kryptowinter, den ich miterlebe", berichtet Nils von Schoenaich-Carolath, zuständig für digitale Assets beim Bankhaus Scheich. Es könnte noch eine ganze Zeit lang volatil bleiben. "Entscheidend ist, dass wie auch in der traditionellen Welt in den Phasen, in denen die Märkte Schwäche zeigen, sehr viel im Hintergrund in Sachen Infrastruktur und Innovationen passiert und gearbeitet wird." Banken, Asset Manager und Unternehmen würden mit Hochdruck an Lösungen arbeiten, um bei der nächsten Periode steigender Kurse ihren Kunden ein Service-Angebot für Kryptowährungen machen zu können.

Ethereum mit kräftigen Gewinnen vor Wechsel zum Proof of Stake

Vor allem der Wechsel von Ethereum auf den Proof of Stake steht in puncto Innovationen im Anlegerinteresse. "Ethereum erfährt einen starken Zuwachs durch den anstehenden Wechsel auf den Proof of Stake", kommentiert fasst Fritz zusammen. Der Proof of Stake ist ein Konsensmechanismus, der von der Token-Anzahl der Nutzer abhängt: Je mehr Token ein User hat, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, ausgewählt zu werden, um den nächsten Block der Blockchain zu validieren. Vergleichbar ist das mit einer Aktiengesellschaft, bei mit mehr Anteilen mehr Stimmrechte einhergehen.

Ethereum: Datum für Umstellung steht

Einer der federführenden Entwickler der zweitgrößten Kryptowährung hat nach Angaben von Fritz als Datum für die Umstellung, den so genannten "Merge", den 19. September ausgegeben. "Das ist das erste Mal, dass ein festes Datum genannt wurde, was für viel Euphorie gesorgt hat", kommentiert Fritz die Marktreaktionen. Jedoch nicht ohne Vorbehalt: Erst in künftigen Entwicklungsphasen sollen weitere relevante Verbesserungen umgesetzt werden, etwa Skalierungslösungen, die die Ethereum-Blockchain günstiger und leistungsfähiger und damit auch für den NFT-Markt oder den Gaming-Markt attraktiver machen.

Die On-Chain-Daten sind allerdings derzeit rückläufig. Das sind alle Transaktionen dieser Blockchain auf den offiziellen Handelsplätzen. "Diese Daten sind derzeit so niedrig wie zuletzt im Juni 2018." Das bedeute einerseits, dass viele Menschen wohl ihre Kryptos von zentralen Handelsplätzen nehmen und in so genannten Cold Wallets verwahren. Cold Wallets sind Endgeräte ohne Internetzugang. "Das ist ein Vertrauensverlust für die zentralen Handelsplätze."

Zuflüsse bei großen Kryptowährungen - Qualität gesucht

Zum anderen heißt das nach Einschätzung von Fritz auch, dass immer mehr Menschen bereit sind, Coins langfristig zu halten. "Das ist ein optimistisches Signal für die Zukunft." In der aktuellen risikoaversen Situation setzen viele mehr auf Qualität und deshalb auf die großen Kryptowährungen. "Wir sehen nach den Turbulenzen rund um die Insolvenz des Kryptohedgefonds 3AC und die auf Kryptowährungskredite spezialisierte Bank Celsius, dass derzeit vor allem das Vertrauen in die großen Kryptowährungen zunimmt. Die Zuflüsse tendieren eindeutig zu Bitcoin, Ethereum und Basket-Lösungen." Jedoch sei das Handelsvolumen sehr gering. "Viele Marktteilnehmer stehen noch abwartend an der Seitenlinie", kommentiert Fritz.

Tesla verkauft Kryptobestände

Belastend hat sich nach Angaben von Lena ElDeeb von 21Shares zeitweise auch ausgewirkt, dass Tesla 75 Prozent seiner Kryptobestände im Wert von 936 Milliarden US-Dollar verkauft hat. Aus dem vierteljährlichen Bericht der US-Börsenaufsicht SEC gehe hervor, dass der Bitcoin-Einbruch von 59 Prozent im zweiten Quartal die Unternehmen Tesla, MicroStrategy und Block zusammen 5 Milliarden Dollar gekostet habe. "Diese Zahl schreckte die jeweiligen CEOs der Unternehmen jedoch nicht ab, schließlich verkündeten sie in diesem Zeitraum regelmäßig ihren Willen, mehr Bitcoin zu kaufen, über Twitter", erklärte ElDeeb.

Hingegen verzeichnet Torben Bendt von Lang & Schwarz seit zwei Wochen mehr Aktivität: "Dass Bitcoin stabil über 20.000 US-Dollar handelt, gibt Anlegern wieder Sicherheit." Allerdings bestätigte auch Bendt, dass vor allem die größeren Kryptos gehandelt werden: Bendt berichtet von hoher Nachfrage nach einem Bitcoin-ETP von 21Shares (>CH0454664001>) sowie nach dessen Ethereum-Pendant (CH0454664027). In der Abwärtsphase seien Short-Produkte stärker gehandelt worden, vor allem auf den Bitcoin als größter Währung (CH0514065058).

Derzeit kämen nach Einschätzung von Bendt viele neue Produkte auf den Markt: "Mehr Auswahl ist zunächst positiv, zumal wenn auch exotischere Kryptowährungen mit ETP handelbar werden." Doch nach und nach werde sich die Spreu vom Weizen trennen.

von: Antje Erhard, 28. Juli 2022, © Deutsche Börse AG

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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