FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Fondsmanager Peeters ärgert sich über die hastige Verurteilung kapitalbasierter Ansätze für die Altersvorsorge wegen einer kurzfristigen Performance-Delle von Vorzeigeprodukten.

6. Februar 2023. FRANKFURT (pfp Adisory). Es ist grundsätzlich sinnvoll, mal über den eigenen Tellerrand zu schauen oder seine "Bubble" zu verlassen und gänzlich andere Meinungen und Sichtweisen zu betrachten, als sie etwa (in meinem persönlichen Beispiel) in der Finanzwelt vorherrschen. Dies erweitert in jeder Hinsicht den Horizont und hilft in der Reflexion. Es kann aber auch anstrengend sein, wie mir bei Sichtung von News und Netzwerken in der Vorwoche gleich zweimal auffiel.

Da war zum einen der typische "Haltet den Dieb"-Ruf der klar mitverantwortlichen Politik in der Wohnungsbaumisere, über den ich schon den Kopf schütteln musste. Gleich mehrere Politiker echauffierten sich, weil Wohnungskonzerne in dem Umfeld aus nachvollziehbaren Gründen Neubauten scheuen. Über die Verantwortung des steilen Zinsanstiegs kann man noch diskutieren, aber die brutal hohen Energiekosten in Deutschland, die sprunghafte Zuwanderung und die umfassende und auch abwürgende Regulatorik im Bauwesen sind trotz externer Einflüsse (Ukraine-Krieg) klares Ergebnis politischer Entscheidungen. Und wenn die Rahmenbedingungen so eskalieren, eskalieren halt auch die (Miet-)Preise oder es wird nicht gebaut (womit es noch schlimmer wird). Dieses Problem wird gelöst, indem es gemanagt wird, und nicht indem man Marktteilnehmer angeht.

Fachlich unsinnige und irreführende Aussagen in diesem Kontext waren aber noch nicht einmal der erlebte Tiefpunkt. Bestimmte "Würdigungen" des Jahresergebnisses des norwegischen Staatsfonds durch politisch Verantwortliche ließen mich dann doch recht sprachlos zurück. Ausgangspunkt war der berichtete Verlust der Kapitalsammelstelle für 2022, den nun einige deutsche Verantwortungsträger zum Anlass nahmen, um anhand dieses Beispiels meinten, über die Gefahren von Kapitalanlagen bei der Altersvorsorge warnen zu müssen. Motiviert wohl auch, weil dieser Weg ja zumindest in Ansätzen auch von der jetzigen Koalition angedacht wird.

Deshalb schauen vielleicht noch einmal mehr Leute auf den sehr bekannten norwegischen Staatsfonds. Man muss wissen, dass der Staatsfonds zeitnah Preis-Schwankungen auch im Ergebnis bilanziert und bei der recht aktienlastigen Anlagepolitik 2022 wenig verwunderlich einen Verlust ausweisen musste, zumal durch die Zinswende auch die Rentenmärkte stark unter Druck waren, was in dieser Kombination ausgesprochen selten vorkommt.

Das gezeigte Minus von 14 Prozent bzw. 1,64 Billionen Norwegische Kronen (ca. 150 Milliarden Euro) kann niemanden ernsthaft beunruhigen, der sich auch nur zwei Minuten mit dem norwegischen Staatsfonds ernsthaft beschäftigt hat, denn dieser ist eine Erfolgsgeschichte sondergleichen. Getragen von substanziellen und stetigen Einnahmen aus der Förderung fossiler Energien gelang mit einer bereits seit 1998 auf Aktien ausgerichteten Investitionspolitik eine fulminante Geldvermehrung. Betrug das Gesamtvermögen vor etwa 20 Jahren noch ca. 1 Billion Norwegische Kronen, stieg dieser Wert (trotz der genannten Korrektur im Jahr 2022) auf das mehr als Zwölffache (!) an und dies eben nicht nur über stets neue Zuflüsse, sondern über eine nachhaltige Rendite jenseits der 6 Prozent. All dies führt zu einem wunderbaren Vermögen von etwa einer Billion Euro für das kleine Volk der Norweger.

Dennoch nahmen prominente Politiker und Meinungsmacher den größten Performance-Ausreißer seit der Finanzkrise 2008 (als der Staatsfonds prozentual noch einmal stärker verlor) zum Anlass, gegen vermeintliche Gefahren und Risiken von Anlagen in Aktien, also Unternehmensbeteiligungen, in Altersvorsorgesystemen zu wettern. Du liebe Güte!

Natürlich kann man in einem freien Land auch frei seine Meinung äußern. Etwa kann man Mallorca gleich absprechen, ein Sommerurlaubsziel zu sein, wenn es da einmal regnet oder den Klimawandel in Abrede stellen, wenn im Januar Schnee fällt. Es ist aber hochgradig unsinnig und hier verhält es sich nicht anders. Aktienmärkte schwanken, weshalb man sie besser langfristig für sich nutzt. Insbesondere Pensionsfonds haben die nötige Zeit. Gerade in Abgrenzung zu umlagefinanzierten Systemen kann es bei nüchterner und ehrlicher Betrachtung keine zwei Meinungen geben, ob eine kapitalbasierte Lösung nicht zumindest eine sehr sinnvolle Ergänzung sein kann.

von Roger Peeters, 6. Februar 2023, © pfp Advisory

Roger Peeters ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Christoph Frank steuert der seit über 25 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktive Experte den DWS Concept Platow (LU1865032954), einen 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds, sowie den im August 2021 gestarteten pfp Advisory Aktien Mittelstand Premium (WKN A3CM1J). Weitere Infos unter www.pfp-advisory.de. Peeters ist weiterhin Mitglied des Vorstands der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) e.V.. Roger Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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