Die Digitalisierung der Arbeitswelt ist für den IT-Dienstleister Cancom wie eine Wachstumsgarantie. Allerdings mussten Anleger im vergangenen Jahr einige Turbulenzen überstehen, die im neuen Jahr jedoch größtenteils überwunden scheinen. Hoffnungsträger ist das Cloud-Geschäft mit dem Betrieb und der Verwaltung von IT-Systemen. Was bei Cancom los ist, was Analysten sagen und wie die Aktie sich entwickelt hat.

DIE LAGE DES UNTERNEHMENS:

Der IT-Dienstleister hat kein einfaches Jahr hinter sich: Mitte August kam es zum Wechsel an der Konzernspitze. Der Unternehmensgründer und langjährige Vorstandschef Klaus Weinmann legte sein Amt vorzeitig nieder, weil er sich auf andere unternehmerische Tätigkeiten in der Primeplus Gruppe, die knapp elf Prozent der Cancom-Aktien hält, konzentrieren wollte, wie es hieß.

Auf ihn folgte zum 1. Oktober Vorstandsmitglied Thomas Volk. Er will den Wandel vom klassischen Systemhaus mit projektbasiertem Geschäft hin zu einem Dienstleister für Kunden, sogenannte Managed-Services, ausbauen. Der IT-Spezialist soll stärker auf das Cloud-Geschäft ausgerichtet werden, wofür kräftig investiert wurde. Darunter litt jedoch der Aktienkurs, der sich seit Anfang des Jahres aber wieder erholt.

Denn nach wie vor bleibt die zunehmende Digitalisierung der Unternehmen der Wachstumsmotor für Cancom. Dem Anbieter von IT-Infrastruktur und IT-Lösungen spielt die Umstellung der Firmen auf vernetzes- und internetbasiertes Arbeiten in die Karten. Cancom berät sie bei der Umsetzung und betreibt die IT-Systeme. Wichtiger Umsatztreiber sind Cloud-Lösungen, für die der IT-Dienstleister im Gegensatz zum projektbasierten Geschäft Mehrjahres-Serviceverträge mit Kunden abschließt. Die Erlöse in diesem Bereich stiegen im ersten Quartal 2019 um 38 Prozent.

Konzernchef Thomas Volk will das Wachstum weiter ankurbeln. Für 2019 geht er mit einem deutlichen Anstieg bei Umsatz und operativem Gewinn aus, nachdem sich der Umsatz im Vorjahr um 18 Prozent erhöht hatte. Die etwas getrübte allgemeine Stimmung der Wirtschaft in Deutschland hält er für nicht belastend für Cancom. Auch der ungeklärte Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union schreckt Volk nicht von Wachstumsplänen ab, im Gegenteil.

Im vergangenen August übernahm Cancom den britischen IT-Lösungsanbieter OSCL, der auch Cloud-Lösungen anbietet. Das war das zweite britische Unternehmen in einem Jahr, nachdem Cancom im Frühjahr schon Ocean Intelligent Communications geschluckt hatte. Volk will einen Stützpunkt in Großbritannien aufbauen, um internationale Kunden noch besser bedienen zu können, wie er sagte. Das Unternehmen sieht sich gut aufgestellt, lokale Regularien erfüllen zu können, sagte ein Sprecher. Cancom betreibe unter anderem ein eigenes Rechenzentrum in Großbritannien.

2019 setzte das im SDax und TecDax notierte Unternehmen seinen Kaufeifer auch in Deutschland fort. Anfang des Jahres übernahmen die Münchner die restlichen Anteile an der Kölner Pironet durch das Herausdrängen der Minderheitsaktionäre gegen eine Barabfindung. Weitere Käufe im Laufe des Jahres sind nicht ausgeschlossen. "Übernahmen gehören zur Strategie", teilte Cancom mit.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Von acht bei Bloomberg gelisteten Analysten raten sieben zum Kauf und einer zum Halten der Aktie. Das durchschnittliche Kursziel auf 12 Monate liegt bei 48,29 Euro.

Besonders zuversichtlich ist die Privatbank Hauck & Aufhäuser, die der Aktie einen Anstieg auf 55 Euro und damit ein Aufwärtspotential von rund einem Fünftel zutraut. Analyst Tim Wunderlich sah seine Erwartungen bei Umsatz und operativem Ergebnis durch die Zahlen zum ersten Quartal übertroffen. Auch Analyst Henrik Paganetty von der britischen HSBC-Bank zeigte sich positiv überrascht. Trotz der schwierigeren wirtschaftlichen Umgebung habe der IT-Spezialist im ersten Quartal stark abgeschnitten.

Dazu trägt vor allem das Geschäft mit Mietsoftware im Internet bei, schrieb Analyst Gustav Froberg von der Privatbank Berenberg. Sie sei der Wachstumsmotor des Unternehmens. Der Bewertungsabschlag zu den Papieren des Wettbewerbers Bechtle habe sich vergrößert.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Für die Cancom-Aktie ging es seit Anfang 2017 relativ kontinuierlich aufwärts. Im Juli 2018 erreichte sie Höchststände bei über 52 Euro. Bis Ende des vergangenen Jahres ging es dann jedoch auch wieder steil bergab.

Analysten hatten die Zahlen zum ersten Halbjahr enttäuscht, sie hatten bei Umsatz und operativem Gewinn mehr erwartet. Außerdem wurden sie von der Höhe der Investitionen in das Cloud-Geschäft überrascht. Dazu kam der Chefwechsel. Der Wert des Papiers halbierte sich fast mit Tiefständen Anfang Januar 2019 bei nur noch knapp über 27 Euro.

Der Jahreswechsel hat aber den Startschuss zu einer Aufholjagd gegeben, infolge der im Mai wieder Stände von über 47 Euro erzielt werden konnten. Aktuell hält sich die Aktie etwa 44 Euro. Mit einem Börsenwert von etwas mehr als 1,5 Milliarden Euro ist Cancom deutlich weniger wert wie der IT-Dienstleister Bechtle, der nach der jüngsten Rally eine Marktkapitalisierung von knapp 4,3 Milliarden Euro hat./elm/eas/zb

 ISIN  DE0005158703  DE0005419105

AXC0072 2019-05-31/08:35

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