Mit dem Erwerb von Staatspapieren haben die Notenbanken einen Geldüberhang erzeugt, der nicht von der Realwirtschaft absorbiert werden konnte. Dies sicherte nicht überlebensfähigen Unternehmen, sog. Zombie-Unternehmen, ein weiteres Dasein zu. Denn eine neue Verschuldung zu Null-Prozent ist immer eine große Verlockung. In vielen Staaten des Euroraums entstand die Illusion, ohne Reformen die ansteigenden Staatsschulden mit Null- bzw. mit Negativzinsen managen zu können. Die Droge des „billigen Geldes“ oder „Geld für Zero“ wirkt bereits.

Ein erheblicher Anteil des Geldüberhangs ist auch an die Kapitalmärkte geflossen und hat dort seine volle Wirkung entfaltet. Aktienmärkte erklommen Rekordhöhen, die sich kaum jemand vor Beginn der Jahrtausendwende hätte vorstellen können. Für eigengenutzte Immobilien werden Preise aufgerufen, die nur dadurch gerechtfertigt sind, dass Bauland begrenzt zur Verfügung steht und der Finanzierung des Immobilienerwerbs ein extrem günstiges Zinsniveau gegenübersteht.

In den deutschen Ballungszentren werden für 1a-Lagen bei Gewerbeimmobilien Preise erzielt, die das 70-fache der Jahresmiete übersteigen. Mit anderen Worten: Die Vermö-genspreise werden massiv über ihren realen wirtschaftlichen Wert getrieben. Kritisch wird die Sache, wenn sich der Wert der Assets (Aktien, Immobilien usw.) einmal zu-rück bildet. Den Krediten steht dann nur noch eine geringere Vermögensmasse gegenüber. Diesen Effekt sahen wir zuletzt, als sich die Dotcom-Blase zu Beginn des 21. Jahr-hunderts entlud. Aufgefangen wurde diese Entwicklung mit einer noch höheren Kreditaufnahme, die 2008 zum Platzen der Immobilienblase führte.

Auch diese Krise wurde mit noch mehr Krediten aufgefangen, und die Schuldenquote kletterte noch höher. Allmählich kam zudem ein lästiges Phänomen ans Licht: Es waren immer mehr Liquiditätsüberschüsse erforderlich, um die Vermögenspreise noch höher zu treiben, und die Vermögenspreise mussten immer höher klettern, um die Kreditvergaben anzuschieben.

Die jüngste Entwicklung der Inflationsrate ist ein gewünschter Effekt der Notenbanken. Der vielfach in der Corona-Pandemie vorgezogene Altersruhestand bei vielen Arbeitnehmern sowie der Mangel an qualifiziertem Personal hat die Löhne bereits ansteigen lassen. Eine höhere Inflation zusammen mit einem weiterhin niedrigen Nominalzinsniveau lässt den Realzins noch weiter ins Negative abgleiten und den Sparer um sein Vermögen bangen. Von dieser Entwicklung ist auch die gesamte Altersversorgung künftiger Rentner betroffen. Allerdings, so ist zu konstatieren, entschuldet sich der Staat! Und nur darauf kommt es aus Sicht der EZB an.

Die EZB ist ja bekanntlich Eigentümerin der nationalen Notenbanken. Diese Tochtergesellschaften der EZB wurden bereits in die Haftung für unbegrenzte Garantiezusagen genommen zur Vermeidung von Abschreibungsverlusten und zu weiterführenden Schritten hin zu einer Transferunion geführt.

Um die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Pandemie abzufedern, wurde inzwischen ein riesiger Nebenhaushalt mit gesamtschuldnerischer Haftung, der Europäische Wiederaufbaufonds, beschlossen. Damit sollte ein weiterer Meilenstein auf dem Weg in die Transferunion bewältigt worden sein. Andere Hilfsprogramme beiderseits des Atlantiks lassen befürchten, dass es zu einem wirtschaftlichen Overkill kommt mit der Folge, dass von Seiten der Notenbanken energischer auf die Bremse getreten werden muss. Dieses Szenario würde eingedenk der hohen Verschuldung zu einem weltwirtschaftlichen Desaster führen.

Die EZB geht davon aus, dass nur durch den absichtlichen Bruch der von den EU-Mitgliedsstaaten selbst formulierten Regeln, wie beispielsweise die Maastricht-Kriterien, No-Bail-Out oder Verbot der monetären Staatsfinanzierung, aufrecht erhalten werden kann. Ist die EZB der Staat im Staat? Neben der Geldpolitik nimmt die EZB inzwischen auch in der Wirtschaftspolitik der EU das Zepter in die Hand. Von einem deutschen Wirtschaftsminister, der Rahmenbedingungen und Leitplanken festlegen sollte, habe ich schon lange nichts Wegweisendes mehr gehört. Mit Blick auf die politische Schwäche in der größten europäischen Volkswirtschaft bleibt gar nichts anderes übrig, als das Heft in die Hand zu nehmen. Dabei sollte es Ziel sein, die Wettbewerbsfähigkeit in der EU zu erhöhen und die wirtschaftlichen und geopolitischen Herausforderungen anzunehmen. Denn wir sind ja schließlich nicht alternativlos, um es in Anlehnung an ein Zitat unserer Bundes-Angelika zu formulieren.

Mit der Fortführung der gegenwärtigen Geldpolitik sind folgende Gefahren verbunden:

- Die Anzeichen einer zunehmenden Inflation mehren sich. Sollte die Geldwertstabilität weiterhin Bestand haben, müssten die Anleihekäufe der Notenbanken sukzessive zurück gefahren werden. Auch, wenn dies hinsichtlich der Staatsfinanzierung in einigen Ländern zu Verwerfungen führen kann.

- Der wirtschaftliche Bereinigungsprozess wird außer Kraft gesetzt. Wirtschaftlich nicht überlebensfähige Unternehmen werden „durchgeschleppt“. Die Wettbewerbsfähigkeit wird deutlich verringert. In Deutschland ist diese Entwicklung seit Jahrzehnten bereits sichtbar.

- Das Anspruchsdenken in allen Bereichen, dass der Staat für eine „Vollkasko-Sicherheit“ seiner Wirtschaftssubjekte verantwortlich ist, hat sich weiter verfestigt. Die Selbstverantwortung jedes Einzelnen wird weiter ausgehöhlt. Damit feiert der bereits als überwunden geglaubte Sozialismus eine Renaissance.

- Mit dem Europäischen Wiederaufbaufonds nimmt die Europäische Kommission erstmals Schulden auf, die von den Mitgliedsstaaten gemeinsam garantiert werden. Wird dies fortgesetzt, dürfte sich die Kluft zwischen armen und reichen Ländern vergrößern und die Solidarität gefährden.

- Mit dem Europäischen Wiederaufbaufonds nimmt die Europäische Kommission erstmals Schulden auf, die von den Mitgliedsstaaten gemeinsam garantiert werden. Wird dies fortgesetzt, dürfte sich die Kluft zwischen armen und reichen Ländern vergrößern und die Solidarität gefährden.

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