Die plötzliche Erhöhung der Inflationsraten, innerhalb weniger Monate, durch Preissteigerungen relevanter Rohstoffe, bei gleichzeitiger Verknappung durch den Krieg in der Ukraine und Lieferstörungen bei Konsumgütern und wichtigen technischen Komponenten durch Chinas „Null-Covid-Strategie“, ist sowohl für die Industrie, Privathaushalte aber auch für die Zinspolitik der Notenbanken eine Herausforderung.

Historische Kursstürze bei Anleihen mit hoher Bonität.

In der Finanzkrise halbierten sich die Kurse von Unternehmensanleihen mit mittlerer bis guter Bonität, da sich Kreditinstitute untereinander keine Darlehen rausreichten. Das auch Staaten mit mittlerer bis schwächerer Bonität hohe Wertschwankungen in den Entsprechenden Anleihesegmenten aufwiesen (z.B. Russland, Argentinien, Türkei, Griechenland oder Ukraine) ist ebenfalls nicht neu. Das der deutsche Staatsanleihen-Index REX P, im ersten Quartal 2022, um 4,30 Prozent fiel klingt da fast belanglos. Tatsächlich ist das aber der größte Quartalsverlust, seit Auflegung dieses Kursbarometers. Insbesondere mittel- bis langfristige, niedrigverzinste, festverzinsliche Rentenpapiere, sowie Investmentfonds mit mittlerer oder langer Duration wiesen teilweise zweistellige Kursverluste auf.

Hoher Druck im langfristigen Segment.

Steigen die Zinsen am Kapitalmarkt weiter an, hat dies erhebliche Auswirkung auf die Kursentwicklung, langfristiger, niedrig verzinster Anleihen, die dann weiter sehr stark fallen. Es ist auch eine andere Situation als in der Finanzkrise. Damals sind Unternehmensanleihen teilweise um 50 bis 60 Prozent gefallen. Strukturierte Produkte sogar noch deutlich stärker, weil Banken sich untereinander kein Geld geliehen haben und Firmen entsprechend noch schwieriger an Liquidität kamen. Als die Situation sich entspannte, erholten sich die Anleihekurse aber auch wieder schnell. In der Nachbetrachtung handelte es sich also um „interessante Opportunitäten“, wer allerdings damals dabei war, weiß aber noch, dass es „spannender“ war als man es braucht. Liegt allerdings eine Phase nachhaltig steigender Zinssätze am Kapitalmarkt vor, fallen die Kurse von emittierten festverzinsten Wertpapieren aber permanent. Nur wer jeweils neu einsteigt, erhält dann eine Rendite auf dem erhöhten Niveau bis zum Laufzeitende.

Kürzere Duration für Neueinsteiger wieder interessant, Liquidität problematisch.

Im kürzeren Laufzeitbereich von zwei bis drei Jahren lassen sich mittlerweile, auch bei ordentlicher Bonität, Renditen erzielen, die bei zwei bis drei Prozent liegen können. Zu berücksichtigen ist unbedingt, die sehr schwierige Liquiditätssituation am Markt. Privatanleger, die direkt einzelnen Anleihen erwerben möchten, können Ordervolumina von einigen tausend Euro, limitiert umsetzen, sollten sich aber dann trotzdem darauf einstellen, die Papiere bis zum Schluss im Depot zu belassen. Professionelle Investoren, wie Stiftungen, Pensionskassen und Investment- oder Staatsfonds müssen auf größere Emissionen mit hohen Mindeststückelungen zurückgreifen, weil nur hier eine akzeptable Liquidität vorhanden ist.

Einfache Laufzeittransformation aktuell schwierig.

Schichtet man aus dem langen Laufzeitband in das kürzere Segment, reduziert man zwar das zukünftige Schwankungspotenzial, bei weiter steigenden Zinsen, bringt sich auch um das Erholungspotenzial und realisiert hohe Kursverluste. Wenn man trotzdem aus langen Laufzeiten aussteigen will und ein höheres Chance-Risikoprofil akzeptiert, kann man auch in Aktien- oder Mischfonds umschichten. Zwar gibt es auch Druck auf den Aktienmarkt, wenn Zinssätze anziehen. Allerdings stabilisieren sich Sachwerte rasch und bieten dann auch einen gewissen Inflationsausgleich, ohne dass es hier eine feste Korrelation gibt. Entscheidend ist die Zinsentwicklung am Kapitalmarkt. Im Moment ist die Zinsstruktur davon geprägt, dass die Inflationsraten innerhalb kürzester Zeit auf Levels gestiegen sind, die man sonst eher nach ca. drei bis vier Jahren erreicht. Das wirkt sich dann verzögert auf die Zinssätze am Kapitalmarkt aus.

FAZIT:

Nach jahrzehntelang fallenden Zinsen, gefolgt von einigen Jahren der „künstlichen Seitwärtsbewegung“ aufgrund der hohen Staatsverschuldung der Industriestaaten, muss man nun mit Zinsanstiegen umgehen, die eigentlich schon längst fällig gewesen wären. Als europäischer Privatinvestor, der ein Portfolio aufbaut und Rentenpapiere beimischen möchte, kann man im Euroraum bleiben und Unternehmens- und Staatsanleihen mit mittlerer bis guter Bonität und kürzeren Laufzeiten vorziehen. Auch hier fallen die Kurse, wenn die Zinsen steigen. Allerdings bei weitem nicht so stark, wie bei langfristigen Papieren. Unterstellt man aber die ordentliche Rückzahlung zu 100 Prozent, bleibt die Rendite, zum Kaufzeitpunkt aber fix und die Kursschwankungen stören dann nicht so sehr.

Das Risiko des Anleiheausfalls ist hier geringer, weil man für einen kürzeren Anlagehorizont die betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Entwicklungen besser einschätzen kann. Auf der Fondsebene ziehe ich aktive Rentenfonds mit kürzeren Laufzeiten vor. Anbieter wie ANAXIS aus Frankreich oder Oddo BHF aus Deutschland verfügen über ein ordentliches Angebot an Laufzeitfonds. Hier sind auch kürzere Laufzeit integriert und bieten interessante Opportunitäten für Neueinsteiger.

Diesen und weitere Vermögensverwalter mit Meinungen und Anlagestrategien finden Sie auf www.v-check.de.

 

 

Aus dem Börse Express PDF vom 11.08. hier zum Download

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