Dass uns in diesem Börsenjahr die von der US-Notenbank Fed eingeläutete Zinswende beschäftigen würde, war klar. Ab Juli wird nun auch die Europäische Zentralbank EZB mit ersten Zinsschritten nachziehen. Weitere Anhebungen sind in der Pipeline. Denn die Inflationsrate steigt weiter in lange nicht mehr gesehene Höhen. Damit wird immer deutlicher: die Notenbanken haben definitiv zu spät reagiert und mittlerweile Mühe, die Lage in den Griff zu bekommen. So sehen es inzwischen auch die Märkte. Das erste Zwischenfazit lautet daher: die Zinswende läuft nicht gut.

Die Hoffnungen, dass in den USA der Höhepunkt der hohen Inflation bereits erreicht sei, haben sich vorerst zerschlagen. Mit 8,6 Prozent lag die Inflationsrate im Mai so hoch wie seit vier Jahrzehnten nicht mehr. Nach der Mai-Notenbank-Sitzung hatte Fed-Präsident Jerome Powell noch einen weiteren Schritt von einem halben Prozentpunkt im Juni in Aussicht gestellt.

Doch die aus Fed-Sicht weiterhin „überraschend“ hohe Inflationsrate hat die Notenbanker nun zum Umdenken gebracht. Mit immer neuen Formulierungen betonte der sichtlich angespannte Fed-Chef in der Pressekonferenz, wie besorgt die Notenbank wegen der hohen Inflation sei und zugleich wie entschlossen, sie zu bekämpfen. Die Fed hat ihren Kurs der geldpolitischen Straffung daher beschleunigt: Im Rahmen des jüngsten Zinsentscheids vor einer Woche wurde der Leitzins nicht um die vorher erwarteten 50 Basispunkte, sondern um stolze 75 angehoben. Der Zins, zu dem sich Banken kurzfristig refinanzieren können, liegt damit künftig in einer Spanne von 1,50 bis 1,75 Prozent. Es ist der größte Zinsschritt seit 1994. Weiterhin machte Powell deutlich, dass im Juli eine weitere Zinsanhebung um 0,50 bis 0,75 Prozentpunkten ansteht.

Zugleich gehen die Entscheidungsträger der Notenbank jetzt auch von einem insgesamt höheren Zinsniveau in den kommenden Monaten aus als zuvor projektiert. Sie rechnen nun mit 3,40 Prozent für Ende dieses Jahres und sogar mit 3,80 Prozent Ende kommenden Jahres. Diese Prognosen sind keine Festlegungen, zeigen aber doch, wohin der Trend nach Meinung der Fed hingeht.

Die wider Erwarten höheren Zinsniveaus sind Gift für Konjunktur und Börse. Die größte Sorge der Marktteilnehmer war immer, dass die Notenbanken viel aggressiver vorgehen müssen als erhofft. Deshalb kommen nun Sorgen auf, die geldpolitische Wende könnte zu einer Rezession in den USA führen, unter denen wiederum die Unternehmensgewinne und damit die Aktien leiden würden. Das erklärt die zuletzt schwächere Börse, die vieles bereits vorwegnimmt.

Auch der US-Anleihemarkt signalisiert mit einer zeitweise inversen Zinskurve bereits eine bevorstehende Rezession: Auf der anderen Seite des Atlantiks ist der Zinsanstieg dramatischer als in der Euro-Zone, so dass die Zinsen für zweijährige Papiere jetzt so hoch stehen wie zuletzt 2007. Zweijährige Staatsanleihen schossen in der Spitze schon auf 3,45 Prozent und damit knapp über ihre zehnjährigen Pendants. Bei den deutschen Bundesanleihen ist dieses Phänomen noch nicht zu beobachten. Doch die Renditen klettern ebenfalls ungebremst nach oben. Je höher die Zinsen steigen, desto stärker werden zukünftige Unternehmensgewinne abdiskontiert und umso teurer erscheinen vor allem Wachstumstitel.

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Aus dem Börse Express PDF vom 07.07. hier zum Download

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