Bisher liebten wir Deutschen unser Bargeld und hatten stets vollstes Vertrauen in seine Bezahlfunktion. Doch nun, in Zeiten von Corona, gewinnt das kontaktlose Bezahlen mit Karte oder Smartphone zunehmend an Akzeptanz, während die Angst vor einer Entwertung durch Inflation die Gesellschaft spaltet. Wie auch immer es kommen mag, eines steht jedenfalls fest: um digitales Geld führt kein Weg mehr vorbei.

Grundsätzlich ist digitales Geld im Gegensatz zu physischem Bargeld nicht greifbar, stellt aber dennoch eine immer beliebter werdende Art der Aufbewahrungs- bzw. Zahlungsmöglichkeit dar. Digitales Geld existiert bislang in zwei Erscheinungsformen: zum einen gibt es digitales Geld, welches auf einem kartengestützten System basiert wie EC- oder Kreditkarte. Zum anderen existiert es über ein softwaregestütztes System wie zum Beispiel Paypal. Diese Arten von digitalem Geld haben, obwohl physisch nicht existent, den gleichen Wert wie Bargeld und stehen meist direkt in Verbindung mit dem eigenen Bankkonto. Aufgrund dessen sind Bezahlvorgänge auch niemals anonym, weil der Besitzer des Geldes jederzeit von der Kreditkartenfirma oder Bank zurückverfolgt werden kann.

Noch für dieses Jahr ist die Einführung von Facebooks eigenem digitalem Geld mit dem Namen Libra geplant. Dabei wird Libra von Facebook als sogenannter Stable Coin konzipiert, was die Währung vor starken Kursschwankungen wie beispielsweise beim Bitcoin schützen soll. Um dies zu erreichen wird Libra an einen Korb bekannter Währungen wie Euro, US-Dollar, Yen und Britisches Pfund sowie kurzlaufender Staatsanleihen dieser Währungsräume gebunden sein.

Konkret funktioniert das so: Der Nutzer zahlt seine Landeswährung bei einem Virtual Asset Service Provider (VASP) wie zum Beispiel einem Wallet-Anbieter oder einer Kryptobörse ein. Der VASP gibt den Betrag an einen designierten Händler weiter, der in einem vorher bestimmten Verhältnis die entsprechenden Staatsanleihen kauft. Staatsanleihen (zum Beispiel 80 Prozent) und Cash (zum Beispiel 20 Prozent) werden dann an die Libra Reserve, Facebooks privater Zentralbank, geliefert. Die Libra Reserve gibt dann den Gegenwert in Libra über den Händler und den VASP an den Nutzer aus. Die Libra Reserve wird dabei von der Libra Association gesteuert, einem Konglomerat dutzender beteiligter Technologiefirmen, darunter Facebook.

Auch Libra wird nicht anonym sein, im Gegenteil: Vertrauen in den Schutz der persönlichen Daten und in die integren Absichten der Privat-Institution Libra Association müssen gegeben sein. Als Motivation für die Libra-Einführung gibt Facebook an, 1,7 Milliarden Menschen in Schwellenländern Zugang zu Zahlungen zu ermöglichen, auch wenn sie über kein Bankkonto und keine Kreditkarte verfügen. Ein Smartphone reicht dann aus, um Libra in Sekundenschnelle auf einer öffentlichen Blockchain via Facebook-Messenger, WhatsApp oder Instagram kostengünstig und direkt zu versenden. Mit seinen Milliarden Nutzern könnte Facebook mit Libra damit auf Anhieb zum größten Währungsraum der Welt und somit zu einer gewichtigen Konkurrenz für die Zentralbanken werden.

Angetrieben von Facebooks Aktivitäten beim Libra sind die Zentralbanken weltweit unter Zugzwang gekommen und entwickeln parallel dazu eigene Konzepte. So haben sich mit Beginn der EZB-Präsidentschaft von Christine Lagarde auch die Bemühungen der Europäischen Zentralbank in Sachen Digitales Zentralbankgeld („CBDC“) spürbar intensiviert.

Wie bei Libra ist auch der Grundgedanke von CBDCs letztlich die Überführung von physischem Bargeld in die digitale Welt. Jedoch spielen bei der Konzeption eines CBDC-Systems die Auswirkungen auf den privaten Bankensektor, die gesellschaftliche Akzeptanz und die geldpolitischen Optionen der Zentralbanken eine wesentlich größere Rolle. Zudem scheint zumindest die EZB bemüht, ein gewisses Maß an Anonymität beim Bezahlen - ähnlich wie Bargeld - zu implementieren.

Im Dezember 2019 stellte die EZB einen CBDC-Prototypen vor, der anonyme Zahlungen zulässt und gleichzeitig Anti-Geldwäsche-Bestimmungen (AML) berücksichtigt. Dieser Prototyp – nennen wir ihn mal e€uro – basiert auf der Blockchain-Technologie, wobei private Geschäftsbanken das dezentrale Netzwerk bilden. Die Geschäftsbanken geben die e€uros im Auftrag der Zentralbank an die Kunden aus, zusätzlich erhält der Kunde eine beschränkte Zahl sogenannter Anonymitäts-Voucher von der ALM-Behörde, die dem Kunden wiederum bis zu ihrem Verbrauch Anonymität gewähren. Allerdings ist zu beachten, dass diese Transaktionen nur gegenüber der Zentralbank und der ALM-Behörde anonym bleiben. Die involvierten Geschäftsbanken haben nach wie vor Einblick.

Angesichts dieser Einschränkung stellt sich die Frage, worin der entscheidende Vorteil des e€uro gegenüber den aktuellen Bezahlsystemen liegt. Die Antwort liegt in der neuen Qualität der Sicherheit. Schließlich handelt es sich um Zentralbankgeld, das heißt die EZB garantiert vollumfänglich für das Ersparte (im Gegensatz zu Geschäftsbanken im Falle einer Finanzkrise). Dazu kommt die Tatsache, dass digitales Geld in einem dezentralen System wesentlich fälschungssicherer ist als Bargeld. Allerdings dürften die Steuerungsmöglichkeiten der Zentralbanken (Stichwort Negativzins) auch höher sein.

Ob sich in Zukunft digitales Geld der Zentralbanken oder aus der Privatwirtschaft durchsetzen wird, oder ob beide Systeme nebeneinander existieren können, bleibt im Moment noch abzuwarten. Aus heutiger Sicht erscheint ein gesetzlich anerkanntes digitales Geld ohne Kontrolle der Zentralbanken unrealistisch. Fest steht jedoch, dass bis zum Jahr 2025 geschätzt 20 Milliarden (!) Geräte mit dem Internet verbunden sein werden und früher oder später auch in den Zahlungsverkehr eingebunden werden. Ausgestattet mit einem eigenen Wallet werden diese Geräte dann untereinander automatisierte Zahlungen tätigen, ohne dass ein Mensch oder eine Bank darin eingebunden sind. Angesichts dieses Szenarios wird klar: an digitalem Geld führt kein Weg mehr vorbei.

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