Ich nenne Edelsteine gerne das kleinste Fluchtkapital. Denn im Gegensatz zu Goldbarren, Immobilien oder Gemälden hat man hier sehr viel Wert auf kleiner Größe und ist damit sehr mobil.“ Adeline Lageder, allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige für Edelmetalle, Juwelen und Schmuck und Gemmologin beim renommierten Gemmologischen Labor Austria (GLA) in Wien, sieht aber nicht nur die Vorzüge. Die Edelstein-Klientel bestehe nur aus interessierten Fachleuten, unter denen die Steine gehandelt werden. Kauft ein Privater bei einem Edelsteinhändler ein, sollte er auch wieder bei diesem verkaufen, denn ansonsten sei es fraglich, ob der dafür erzielte Preis den Wert widerspiegelt. „Das ist also auch ein Nachteil gegenüber beispielsweise Gold, das ich auch bei Banken kaufen und verkaufen kann.“ Und noch einen Nachteil gibt es bei Edelsteinen im Vergleich zu Goldbarren und -münzen (unter bestimmten Voraussetzungen): bei ihnen fällt die 20ig-prozentige Umsatzsteuer an. Auch die Preisentwicklung ist für einen Laien nicht transparent. Nur bei farblosen Edelsteinen, also bei Diamanten, gibt es exakte Preislisten und eine Diamantenbörse. Allerdings dominieren hier wenige große Förderunternehmen den Markt und beeinflussen die Preise. Bei Farbedelsteinen fehlen öffentlich zugängliche Preisinformationen und ein einheitliches Graduiersystem von Farbe und Qualität. Dafür sind aber wesentlich höhere Preise zu erzielen als bei Diamanten.

Wichtig: Gutachten

Hat man sich mal für den Kauf von Edelsteinen entschieden, einiges Wissen angeeignet und den Händler seines Vertrauens gefunden, sollte man unbedingt nur Steine erwerben, die mit einem Gutachten versehen sind oder eines anfertigen lassen, meint die Expertin. Bei unbehandelten Farbedelsteinen hänge der Wert nämlich sehr von der Herkunft der Steine ab und die könne ein so erfahrenes Labor wie z.B. GLA zertifizieren. Und doch, neben den vier Qualitätskriterien, (vier Cs: Carat = Größe und Gewicht, Clarity = Reinheit, Color = Farbe und Cut = Schliff) die es für Edelsteine gibt, zählt am Ende vor allem eines: das Auge des Betrachters. „Edelsteine sollten das Herz des Käufers erfreuen“, ist Walter Hell-Höflinger von Gold & Co überzeugt und rät dazu, sich die Steine immer selbst anzuschauen und zu befühlen. Auch für Lageder muss das Gesamtbild des Steins passen: „Wie lebhaft ist der Stein, wie schaut die Farbe aus, hat er störende Einschlüsse?“ Wobei, augenreine Steine, also solche, wo Einschlüsse nur unter dem Mikroskop oder Lupe sichtbar werden, seien selten. Wichtig sei auch der Schliff, der Brillanz zeigen sollte. „Wenn ich den Stein ins Licht halte, sollte er nach allen Seiten reflektieren und keine toten Stellen aufweisen.“ Das Schwierige beim Schleifen ist allerdings die Gradwanderung zwischen der Perfektion des Schliffes und dem Gewicht des Steines: „Man schleift den Stein so, dass er auch danach noch möglichst viel Gewicht hat, weil das den Preis ausmacht“, erklärt Hell-Höflinger.

Korunde sind die Könige der Edelsteine

Für den Edelmetallexperten, der, wie Lageder, FEEG (Federation for European Education in Gemmology) Gemmologe ist, zählen Diamanten, Smaragde, Rubine und Saphire zu den Königen der Edelsteine. „Am stärksten steigen derzeit die Preise bei den Edelsteinen der Gruppe der sogenannten Korunde, also Saphire und Rubine. Denn sie werden immer seltener.“ Doch die Preisunterschiede sind groß. Laut dem Experten kostet ein 3-karätiger Rubin, temperaturbehandelt und ohne besondere Herkunft, rund 19.000 Euro pro Karat. Ein ebenso großer, aber dafür unbehandelter Rubin aus Mozambique würde auf ca. 30.000 Euro pro Karat kommen, der gleiche aus Burma auf ungefähr 80.000 Euro pro Karat. Hier spielen auch farbgebende Elemente in den Gesteinsschichten die entscheidende Rolle, das schöne Rot im burmesischen Rubin kommt beispielsweise vom dort vorkommenden Chrom.

Dass Edelsteine nur einen Bruchteil eines Anlegerportefeuilles ausmachen sollten, darüber sind sich beide Experten einig. Und auch darüber, dass Farbedelsteine wie Rubine, Saphire und Smaragde wohl weiter hoch im Kurs stehen werden. Die Nachfrage nach diesen Steinen stieg in den vergangenen zehn Jahren stark an, vor allem aus China und dessen wachsender wohlhabender Mittelschicht. Zwar hat sie sich in den letzten Wochen - aufgrund der dortigen coronabedingten Ausgangssperren - etwas gelegt, das Interesse an Realwerten wie Edelsteinen hätte sich aber wegen der erhöhten Unsicherheit bezüglich Wirtschaft und Währung wieder erhöht. Insgesamt dürfte die Coronakrise die Preise steigen lassen. „Covid-19 sorgt kurzfristig für künstliche Verknappung, daher kann es zu lokalen Preissprüngen kommen“, meint Hell-Höflinger und Lageder verweist auf den für Schleifereien und den Handel so wichtigen indischen Markt, der ebenfalls derzeit wegen der Ausgangssperren blockiert ist.

Ethik wird wichtiger

Auch die Nachfrage nach ethisch korrekten Edelsteinen nimmt übrigens zu, wobei die Kontrolle und Rückverfolgung aufgrund der vielen kleinen Minenbesitzer in Ländern wie zum Beispiel Mozambique schwierig ist. Während die chemische Belastung der Umwelt beim Abbau der Farbedelsteine kein Thema ist, sieht Lageder eher die Gefahr in der Bezahlung unfairer Löhne und in Unfällen bei den Minen im Familienbesitz.

Insgesamt jedenfalls könnte der Anteil an Edelsteininvestments im Vergleich zum Schmuckkauf steigen, glaubt Lageder: „Zukunft sehe ich auch im Sinne von Fluchtkapital. Edelsteine haben auf jeden Fall Potenzial. Aber eines ist ganz wichtig: Man sollte sie auch tragen.“ 

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