Es wäre ungerecht, diese Malaise einer mehrfachen Ertragsbesteuerung von Investmentzertifikaten nur dem Finanzminister unseres Landes oder seinen ausländischen Berufskollegen anzulasten. Denn am bösen Spiel, dem Staatssäckel nicht gerechtfertigte Mehreinnahmen auf Kosten von Kleinanlegern zuzuführen, sind auch andere mitbeteiligt:

• Die österreichischen Geschäftsbanken, die ihre Wertpapierkunden über das festgesetzte Maß hinaus zur Kasse zu bitten, indem sie diese bedenkenlos mit doppelter Kapitalertragsteuer belasten, die sie brav dem Fiskus zuführen. Die Banken schieben die Verantwortung für dieses Tun der Oesterreichischen Kontrollbank (OeKB) sowie an die steuerlichen Vertreter ausländischer Fonds in Österreich ab, kassieren aber von den abgewiesenen Kunden weiterhin ansehnliche Kontoführungsgebühren.

• Die Meldestelle der Oesterreichischen Kontrollbank prüft die gängige Art der Steuerbelastung durch die Banken aufgrund der ihr gemeldeten Fondsdaten, ist aber nicht willens, den mit Kapitalertragsteuer (KESt) überbelasteten privaten Anlegern Einblick zu geben. „Was die steuerliche Behandlung (von Fonds) im Einzelfall angeht, fällt nicht in unsere Zuständigkeit“, teilt die OeKB privaten Anlegern nüchtern mit.

• Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) besitzt zwar umfangreiche Informationen aller in Österreich angebotenen und verkauften in- und ausländischen Fonds sowie über die finanziellen Verflechtungen Österreichs mit dem Ausland, das aber nur stark verschlüsselt und daher für Außenstehende undurchschaubar ist.

• Das österreichische Finanzministerium hält an der Ansicht fest, die Mitteilungen der obigen Institutionen seien auch für Kleinanleger transparent und ausreichend; es zeigt keine Absicht, das gegenwärtige System zu ändern bzw. zu vereinfachen.

Grundsätze der Fondswirtschaft.

Wer einen ausreichenden Durchblick bei der Ertragsbesteuerung in- und ausländischer Fondsanteile haben will, muss sich entweder an die offiziellen steuerlichen Vertretungen ausländischer Fonds in Österreich wenden; das sind meist große Steuerberatungsfirmen. Oder er muss sich an den Dachverband der Österreichischen Investmentgesellschaften (VÖIG) in Wien wenden. Dieser vertritt vorwiegend die Interessen inländischer Fonds – das sind Gesellschaften, die in Österreich eine Konzession als Kapitalanlagegesellschaft (KAG) besitzen – daneben auch ausländische Fondsgesellschaften. Der VÖIG überblickt so den gesamten heimischen Fondsmarkt, auch die prekären Besteuerungsgrundsätze.

Ein Grundsatz ist, dass bei allen Fondsabrechnungen von den Banken automatisch 15 Prozent ausländische KESt einbehalten werden. Ein anderer Grundsatz ist, dass sich die Europäische Union (EU) aus Eingriffen in die nationale Steuerhoheit ihrer Mitgliedsländer eisern heraushält. Die EU ist zwar eine wirtschaftspolitische Einheit, aber in Sachen Steuern toleriert sie einen undurchschaubaren Wirrwarr, der vor allem die kleinen Anleger trifft. Dazu kommt, dass es nicht nur bei Fonds zur Verrechnung von doppelter KESt kommt, sondern auch allgemein bei der Direktanlage von ausländischen Aktien auf einem Wertpapierkonto. Der viel gepriesene Konsumentenschutz greift hier nicht ein.

Österreichs Fondsmarkt.

Dank der genannten Institutionen lassen sich Trends und Umfang des österreichischen Fondsmarktes relativ gut beurteilen: Der Bestand bzw. Wert an ausländischen Investmentzertifikaten (Fondsanteilen) in Österreich hat sich in den letzten drei Jahren von 70,4 Milliarden Euro um etwa 50 Prozent auf 102 Milliarden Euro Mitte 2021 erhöht. Das ist eine dynamische Aufwärtsentwicklung innerhalb relativ kurzer Zeit. Rund ein Viertel des Gesamtbestandes, genau sind es 26,5 Prozent, entfallen dabei auf private Haushalte; das sind in der Regel Kleinanleger. Letztere sind die echten Opfer der gegenwärtig praktizierten Besteuerungsregeln für die Erträge ausländischer Fondsanteile. Das gesamte Fondsvolumen in Österreich hat Mitte 2021 rund 219 Milliarden Euro betragen; davon waren 42,3 Milliarden Euro ausländische Fondsanteile; auch die Republik Österreich besitzt ausländische Fonds im Wert von rund 479 Millionen Euro.

Der Gesamtbestand an ausländischen Fondsanteilen in Österreich ist wertmäßig deutlich höher als der Bestand an in Österreich domizilierten Fondsanteilen. Umgekehrt sind österreichische Fondsanteile im Volumen von rund 29 Milliarden Euro in ausländischem Besitz. Es besteht somit eine enge internationale Verflechtung von Fondsanteilen. Das nicht nur mit den 27 Mitgliedsländern der Europäischen Union, sondern weit darüber hinaus auch mit sogenannten Drittstaaten wie z.B. den USA, Großbritannien, Japan, oder Südkorea. Tatsache ist, dass innerhalb der Europäischen Wirtschaftsunion, die stets die Fiktion eines „level playing fields“ – einer fairen Gleichbehandlung aller Wirtschaftssubjekte – aufrechterhält, eine heillose Verwirrung über die Verrechnung und gegenseitige Überweisung von Ertragsteuern zwischen dem Sitzstaat des jeweiligen Investmentfonds und dem Sitzstaat des jeweiligen Fondsbesitzers herrscht. Wesentlich komplexer und verwirrender ist dasselbe Problem mit Drittstaaten, das sind alle Länder außerhalb der EU.

Probleme der Ertragsbesteuerung.

So mancher heimische Kleinanleger erhält von seiner Bank regelmäßige Abrechnungen der Kapitalertragsteuer auf die Erträge seiner in- und ausländischen Fondsanteile. Meist werden ihm dabei sowohl eine inländische wie auch ausländische KESt nebeneinander verrechnet. Addiert der Fondsbesitzer beide Steuerabzüge, wird ihm von seiner Bank oft fast die Hälfte seines Ertrages weggesteuert. Das dürfte so rechtlich nicht sein. Die in jedem einzelnen Land gesetzlich festgelegte Kapitalertragsteuer (Quellensteuer) ist zwar unterschiedlich hoch, die zulässige Höhe dürfte aber nicht durch Addition der Steuersätze überschritten werden.

In Österreich beträgt die KESt auf Dividendenausschüttungen von Aktien, auf Zinsen für Anleihen, auf ausbezahlte Fondserträge oder auf Kurssteigerungen von Wertpapieren maximal 27,5 Prozent (25 Prozent KESt plus 2,5 Prozent Spekulationssteuer). Andere Staaten haben niedrigere KESt-Sätze als Österreich, z.B. nur 25 oder gar nur 15 Prozent. Die USA dagegen sind mit 30 Prozent Steuer auf Fondserträge ein internationaler Spitzenreiter.

Das Grundproblem der Ertragsbesteuerung von Fondsanteilen ist, dass nicht der jeweilige Fonds direkt mit KESt belegt wird, sondern der Besitzer des Fonds. Steuersubjekt ist in diesem Fall nicht das jeweilige Wertpapier, sondern dessen Besitzer. Wäre es umgekehrt -- würde statt des Besitzers direkt der Fonds besteuert --, würde das vor allem für Kleinanleger transparenter sein. Doch sind bisher alle Bemühungen, dieses modernere System europaweit durchzusetzen, gescheitert. Denn es lässt sich kein EU-Staat in seine streng gehütete Steuerhoheit dreinreden. Solange dieser Grundsatz aufrecht bleibt, wird die gegenwärtig prekäre Methode der Ertragsteuer-Eintreibung mit dem willkommenen Körberlgeld für den jeweiligen Finanzminister bleiben, wie sie ist.

Ein österreichischer Steuerexperte bestätigt: „Die EU hat im Bereich Ertragsteuern keine Regelungskompetenz; sie kann also nur über die europäische Judikatur zu den Grundfreiheiten, vor allem der Kapitalverkehrsfreiheit eine Vereinheitlichung vorantreiben. Die internationale Abstimmung zur Erstattung der Ertragsteuern bzw. Quellensteuern auf die offiziellen Sätze der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) wird derzeit leider nicht von großem Engagement getragen. Aktuelle Vorschläge zur Vereinfachung liegen derzeit nicht auf dem Tisch. Dem Vorschlag zur Verlegung der Körperschaftsteuer-Subjektivität an die Fonds wurde eine Absage erteilt. Das bedeutet: Ohne eine neue internationale Anstrengung wird sich auf diesem Gebiet nichts ändern!“

Auswege für Fondsanleger.

Besitzer ausländischer Fonds, die durch ihre Bank mit doppelter, also überhöhter KESt belastet werden, können beantragen, dass ihnen die zu viel abgezogene KESt rückvergütet wird. Das erlauben die von Österreich mit 94 Auslandsstaaten vereinbarten DBA. Dieses Verfahren der Gegenrechnung der KESt-Vorschreibung zwischen den Staaten können alle Besitzer ausländischer Fondsanteile, auch private Kleinanleger, in Anspruch nehmen. Die Rückerstattung der zu viel verrechneten KESt betrifft laut DBA nur Beträge, die über 15 Prozent hinausgehen.

Aber Achtung! Die Voraussetzung für eine erfolgreiche Inanspruchnahme von DBA und damit einer Gegenverrechnung der KESt-Abzüge zwischen dem dividendenzahlenden Land und dem Heimatland des Besitzers ist eine Reihe von offiziellen Bestätigungen, die vorgelegt werden müssen, um das Verfahren auszulösen:

• einerseits eine Bestätigung der unbeschränkten Steuerpflicht des Antragstellers in seinem Heimatland (diese stellt das Wohnsitzfinanzamt aus),

• andererseits ein Beleg über die ihm auferlegte KESt-Summe,

• sowie ein Beleg für deren Überweisung an das Finanzamt des Fondsbesitzers (die beiden letzteren stellt die Depotbank aus).

Solche Bestätigungen sind keineswegs kostenlos! Darüber hinaus dauert eine allfällige Gegenverrechnung und Überweisung der zu viel abgezogenen KESt an den Fondsbesitzer viele Monate, in Einzelfällen sogar Jahre. Daher ist privaten Kleinanlegern zu raten:

1. Bevor sie eine Gegenverrechnung nach DBA beantragen, sollten sie eine Kosten-Nutzen-Analyse vornehmen: Zahlt es sich unter dem Strich aus, dieses kostspielige und langwierige Verfahren zu starten? Experten haben errechnet, dass sich dieses DBA-Verfahren nur dann auszahlt, wenn der Anleger mit einer Steuerrückerstattung von mindestens 500 Euro, noch besser von 1000 Euro rechnen kann.

2. Bei einer erwarteten Rückerstattungssumme von weniger als 500 Euro sollte man die Hände davon lassen und keine ausländischen Fondsanteile anschaffen. 2. Bei einer erwarteten Rückerstattungssumme von weniger als 500 Euro sollte man die Hände davon lassen und keine ausländischen Fondsanteile anschaffen. 

Für die meisten Fondskleinanleger zahlt sich daher die Inanspruchnahme des DBA-Verfahrens nicht aus! Für sie wäre es ratsamer, darauf zu warten, dass die seit vielen Jahren – bisher leider nicht bis zur Verwirklichung vorgedrungenen – Vereinfachungsverfahren der KESt-Berechnung zwischen den Staaten endlich Realität werden. Jedenfalls gilt eines: Das unverdiente Körberlgeld für den Finanzminister – darüber gibt es keine Angaben – setzt sich aus den von Anlegern nicht zurückgeforderten Ertragsteuern auf Auslandsfonds zusammen.

Hoffnungen auf Reform.

Auch wenn sich europäische Finanzminister weigern, Vereinfachungen zuzustimmen – es geht in erster Linie um die Aufrechterhaltung von Millioneneinnahmen aus ungerechtfertigten Überbesteuerungen –, geht der Trend in Richtung Vereinfachung und niedrigere KESt-Sätze.

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