Das mag teilweise unterhaltsam sein, lässt den Anleger aber oft ratlos zurück. Was also spricht - sachlich und objektiv - für ETFs, was dagegen? Der wichtigste Vorteil eines ETFs sind die niedrigen laufenden Kosten: Während für aktiv gemanagte Investmentfonds oft über 1 Prozent, gelegentlich auch über 2 Prozent p. a. anfallen können, fahren Anleger bei ETFs je nach abzubildender Benchmark mit meist deutlich unter 1 Prozent günstiger.

Deshalb sind ETFs immer dann im Vorteil, wenn der Anleger davon ausgehen muss, dass aktives Management keinen Mehrertrag über die Indexrendite liefern wird.

Indexschmuser braucht man nicht. Ein einfaches Beispiel hierfür sind die zu Recht gescholtenen ‘Indexschmuser’, also Fonds, die als aktiv gemanagte Produkte verkauft werden, dabei aber mehr oder weniger genau einen Index und damit dessen Bruttowertentwicklung abbilden. Hohe Kosten und kein Mehrwert - diese Kombi braucht kein Mensch. Verfolgen Manager dagegen nicht nur auf dem Papier eine aktive Investmentstrategie und haben sie bereits in der Vergangenheit ihre Benchmark über einen längeren Zeitraum nach Kosten geschlagen, schlägt das Pendel zu Lasten der ETFs aus. Denn warum sollte ein Anleger auf bessere Nettorenditen verzichten, nur weil ein passives Produkt billiger ist? Das macht vielleicht den ETF-Anbieter glücklich, den Anleger aber nicht. Natürlich besteht keine Garantie, dass ein in der Vergangenheit erfolgreicher Fonds auch in Zukunft überdurchschnittlich abschneiden wird. Die Wahrscheinlichkeit ist meines Erachtens aber groß genug, vor allem, wenn ein seit Jahren bewährter Investmentprozess vorliegt und ein Wechsel der Strategie und des Managers unwahrscheinlich ist. Freilich sollte ein Anleger vor der Investition die Produktkandidaten so sorgfältig prüfen wie vor dem Kauf seines nächsten Autos. Gerade in Nischensegmenten gibt es bewährte Aktiv-Produkte. Ich käme beispielsweise nie auf die Idee, mit einem ETF das Segment ‘Deutsche Small- und Mid-Caps’ abzudecken. Da kenne ich bessere Lösungen für den Anleger.

Als weitere Vorteile von ETFs werden oft deren Einfachheit und Diversifizierungsgrad genannt. Im Vergleich zu aktiv gemanagten Fondslösungen sind diese meines Erachtens aber weniger stark bis gar nicht ausgeprägt. In punkto Streuung dürfte fast jeder aktive Investmentfonds einem DAX-ETF mit dessen nur 30 Aktien sogar überlegen sein; und wer unbedingt breit diversifizierte Fonds sucht, findet auch unter den aktiven Produkten genügend Kandidaten. Dass ETFs per se einfacher sind als aktiv gemanagte Investmentfonds, würde ich ebenfalls nicht unterschreiben. Weiß ein Anleger wirklich, dass er beim Kauf eines DAX-ETFs möglicherweise gar keine 30 deutschen Blue Chips bekommt, sondern über Swaps an der Entwicklung ganz anderer Wertpapiere teilhat? Und dass ein ETF, das die Wertentwicklung eines Anleihenindex abbildet, in Aufbau und Entwicklung ‘einfach’ oder gar für Laien leicht verständlich wäre, halte ich ebenfalls für ein Gerücht.

ETF in effizienten Marktbereichen im Vorteil. Und die Nachteile von ETFs gegenüber aktiv gemanagten Fonds? Der wichtigste Minuspunkt aus Sicht eines einzelnen Anlegers ist, dass er mit einem ETF zwar eine Überrendite im Vergleich zum Durchschnitt aller Fonds erzielen kann, aber keine Outperformance gegenüber dem zugrundeliegenden Index. Er verzichtet also von vornherein auf das, was Fondsmanager geheimnisvoll ‘Alpha’ nennen. Denn die Gebühren knabbern in jedem Fall an der Rendite, selbst wenn sie noch so niedrig sind. Die Indexrendite ist also im Normalfall nicht drin. Gleichwohl dürften in vergleichsweise effizienten Marktbereichen, in denen Überrenditen aktiver Produkte eher unwahrscheinlich sind, wie z. B. bei Blue-Chips-Fonds, ETFs wegen der niedrigeren Gebühren im Vorteil sein. In ineffizienten Märkten ist das anders: Mit dem Kauf eines ETFs auf Small Caps oder Schwellenländertitel gibt der Anleger mit dem Kauf eines ETFs jede Möglichkeit, eine Überrendite zu erzielen, vorschnell aus der Hand.

Ein weiteres Problem von ETFs ist, dass der Anleger von der Entwicklung aller Firmen abhängig ist, die im Index enthalten sind. Vereinfacht formuliert, weil es nur für den Fall replizierender ETFs gilt: Es wird unterschiedslos alles gekauft, also auch Unternehmen mit fragwürdigem Geschäftsmodell, merkwürdigen Bilanzen oder schlechten Zukunftsaussichten. Wer im Jahr 2017 ein ETF auf den Mid-Cap-Index MDAX hielt, machte den rasanten 94 Prozent-Crash des Indexschwergewichts Steinhoff ungebremst mit. Die Lenker aktiv gemanagter Aktienfonds hatten zumindest die Chance, ihren Anlegern diese Baisse zu ersparen - und vielen Deutschland-Fonds gelang dies auch.

Gutes Gewissen nicht garantiert. Einigen Investoren ist überdies nicht bewusst, dass die Portfoliomanager bei herkömmlichen ETFs weder prüfen, ob die im Index enthaltenen Unternehmen qualitativen Ansprüchen genügen, noch, ob sie beispielsweise ethische, soziale oder ökologische Grundsätze verletzen. Ist in einem Index ein Streubombenhersteller enthalten, wird er trotzdem gekauft. Profitiert ein Indexmitglied von Kinderarbeit, ist das kein Hinderungsgrund. Denn das einzige Kriterium für einen ETF-Portfoliomanager ist, ob das Unternehmen im Index enthalten ist oder nicht. Wer also nicht in spezielle Nachhaltigkeits-ETFs investiert, unterstützt mit einem ETF auf gängige Indizes automatisch auch Unternehmen, deren Aktien er als Selbstentscheider womöglich nicht einmal mit der Kneifzange anfassen würde. Über diesen Automatismus sollte sich jeder ETF-Käufer im Klaren sein.

Aus der Spezialität von ETF-Managern, Unternehmen ausschließlich nach dem Indexgewicht auszuwählen, ergeben sich aber auch Probleme für den Markt als Ganzes. ETF-Anleger sind letztlich Trittbrettfahrer. Während aktive Fondsmanager und Analysten Marktdaten und Unternehmensbilanzen analysieren, mit Vorständen sprechen und sich Gedanken über die Zukunft machen, tragen ETF-Manager nichts zu einer fairen und auf fundamentale Daten gestützten Preisfindung auf den Märkten bei. Für sie zählt einzig das Indexgewicht.

Solange der Anteil der passiven Investoren klein genug ist, mag der Schaden für den Gesamtmarkt gering sein. Wenn aber zu viele aktive durch passive Anleger verdrängt werden, kann die Börse keine vernünftigen Preissignale mehr senden. Kurse entstünden dann nicht mehr, weil Investoren und aktive Fondsmanager bewusst Kauf- und Verkaufsentscheidungen treffen und Experten kritisch analysieren, sondern weil Großinvestoren Mittelzuflüsse oder -abflüsse steuern müssen. Wenn immer mehr Anleger Indexfonds kaufen, steigt tendenziell die Nachfrage nach den Wertpapieren aus den Indizes, während der Appetit auf den Rest abnimmt. Und wenn ein ETF-Manager mit der Arbeit eines Unternehmensvorstands unzufrieden ist, kann er die entsprechende Aktie nicht einfach verkaufen - sie ist ja im Index enthalten. Für die Firmenvorstände ist das angenehm, da der passive Investor bzw. Fondsmanager, anders als der aktive, keine Drohkulisse eines möglichen Verkaufs aufbauen kann. Ob es eine kritische Grenze für den maximal verkraftbaren Anteil passiver Investments gibt und wo diese sein könnte, weiß zum derzeitigen Zeitpunkt niemand. Eines aber scheint mir naheliegend: Sollte ein Markt durch einen zu großen ETF-Anteil durch schlechtere Preissignale ineffizienter werden, werden davon aktive Anleger profitieren. Sie werden dann zu den wenigen gehören, die etwas zur Preisfindung beitragen, es aber auch leichter haben, Ineffizienzen durch einen bewährten Investmentansatz nutzen zu können.

Eine Prognose. Werden ETFs also die nächste Finanzkrise auslösen, wie manche ETF-Kritiker orakeln? Das weiß ich ebenso wenig wie alle anderen Kapitalmarktexperten. Da die ETF-Blüte noch jung ist, fehlen die Erfahrungswerte. Ein paar Prognosen scheinen mir aber gut unterfüttert:

1. Anleger werden zunehmend kostenbewusster, und dieser Trend wird sich nicht umkehren. ETFs profitieren davon.

2. Das führt zu einer stärkeren Segmentierung bei Anlegern und Fondsselektoren: solche, für die die Kosten das entscheidende Argument sind und die bewusst auf eine mögliche Überrendite verzichten; und jene, die für die Chance auf eine höhere Nettorendite auch höhere Kosten in Kauf nehmen. Zugespitzt: ETFs für die Supermarktkunden, aktive Fonds für die Gourmets.

3. Die Mitte dazwischen, speziell teure aktive Fonds ohne Mehrwert, wird zerrieben. Indexschmuser haben schwere Zeiten vor sich.

4. Aktive Fondsmanager, die Mehrwert erbringen, bleiben gefragt. Der Konkurrenzkampf wird allerdings härter, weil die Schlechten aus dem Markt gedrängt werden, die verbleibenden Konkurrenten damit im Schnitt besser sind und die Fondsanleger nicht nur kostenbewusster, sondern auch ungeduldiger werden.

5. Nach über 9 Jahren Aktienhausse und 35 Jahren Anleihenhausse wird es spannend, wie ETF-Anleger in fallenden Märkten reagieren werden. ETFs auf Indizes sind immer zu 100 Prozent investiert, aktive Fonds vermögen die Quote zu senken. Diese größere Flexibilität kann auch im nächsten Abschwung zu Überrenditen bei aktiven Fonds führen.

6. Im Duell "Aktiv versus passiv" wird es kurz- und mittelfristig keinen ‘Sieger’ geben. Beide Anlagevarianten werden künftig eine Rolle spielen, da es für beide gute Argumente gibt.

7. Wenn durch das vermehrte Aufkommen von ETFs neue Anleger an die Börse herangeführt werden, können langfristig alle gewinnen: Investoren sowie Anbieter passiver und aktiver Produkte. Manche Börsenneulinge werden bald entdecken, dass es auch jenseits der ETF-Welt lukrative Anlagen gibt.