BÖRSE EXPRESS: Ihre Kollegen – siehe hier – wählten Sie zum CEO des Jahres in der Kategorie International. Dabei ist mit die relative Kursentwicklung der Aktie gegenüber der Branche entscheidend – wobei sich FACC deutlich besser entwickelte. Hat hier die Börse Ihrer Meinung nach auf eine zuvor bestehende Unterbewertung reagiert, oder wird Ihr beschleunigter Wachstumskurs bereits eingepreist? Was ist Ihre Conclusio aus Investoren-Gesprächen? Und gleichzeitig: Was macht für Sie einen guten CEO aus?

ROBERT MACHTLINGER: Ein wesentlicher Teil der Performance war ein Aufholen nach den ersten Jahren, wo es nach der Emission mit der Entwicklung des Aktienwerts in die Gegenrichtung gegangen ist. Anfang 2018 kam ein Vorwegnehmen von Markterwartungen hinzu. Da halfen sicher die 750 Millionen Euro an Neuaufträgen im Vorjahr. Es war also ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren, wobei dem Aufholen ein großer Prozentsatz zukommt.

Zum CEO: Wesentlich ist, ein Unternehmen strategisch langfristig so zu platzieren, dass es auch in der nächsten Dekade noch seine Rolle spielt - und die Organisation und das Unternehmen entsprechend hinzutrimmen.

 

BÖRSE EXPRESS: Diesem langfristigen Horizont steht aber die kurzfristige Pflichterfüllung etwa von Quartalsberichten gegenüber…

ROBERT MACHTLINGER: Ich würde das mit einem Kurz- und einem Langstreckenflug vergleichen. Bei Ersterem plant man auf kurze Distanz, hat also auch hier ein Ziel vor Augen, das sich dann im Jahresbericht widerspiegelt. Unser langfristiger Horizont liegt bei 5 Jahren und regelmäßig werfen wir einen Blick auf die nächsten zehn Jahre – das passiert heuer wieder. Die Vision FACC 2020 ist in Kürze abgearbeitet, nun müssen wir weiter schauen und Trends des Marktes abschätzen: Was will man den Kunden anbieten, wollen wir neue Märkte erschließen?

 

BÖRSE EXPRESS: Vielleicht ein paar Worte zu Ihrer bisher schwersten Management-Entscheidung?

ROBERT MACHTLINGER: Jede Entscheidung ist eine für sich. Ob erfreulich oder weniger erfreulich - sie ist, wie sie ist. Persönlich weh tat mir aber die Situation nach 09/11. Erst holten wir Mitarbeiter für neue Projekte an Bord, dann bricht der Markt völlig ein und wir mussten damals (Anmerkung 2002) 150 Mitarbeiter wieder abbauen.

 

BÖRSE EXPRESS: Wenn man so lange wie Sie in einem Unternehmen tätig ist, gibt es sicher den Vorteil, die Abläufe besser als andere zu kennen. Eine mögliche dadurch aufgekommene ‚Betriebsblindheit‘ wird Ihnen nicht attestiert. Wie schafft man das in der Praxis?

ROBERT MACHTLINGER: Das wichtigste ist Netzwerken in der Organisation – und über den Tellerrand zu blicken. Was machen wir, was andere – was braucht der Markt? Was machen andere Industrien – wo gehen dort die Trends hin? Man ist nie fertig, die gesamte Organisation muss sich ständig weiterentwickeln.

 

BÖRSE EXPRESS: Was meinten Sie zuvor als Beispiel mit neue Märkte erschließen?

ROBERT MACHTLINGER: Etwa autonomes Fliegen – Flugtaxis, ein Markt, den es heute noch nicht gibt. Ab der zweiten Hälfte der nächsten Dekade ist das aber laut Prognosen ein 30 Milliarden US-Dollar-Markt.

 

BÖRSE EXPRESS: Und wie kommt da FACC ins Spiel?

ROBERT MACHTLINGER: Automomes Fliegen wird einen hohen Anteil von Verbund-Komponenten aufweisen - wir sind ein Technologieunternehmen, das sich mit Leichtbaukomponenten beschäftigt. Dazu wird hier 3D-Druck zum Einsatz kommen, aber auch Kommunikationstechnik etwa zur bestehenden Luftfahrtindustrie – an all dem arbeiten wir derzeit intensiv.

 

BÖRSE EXPRESS: In etwa streben Sie bis 2025 eine Umsatzverdoppelung auf 1,5 Milliarden Euro an. Wieviel davon ist durch abzuarbeitende Aufträge bereits ‚fix‘ – und wieviel muss dafür zugekauft werden?

ROBERT MACHTLINGER: Von diesen 1,5 Milliarden haben wir 900 Millionen durch Aufträge unter Dach und Fach. Die restlichen 600 Millionen sind zu akquirieren und kommen in etwa zur Hälfte aus organischem Wachstum, der Rest aus Zukäufen.

 

BÖRSE EXPRESS: Da erweitere ich die fällige Frage nach der Finanzierung der Akquisitionspläne um die Frage nach den Refinanzierungsplänen für die 2020 rückzuzahlenden 90 Millionen Euro aus der Anleiheemission 2013?

ROBERT MACHTLINGER: Wir haben heuer einen syndizierten Kredit über 225 Millionen Euro abgeschlossen. Rein aus dem Kredit können wir 130 bis 140 Millionen für Wachstum einsetzen. Dann gibt es noch die Möglichkeit aus einem Hauptversammlungsbeschluss, bis zu 19,5 Mio. Aktien über ein Secondary Offering anzubieten. Damit können wir bei heutigen Kursen weitere 300 Millionen Euro an Kapital besorgen – was derzeit jedoch weder notwendig noch beabsichtigt ist. Aus heutiger Sicht sind wir eigentlich ausfinanziert.

 

BÖRSE EXPRESS: Was muss eine M&A-Ziel mitbringen?

ROBERT MACHTLINGER: Es gibt drei Stoßrichtungen, die wir uns ansehen. Erstens Marktanteile zukaufen. Da schauen wir primär in den nordamerikanischen Raum.

Zweitens Technologie in Richtung 3D-Druck. Dieser wird auch für die Ersatzteilversorgung interessant, da diese nur in kleinen Mengen und ad-hoc kommt.

Und drittens eine vertikale Integration. Ein Beispiel aus der Praxis: Wir kaufen derzeit pro Jahr metallische Komponenten im Wert von 150 Millionen Euro zu und überlegen, in welchen Bereichen es Sinn macht, die Produktion vertikal weiter zu integrieren. Um die Wertschöpfung weiter zu optimieren und Synergiepotenziale für die eigene Profitabilität einzusetzen.

 

BÖRSE EXPRESS: Stichwort 3D-Druck – sehen Sie die Gefahr, dass hier neue Wettbewerber auftauchen und Ihnen Ihr Stammgeschäft streitig machen?

ROBERT MACHTLINGER: 3D-Druck ist eine neue Fertigungsmethode, die sich rasant entwickelt. Man wird aber nie einen kompletten Strukturbauteil damit herstellen können. Es ist aber eine Technologie, die mehr und mehr zur Anwendung kommen wird und die wir uns daher verstärkt aneignen.

 

BÖRSE EXPRESS: Sie erwähnten zuvor Nordamerika als Ziel für Marktanteilsgewinne. Warum gerade dort?

ROBERT MACHTLINGER: FACC hat ein globales Netzwerk. Wir sind in Europa mit Österreich gut aufgestellt, haben ein starkes Netzwerk in Asien und auch Fertigungsstandorte in Nordamerika. Wir möchten aber, nachdem mehrere große Kunden dort sitzen, das Netzwerk entsprechend vergrößern.

 

BÖRSE EXPRESS: Rund um Handels- Zoll- und Eigentumsrecht/Patent-Streitigkeiten zwischen den USA und China scheint es kaum vorstellbar, dass FACC mit dem chinesischen Großaktionär AVIC derzeit nicht gewisse Schwierigkeiten mit etwa dem Kunden Boeing hat. Wie ist’s wirklich?

ROBERT MACHTLINGER: Wir haben ein sehr striktes Firewall-System, schützen die IPs der Kunden seit mehr 30 Jahren. Auch unsere großen Kunden haben Beschaffungsaktivitäten in China. Der starke Kernaktionär AVIC ist für uns jedenfalls ein Vorteil, da China der größte Wachstumsmarkt über die nächsten zehn, 20 Jahre ist.

 

BÖRSE EXPRESS: FACC ist ein Unternehmen, das zumindest theoretisch durch seinen starken strategischen Hauptaktionär AVIC relativ gegen feindliche Übernahmen geschützt ist. Wie managt es sich in so einer Situation?

ROBERT MACHTLINGER: Der Unterschied zu etwa einem reinen Finanzinvestor ist, dass wir einen Kernaktionär haben, der eine langfristige strategische Zielrichtung hat: die Luftfahrtindustrie nachhaltig zu beeinflussen. In so einer Situation tut man sich leichter, Investitionen genehmigt zu bekommen. Wir haben seit dem Einstieg von AVIC knapp 500 Millionen Euro allein in Oberösterreich investiert.

 

BÖRSE EXPRESS: Sie erwähnten zuvor die bereits bis 2025 fixierten 900 Millionen Euro an Umsätzen. Wenn man die Meldungen der großen Flugzeugbauer ansieht, gibt’s tendenziell zwar immer mehr Aufträge – dafür gibt’s in den Lieferketten aber auch immer wieder Probleme, etwa bei Triebwerken, die dazu führen, dass Auslieferungen nach hinten verschoben werden müssen. Wie ist FACC von all dem betroffen? Bleibt man auf entstandenen Kosten bei so etwas sitzen – ist es nur eine Umsatzverschiebung?

ROBERT MACHTLINGER: Man investiert natürlich in neue Projekte und wenn irgendwo auf dem Weg etwas passiert, sitzen alle im gleichen Boot: es verzögern sich Fertigungshochläufe. Das ist unangenehm, damit muss man aber kalkulieren und umgehen können. Im Fall der aktuellen Triebwerksproblematiken, diese gelten mittlerweile in der Industrie als weitgehend gelöst, darf nicht vergessen werden, dass es sich um völlig neue Technologien handelt. In Summe handelt es sich um eine Verschiebung von Geldflüssen, aber kein Sitzenbleiben auf Investitionen. Das Positive so einer Situation kann aber auch sein, dass wenn sich ein Flugzeugtyp überdurchschnittliche entwickelt, man sich frühzeitig darauf vorbereiten und dann schneller auf der positiven Welle mitschwimmen kann.

 

BÖRSE EXPRESS: Ihr Großaktionär AVIC bündelte jüngst innerhalb des Beteiligungsgeflecht die Kompetenzen im Bereich der Flugzeugkabine innerhalb der Avic Cabin Systems – mit FACC als Teil. Die neue Allianz deckt durch ein integriertes Produktportfolio nahezu 100 Prozent der Flugzeug-Kabine ab, heißt es zu diesem Bereich, den Sie selbst als Wachstumsbereich sehen. Wie soll das in der Praxis aussehen – auch mit Folgen auch Entscheidungswege und Kompetenzen?

ROBERT MACHTLINGER: Avic Cabin Systems besteht zu einem großen Teil aus FACC. Das Schöne an der Kooperation ist, dass wir uns in den Kompetenzen ergänzen und nicht überlappen.

Der zweite größere Betrieb ist ein Sitzhersteller. Er braucht für den Sitzbereich die eine oder andere Composit-Verkleidung, die künftig von FACC kommen könnte. Der dritte im Bunde ist ein Hersteller von Flugzeugküchen und Monuments – das haben wir bisher auch nicht abgedeckt.

Mit der Bündelung der Kompetenzen besteht nun die Möglichkeit, dass wir eine Gesamtkabine vom Eintrittsbereich bis zur Hauptkabine anbieten.

Wer dabei die Hauptintegration zu betreiben hat, ist der Ansprechpartner für den Endkunden – das sind in der Regel wir.

Prinzipiell erwarten wir uns jeweils Volumseffekte und können auch wechselseitig auf Zulieferer zugreifen. Und … unsere Partner sind bereits jetzt wesentlich mehr im nachgelagerten Ersatzgeschäft tätig, das wir stärken möchten.

 

BÖRSE EXPRESS: Aber: Auch wenn FACC 1,5 und mehr Milliarden an Umsatz erreicht, durch die Konsolidierungswelle in Ihrer Branche ist der Abstand zu den Top-3 eigentlich größer geworden. Kann so etwas wie das System Avic Cabin für kleine Anbieter wie FACC die Lösung für das Größenproblem sein, oder ist das so etwas wie die logische Vorstufe zur Fusion aller Avic-Zulieferer-Beteiligungen zu einem großen Anbieter?

ROBERT MACHTLINGER: Vorab: FACC hat knapp 500 Millionen Euro Umsatz an Nicht-Kabinen-Anteil. Avic Cabin ist ein Versuch die Synergien zu nutzen, lässt aber die Unternehmen mit je einem guten Namen am Markt bestehen. Wir werden davon sicher profitieren, wettbewerbsfähiger anbieten zu können und es erweitert sich auch das Netzwerk im After-Sales-Markt.

Was bei Ihren Überlegungen nicht zu vergessen ist: FACC hat ein Asset – ist ein börsenotiertes Unternehmen und da könnte man andere Unternehmen quasi von der Seite einführen; hier kann man die Fantasie spielen lassen. Derzeitiger Status quo ist aber: Es sind einzelne Unternehmen, die in einem Verbund zusammenarbeiten und Ressourcen abtauschen können.

 

BÖRSE EXPRESS: Wie sehen Sie FACC beim Stichwort Digitalisierung im Vergleich zur Konkurrenz aufgestellt?

ROBERT MACHTLINGER: Digitalisierung ist prinzipiell eine positive Geschichte für die gesamte hochentwickelte Industrie. Wir werden sie auch brauchen, um die Anzahl von weniger werdenden Mitarbeitern zu kompensieren.

Wir haben mittlerweile jedes Produkt digitalisiert – jetzt folgt die Implementierung in den Fertigungsprozessen, was Kosteneinsparungen bringen sollte.

 

BÖRSE EXPRESS: Wie sehr egalisieren diese Kosteneinsparungen den vorhandenen Preisdruck, gibt’s sogar eine Überkompensation?

ROBERT MACHTLINGER: Das wird sich erst zeigen, aber zumindest Ersteres. Die Preise in der Luftfahrtindustrie steigen nicht, das kann man an den sinkenden Ticketpreisen abmessen - und wird in der Kette auch an uns herangetragen. Heißt: Die Preise bleiben in etwa gleich und das Lohngefüge steigt – das müssen wir kompensieren.

 

BÖRSE EXPRESS: Jetzt ist FACC ein Unternehmen, das seit Jahren über fehlende Facharbeiter klagt – mit der Digitalisierung braucht’s noch mehr Facharbeiter. Wie gehen Sie dieses Problem an?

ROBERT MACHTLINGER: Wir holen uns seit Jahren Spezialisten aus dem Ausland. Der gesamte europäische Markt könnte die IT-Spezialisten gar nicht bringen, die wir benötigen.

Und wir bilden die Mitarbeiter in der FACC-Akademie entsprechend aus. Im Vorjahr hatten wir rund 600 Seminare und knapp 7000 Mitarbeiter haben teilgenommen.

Es dauert bei uns drei bis sechs Monate, bis ein Mitarbeiter überhaupt in der Fertigung arbeiten darf.

 

BÖRSE EXPRESS: FACC ist ein weltweit tätiger Zulieferer. Wie beurteilen Sie in Summe die konjunkturelle Lage – sind etwa auftauchende Befürchtungen einer US-Rezession gerechtfertigt? Und wie stark korreliert die Flugzeug-Branche mit der allgemeinen Konjunktur?

ROBERT MACHTLINGER: In der Regel hinkt die Luftfahrzeug-Branche ein paar Monate hinterher. Wenn etwa Automobil merkbar schwächelt, dauert es sechs bis acht Monate, bis wir das in der Luftfahrtindustrie spüren. Das gilt auch am Weg nach oben.

Dann gibt es noch Faktoren wie die Sitzbelegungsquote und ähnliches – aber alles Faktoren, bei denen wir heute noch keinen Abschwung sehen. Ich sehe aber ein vorsichtiges Investitionsverhalten am Markt. Speziell für die USA wird die Konjunktur bis zur nächsten Wahl 2020 wohl eher gut laufen, danach könnte es dort aber zu diversen Effekten kommen, die wir spüren könnten.

 

BÖRSE EXPRESS: Was ist bei Roadshows die am häufigsten gestellte Frage?

ROBERT MACHTLINGER: Was ist die Vision für die Zukunft? Wie sieht die Umsetzungsstrategie aus und welche Risiken gibt es am Weg dorthin?

 

BÖRSE EXPRESS: Da die Analysten auf Ihre Antworten darauf unisono mit einer Kaufempfehlung reagieren (Anm. 4 Stück), dürften diese zufriedenstellend ausfallen, was ich so als Art Schlussstatement gern stehen lassen würde...

 

Aus dem Börse Express-PDF vom 18. Dezember. Die komplette Sondernummer zum CEO/CFO-Award von Börse Express, Deloitte und CFO Club Austria finden Sie hier.