BÖRSE EXPRESS: Die Mitglieder des Zertifikate Forum Austria (ZFA) haben sich einem Nachhaltigkeits-Kodex unterworfen. Warum war das notwendig? Gibt es so viele schwarze Schafe?

FRANK WEINGARTS: Ein ESG-Kodex für Zertifikate ist notwendig, um den Anlegern in der Fülle der von uns angebotenen Produkte eine klare Orientierung zu geben. Außerdem wollten wir von Anfang an mit dabei sein und der Umstand, dass unsere deutschen Freunde vom DDV Standards setzen, ließ uns rasch nachziehen, denn der Zertifikatemarkt ist grenzüberschreitend. Viele Produkte österreichischer Emittenten werden ja auch in Deutschland angeboten und vertrieben und vice versa.

FRANK WEINGARTS: Wir haben bewusst vorab festgelegt, welche Produkte überhaupt als ESG gekennzeichnet werden können und wir haben Hebelprodukte und Puts generell ausgeschlossen.

 

BÖRSE EXPRESS: Warum dieser Ausschuss per se?

FRANK WEINGARTS: Puts, die auf fallende Kurse setzen, könnten ein falsches Zeichen setzen, wenn man ein Unternehmen auf seinem Weg in die ESG-Zukunft eigentlich unterstützen möchte. Auch war uns eine einheitliche Regelung mit dem Kodex des Deutschen Derivate Verbands (DDV) wichtig.

 

BÖRSE EXPRESS: Rechtliche verbindlich ist so ein Kodex nicht – was sind Konsequenzen bei Regelverstößen und wer stellt diese fest?

FRANK WEINGARTS: Die Überprüfung wird einmal jährlich stattfinden, analog zum ZFA-Kodex, der unsere Verhalten regelt. Ich bin überzeugt, dass jeder Emittent sehr vorsichtig sein wird, ausgewiesenen ESG-Kriterien nicht zu entsprechen.

 

BÖRSE EXPRESS: Was führt Sie zu dieser Überzeugung?

FRANK WEINGARTS: Wenn ein Emittent auch nur einen seiner vielen Herren enttäuscht, fällt die komplette Kette dahinter zusammen und damit das Geschäft: so ist beim Thema ESG in der Produktgestaltung die europäische Definition zu beachten. Dazu kommen dann aber noch Definitionen laut nationalen Regelungen – Stichwort Atomkraft. Weiters die ESG-Kriterien des Emittenten auf Konzernebene. Und nicht zu vergessen jene des Vertriebs. Die Vielschichtigkeit der Auslegung der Regularien ist groß, wir haben in Summe die Verpflichtung vielen Wünschen nachzukommen. Deshalb bin ich auch guter Dinge, dass wir in der Branche eher keine schwarzen Schafe punkto ESG-Kennzeichnung sehen werden.

Wünschenswert wäre aber eine Angleichung auf europäischer Ebene. Zumindest erscheint es wenig logisch, dass etwa einem Franzosen bei einer Bank in Österreich andere ESG-Investments angeboten werden als demselben Franzosen in Frankreich.

 

BÖRSE EXPRESS: Unterschieden wird im Kodex zwischen ESG und ESG Impact-Produkten. Ist Impact für jene, denen Rendite nicht so wichtig ist? Wo ist der Unterschied und gerade bei Impact wäre ein Beispiel super.

FRANK WEINGARTS: Impact hat nichts mit starker oder schwacher Rendite zu tun. Impact ist die Kennzeichnung einer Investition, bei der Geld direkt in ein Projekt mit positiven ESG-Auswirkungen investiert wird. Beispiel wäre der Bau eines Windparks.

 

BÖRSE EXPRESS: ESG bei Finanzprodukten ist mittlerweile ein eigentlich von Brüssel vorgegebenes Thema. Aber ist es ein Thema, dass ohnehin entsprechend nachgefragt wäre? Was ist die Erfahrung bei Kundengesprächen?

FRANK WEINGARTS: Immer mehr Anleger fragen aktiv das Thema ESG nach, die Wachstumsraten sind enorm. Gerade da die Nachfrage so groß ist, war die Standardsetzung durch den ESG-Kodex so wichtig.

 

BÖRSE EXPRESS: Kann man den ESG-Anleger ein wenig beschreiben? Eher jünger als älter – eher weiblich als männlich – eher grün als blau um hier ein Klischee zu bedienen …

FRANK WEINGARTS: Jünger kann ich bestätigen, andere Daten haben wir nicht. Das höhere Bewusstsein jüngerer Anleger für ESG-Themen sieht man auch in anderen Lebensbereichen wie der Mobilität: mehr jüngere Leute verzichten in der Stadt aufs eigene Auto und nutzen häufiger Sharing-Modelle als Ältere.

 

BÖRSE EXPRESS: Abseits des ESG-Anlegers. Wie hat sich der Kunde gegenüber vor fünf Jahren verändert? Und wo stehen wir beim Versuch der Branche, Sparbuchsparer z.B. per Garantiezertifikate an den Kapitalmarkt zu bringen?

FRANK WEINGARTS: Wegen des anhaltend tiefen Zinsniveaus wurde es für uns in den vergangenen Jahren immer schwieriger, Produkte mit einem 100prozentigem Kapitalschutz auszustatten und gleichzeitig Rendite in Aussicht zu stellen. Um Rendite zu erzielen wurde es mittlerweile von Anlegern akzeptiert, dass schlimmstenfalls ein geringer Verlust über eine längere Laufzeit in Kauf genommen werden muss, um überhaupt die Möglichkeit auf Rendite zu haben. Etwa bei einer 90- oder 80prozentige Kapitalgarantie. Dem stehen ‚sichere‘ Null Prozent am Sparbuch gegenüber… minus der Inflationsrate von zuletzt mehr als fünf Prozent.

Ich attestiere, dass Anleger reifer geworden sind, bereit in die Realwirtschaft zu investieren und sich mehr Aktien ins Depot zu legen. Sei es direkt oder über strukturierte Produkte wie Zertifikate.

 

BÖRSE EXPRESS: Der Vorteil des strukturierten Produkts gegenüber dem Direktinvestment ist für Sie, …

FRANK WEINGARTS: …, dass es bei strukturierten Produkten je nach Profil und Meinung genau das richtige Produkt für jeden Anleger gibt.