Zum einen muss jedem klar sein, dass die Macht der Hedgefonds nahezu grenzenlos ist. Wenn sie eine Aktie „ins Auge gefasst haben“, hat der Anleger fast keine Chance. Die Hedger drücken die Kurse dahin, wohin sie ihn haben wollen und sie einen optimalen Gewinn erzielen. Die Manager gewähren sich Gehälter von bis zu 100 Millionen im Jahr. Anderseits riskieren sie durch ihre Short-Strategie, dass Gesellschaften pleitegehen und dann Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verlieren. Moralisch eine Sauerei, einkommenstechnisch für Einzelne Wahnsinn.

Die Bafin warnt richtigerweise jetzt vor Wertpapier-Käufen aufgrund von Veröffentlichungen auf den Plattformen, nicht aber vor Pressemeldungen von Großkapitalisten, wie zuletzt von Musk in Sachen Bitcoin (hatte zuvor für 1,5 Mrd. gekauft und damit mehr verdient als mit seinen E-Autos).

Dass der Plan bei Gamestop gescheitert ist, lag weniger am System, sondern an der Gier und dem unprofessionellen Agieren von „Melvin“. Eine kleinere AG mit bis zu 140 Prozent des Aktienkapitals zu shorten, zumal ein Teil der Aktien in fester Hand (Eigentümer) war, ist schon übermütig (nett ausgedrückt) zu nennen. Aber hier liegt ein nicht nachvollziehbares, wichtiges Problem. Wo war die Aufsicht?! Gibt es kein Gesetz, der die Short-Positionen insgesamt begrenzt? Die US-Justiz muss in dieser Hinsicht real hinterfragt werden.

Jetzt leiten sie Verfahren gegen „Robinhood & Co.“ ein, wegen verbotener Absprachen. Im Prinzip richtig, aber waren die „Verursacher“ nicht die Hedgefonds? Zumal es Gerüchte gibt, dass Hedgefonds in der „Krise“ Absprachen mit diesen Plattformen getroffen hätten, denn diese hatten zeitweise keine Kauforders für Gamestop mehr angenommen. Es entsteht der Eindruck, das Gesetz ist auf der Seite des Kapitals. Nicht umsonst hat es weltweit eine gewisse Schadenfreude gegeben. Um Ungemach und schlechte Presse zu vermeiden, haben andere Hedgefonds ihren Konkurrenten (statt froh zu sein, ihn losgeworden zu sein) gerettet. Man weiß ja nie, wie man ihn mal in eigener Sache brauchen könnte. Noch sind die Erfolgsaussichten der Plattformen an den Börsen, die Hedgefonds in die Schranken zu weisen, minimal. Bei „größeren“ Märkten werden sie verlieren. Schon bei Silber haben sie sich eine blutige Nase geholt.

Aber es ist auch ein Zeichen für den aktuellen Zustand der Börsen. Vergleiche mit der Technologieblase von 2000 sind angebracht. Wieder drängen junge, unerfahrene Anleger (mit Zockermentalität) in Scharen an die Märkte. 2020 wurden etwa 1,5 Millionen neue Depots bei Online-Brokern eröffnet. Gamestop, QuantumScape, Ballard Power, DocuSign, NEL, PlugPower, Square, Calix, Cannabis usw. sind die aktuellen “Renner”. Aber auch Delivery Hero oder Tesla jagen von einem Hoch zum anderen. Viele dieser Gesellschaften haben noch nie einen Gewinn erwirtschaftet, aber deren Börsenkurs hat sich schon vervielfacht.

„Die Stories“ begeistern die Börsianer, die in dieser Phase das extreme Risiko ausblenden. Es läuft doch. Sie kaufen die Phantasie, als ob Geldverbrennen „cool“ wäre. Wie im Jahre 2000. Aber da waren ja auch etliche der heutigen Anleger noch nicht auf der Welt oder noch im Kindergarten. Die jungen Börsianer kennen vor allem den Preis, nicht den Wert (frei nach Oskar Wilde).

Altmeister Jeremy Grantham sieht ebenfalls wachsende Kursrisiken und gibt eine Empfehlung: Beobachten Sie Tesla! Wenn der Trend nach unten dreht, ist das ein Warnsignal für die Aktienmärkte. Aber solche Euphorie-Phasen können sich zeitlich ausdehnen. Das gibt den Anlegern Mut. Sie glauben „schnell“ genug zu sein, um eine Trendumkehr zu erkennen und zu verkaufen. Einigen wird es auch gelingen, der Masse nicht. Manche lernen eben durch zuhören und nachdenken, die anderen durch Erfahrung.

Die fundamentale Seite entwickelt sich zu einem explosiven Gemisch. Man hat den Eindruck, je schlechter die Nachrichten werden, umso höher steigen die Aktienkurse. Die Weltschulden wuchern mit noch nie dagewesenen Wachstumsraten. Um diesen Schuldenberg finanzieren zu können, müssen die Notenbanken die Zinsen niedrig halten, obwohl die Inflationsgefahr wächst. Seit dem 2. Quartal 2020 erhöhen sich die Preise für Öl, Kupfer oder Eisenerz, aber auch für Lebensmittelrohstoffe wie Weizen, Soja oder Zucker. Preisanstieg seitdem etwa zehn Prozent. Auch die Preise für Sachwerte wie Aktien, Edelmetalle oder Immobilien steigen, wobei sich allerdings nur Letztere in den Lebenshaltungs-kosten (Wohnkosten) niederschlagen.

Das Fazit ist wohl allen klar: Den immer näher kommenden Inflationsschub werden die Notenbanken weder mit Reduzieren der Geldmenge noch mit steigenden Zinsen bekämpfen können. Der Kaufkraftverlust würde seinen Lauf nehmen. Wenn am Rentenmarkt dann das Kapital die Führung den Notenbanken aus der Hand nimmt, könnten Zins-, Aktien- und Immobilienmärkte in Bedrängnis kommen. Doch aktuell werden alle Anzeichen nicht ernst genommen, obwohl die Bundesbank und die „5 Waisen“ ebenfalls Inflationsängste äußern.

Auch markttechnisch klingeln schon die Alarmglocken. Wie aus einer Grafik der Deutschen Bank ersichtlich, haben sich die Volumen der Call-Optionen am US-Markt seit 2020 vom Höchstniveau noch einmal verdoppelt, gegenüber dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre sogar vervierfach. Selbst unter Berücksichtigung der gestiegenen Geldmenge eine Besorgnis erregende Konstellation, zumal auch das Wertpapier-Kreditvolumen auf ein All-time-high gestiegen ist. Das durchschnittliche KGV beim S&P 500 errechnet sich bei zirka 16. Das aktuelle KGV zeigt Richtung 40. Beim DAX sieht man, dass der jüngste Aufschwung von immer weniger Volumen getragen wird. Wer immer noch fragt, was passieren könnte, möge sich den Chart von Gamestop zur Hand nehmen.

Aufgrund dieser Gesamtsituation wiederhole ich die Empfehlung, den Anteil der „Modeaktien“ prozentual zu limitieren, Liquidität zu erhöhen und das Vermögen mit Edelmetallen versuchen abzusichern. Deren aktuelle Kursschwäche könnte eine durchaus lukrative Gelegenheit bieten. Silber erscheint besonders preiswert, zumal für Umweltinvestitionen, der Medizin und in der Technik Silber in hohem Maße verwendet wird. Weil ich vieles derzeit kritisch sehe, bin ich deshalb ein Pessimist? Mit Nichten. Denn nur ein Optimist kauft Gold und Silber. Der Pessimist kauft Konserven und Toilettenpapier.

Diesen und weitere Vermögensverwalter mit Meinungen und Anlagestrategien finden Sie auf www.v-check.de.

Aus dem Börse Express-PDF vom 08. März - hier zum kostenlosen Download

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