BERLIN/BOCHUM (dpa-AFX) - Mieterinnen und Mieter in Deutschland müssen die Zusatzkosten durch den CO2-Preis auf Öl und Gas vorerst weiter alleine tragen. Die Einigung der Koalition zur Entlastung der Mieter ist nach übereinstimmenden Angaben der Fraktionen von SPD und Union auf den letzten Metern gescheitert. Eigentlich hätten die Vermieter die Hälfte der Kosten für den seit 1. Januar geltenden CO2-Preis auf Öl und Gas tragen sollen. Dafür hatte sich die SPD eingesetzt.

Grund für das Scheitern der Einigung ist die Haltung der Unionsfraktion. "Eine Teilung der CO2-Mehrkosten zwischen Mieter und Vermieter wäre kontraproduktiv, da mit dem CO2-Preis eine Verhaltenslenkung erzielt werden soll. Es soll sich also für den Verbraucher lohnen, wenn er weniger CO2 verbraucht", sagte Unionsfraktionsvize Thorsten Frei.

Die SPD ist verärgert. "So stellen wir uns sozialen Klimaschutz nicht vor", sagte Fraktionschef Rolf Mützenich. Nach der derzeitigen Regelung können Vermieter die Zusatzkosten für den CO2-Preis von derzeit 25 Euro pro Tonne gänzlich auf ihre Mieter übertragen. Nach Bekanntgabe der Einigung im Mai hatten Vermieter- und Eigentümerverbände heftig gegen die geplante Neuregelung protestiert. Wie das Portal Check24 errechnet hat, bedeutet schon der CO2-Preis von 25 Euro bei einer Familie mit einem Verbrauch von 1000 Litern Heizöl pro Jahr Mehrkosten von knapp 79 Euro.

Die Berliner Nichteinigung könnte nur ein Vorgeschmack dessen sein, was in den nächsten Jahren noch auf Mieter zukommt. Viele Wohnungsunternehmen fürchten wegen der verschärften Klimaziele steigende Baupreise und europaweiten Handwerkermangel. Der Wohnungswirtschaftsverband GdW forderte eine politische Lösung, um den Klimaschutz mit dem Ziel günstiger Wohnungen unter einen Hut zu bringen.

Eine Beschränkung von Mieterhöhungen bei gleichzeitiger Vorgabe schärferer Klimaziele und mangelnden Wohnungsbauzuschüssen wird nach Einschätzung von GdW-Präsident Axel Gedaschko nicht funktionieren: "Das ist sinnfrei, was teilweise dort vorgeschlagen wird", sagte Gedaschko, ohne eine bestimmte Partei zu nennen.

Der GdW vertritt 3000 Wohnungsunternehmen mit sechs Millionen Wohnungen. Darunter sind viele Genossenschaften, kommunale und kirchliche Gesellschaften und andere sozial orientierte Unternehmen, die unterdurchschnittliche Mieten verlangen. Gedaschko kritisierte "siloartiges Denken": die Sorge um bezahlbares Wohnen auf der einen Seite, auf der anderen immer höhere Anforderungen und Kosten für die Erreichung der Klimaziele. "In Deutschland hat keine der jetzt für den Bundestag antretenden Parteien einen echten Plan."

Auch die deutschen Städte warnen vor finanzieller Überforderung, wenn auch in diplomatischem Ton. "Klimaschutz und Wohnungsbau sind beides zentrale Zukunftsaufgaben der Städte und müssen Hand in Hand gehen", sagt Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. "Klar ist aber auch: Die Städte und ihre Unternehmen können die finanziellen Aufwendungen für den Klimaschutz bei Wohnungen nicht allein stemmen."

Das Klimaschutzgesetz sieht Klimaneutralität bis 2045 vor, fünf Jahre vor dem bisherigen Zieldatum 2050. In den vergangenen zehn Jahren hatte die Verschärfung der Energiesparvorgaben laut GdW trotz hoher Folgekosten keineswegs den gewünschten Einspareffekt, die Emissionen von Wohngebäuden blieben nahezu konstant. "Zwischen 2010 und 2019 tut sich irgendwie gar nichts", sagte Gedaschko dazu. Offenbar sind die Bürger in ihren Wohnungen beim Energieverbrauch nicht so sparsam wie politisch gewünscht.

Die Zahl der Sozialwohnungen ist in den vergangenen Jahrzehnten ohnehin stark geschrumpft: 2020 gab es noch 705 000 Sozialwohnungen in Deutschland, 1,2 Millionen weniger als 2002. "Das ist die Tabelle des Grauens", sagte Gedaschko dazu. Unabhängig von der Staatsförderung war der Bau einer Wohnung laut GdW im vergangenen Jahr bereits fast doppelt so teuer wie im Jahr 2000.

Eine beträchtliche Rolle dabei spielten demnach die mehrmaligen Verschärfungen der Energiesparvorgaben. "Wenn die Kosten derart explodieren, geht sozialpolitisch eine Schere auf, die wir auch beim besten Willen nicht mehr schließen können", sagte Gedaschko.

Klimaziele hat nicht nur Deutschland, sondern auch die restliche EU. Nach Einschätzung des GdW könnte das ein ganz banaler Stolperstein werden: Zu wenig Handwerker für zu viele Sanierungen. "Die deutsche Hoffnung, dass wir uns ganz viele Handwerker aus dem Ausland holen, die das dann alles richten, ist ein absoluter Irrglaube", sagt Gedaschko.

Der bayerische Mitgliedsverband des GdW hat bereits gewarnt, dass in Zukunft weniger Geld für den Bau neuer Wohnungen übrig bleiben werde. Doch sind die Meinungen in der Branche geteilt. Mit Abstand größter Vermieter in Deutschland ist mit gut 355 000 Wohnungen die Bochumer Vonovia , die 2021 etwa 1,3 bis 1,6 Milliarden Euro für Modernisierung und Neubau ausgeben will. Der Dax -Konzern ist unbesorgt: "Unsere Investitionen werden durch das neue Klimaschutzgesetz nicht gebremst", erklärt eine Sprecherin. "Der Neubau ist eine wichtige Säule für unser Geschäftsmodell und unsere Klimastrategie. Wir sehen hier keine Beeinträchtigung durch ein neues Klimaschutzgesetz."/cho/DP/fba

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AXC0233 2021-06-22/16:58

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