Internet-Dienstleister wie Wenigermiete.de bewegen sich bislang in einer rechtlichen Grauzone - nun prüft der Bundesgerichtshof (BGH) das umstrittene Geschäftsmodell. Die Portale setzen für ihre Nutzer Verbraucherrechte durch, gezahlt wird nur bei Erfolg. Das wirft viele schwierige Fragen auf, wie sich am Mittwoch in der Verhandlung in Karlsruhe zeigte. Ihr Urteil wollen die Richter am 27. November verkünden. (Az. VIII ZR 285/18)

Wenigermiete.de, ein Angebot der Berliner Firma Lexfox, ist auf Streitigkeiten um Schönheitsreparaturen, Mietminderung oder zu hohe Mieten spezialisiert. Die Vorprüfung läuft über einen Online-Rechner auf der Seite. Per Mausklick tritt der Nutzer seine Ansprüche gegen den Vermieter an den Dienstleister ab. Wenigermiete.de bemüht sich zunächst um eine außergerichtliche Einigung. Klappt das nicht, reicht ein Vertragsanwalt anstelle des Mieters Klage ein.

Andere Plattformen treiben Entschädigungen wegen verspäteter Flüge ein oder holen für gekündigte Arbeitnehmer Abfindungen heraus. Das Unternehmen Myright vertritt im Dieselskandal Zehntausende Autokäufer gegen Volkswagen . Die meisten Anbieter dieser sogenannten Legal-Tech-Branche sind als Inkassodienstleister registriert. Unklar ist, ob ihre Tätigkeit dadurch auch gedeckt ist.

In dem Fall vor dem BGH versucht Wenigermiete.de, für einen Berliner Mieter eine zu hoch angesetzte Miete zu drücken. Aber darum geht es nur vordergründig. Richter am Landgericht Berlin haben die Klage abgewiesen, weil sie Lexfox nicht für klagebefugt halten. Die Firma leiste unerlaubterweise Rechtsberatung. Das ist Anwälten vorbehalten. Damit ist die Grundsatz-Frage zur Klärung in Karlsruhe gelandet.

Klassische Inkassounternehmen treiben unbezahlte Rechnungen ein, zum Beispiel für Telefongesellschaften oder Versandhändler. Das, was Wenigermiete.de mache, sei nicht mehr Inkasso, argumentierte der BGH-Anwalt der vermietenden Wohnungsgesellschaft. Der Mietpreisrechner sei nur der Köder, um Kunden zu locken. Der BGH-Anwalt von Lexfox plädierte für eine Öffnung. Ohne Anbieter wie Wenigermiete.de blieben viele Verbraucherrechte Papiertiger.

Die Vorsitzende Richterin Karin Milger deutete an, dass der Senat den Inkasso-Begriff eher großzügig auslegen dürfte. Bei Wenigermiete.de stellen sich aber noch spezielle Fragen. Bei Streitigkeiten wegen der Mietpreisbremse treibt Lexfox beispielsweise nicht nur das Geld ein. Die Firma wird schon vorher aktiv, um die zu hohe Miete zu rügen.

Die Rüge sei nicht der Schwerpunkt, sagte Wenigermiete.de-Gründer Daniel Halmer nach der Verhandlung. "Unser Geschäftsmodell besteht darin, dass wir Forderungen für Mieterinnen und Mieter einziehen." Unabhängig von dem Verfahren forderte er ein Legal-Tech-Gesetz oder eine Liberalisierung des anwaltlichen Berufsrechts.

Myright-Gründer Jan-Eike Andresen sprach von einem schlechten Tag für VW im Abgasskandal. "Wir setzen Ansprüche durch, die bestehen", sagte er in Karlsruhe. "Und deshalb sehen wir da auch kein Problem." Volkswagen zieht vor Gericht ebenfalls die Klagebefugnis von Myright in Zweifel. Eine Entscheidung des BGH dazu wird 2020 erwartet.

Der Deutsche Anwaltverein teilte mit, wichtig sei, dass der Verbraucherschutz gewährleistet bleibe. Anders als Anwälte unterlägen Inkassodienstleister weder der Schweigepflicht noch dem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen./sem/DP/stw

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AXC0233 2019-10-16/16:50

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