Der Rückkauf des Hamburger Fernwärmenetzes zum mit dem Energiekonzern Vattenfall vereinbarten, mittlerweile aber überteuerten Mindestkaufpreis wäre der Stadt laut einem Gutachten rechtlich möglich. Die Zahlung der 950 Millionen Euro stehe nicht im Widerspruch zu den Vorgaben der Landeshaushaltsordnung, auch wenn der Wert des Netzes mittlerweile um gut 300 Millionen Euro niedriger liege, heißt es in einem von der Bürgergenossenschaft Energienetz Hamburg und dem gemeinnützigen Verein GLS Treuhand in Auftrag gegebenen Kurzgutachten der Beratungsgesellschaft Rödl & Partner, das am Freitag vorgestellt wurde.

Die Stadt verhandelt derzeit mit dem Energiekonzern Vattenfall über den 2013 in einem Volksentscheid geforderten vollständigen Rückkauf des Fernwärmenetzes inklusive des Heizkraftwerks Wedel. Der Senat befürchtet bei Zahlung eines überhöhten Preises einen Verstoß gegen die Haushaltsordnung und will eine Minderung erreichen. Die 950 Millionen Euro waren 2014 für den Kauf des gesamten Unternehmens vereinbart worden. Die Stadt ist aber bereits zu 25 Prozent beteiligt und hat dafür auch schon 325 Millionen Euro bezahlt. Die Zeit drängt, da die Option zum vollständigen Rückkauf Ende November abläuft.

Bei der von der Haushaltsordnung geforderten umfassenden Nutzen-Kosten-Analyse dürfe nicht nur der Unternehmenswert berücksichtigt werden, schreiben die Gutachter. Vielmehr sei "der Staat bei seiner wirtschaftlichen Betätigung und seinen finanzwirksamen Entscheidungen neben ökonomischen Interessen stets auch solchen des Gemeinwohls verpflichtet".

Bei der Bewertung der gesellschaftlich und volkswirtschaftlich relevanten Effekte habe der Senat einen weiten Ermessensspielraum, sagte Energienetz Hamburg-Vorstand Matthias Ederhof. "Es ist die originäre Aufgabe der Staates, nicht rein betriebswirtschaftlich auf Unternehmenswerte zu schauen, sondern die gesamtgesellschaftlichen Effekte auch in längeren Dimensionen im Blick zu haben." Die positiven Effekte einer Rekommunalisierung zeigten sich schon jetzt beim Gas- und Stromnetz.

Der Nutzen, der der Stadt aus dem Rückkauf bei Klimaschutz, Stadtentwicklung, Arbeitsplatzsicherung, Gesundheitsschutz und regionaler Wertschöpfung entstehe, gleiche die Differenz zwischen vereinbartem Preis und aktuellem Wert des Unternehmens aus, sagte der Hamburger Landesgeschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Manfred Braasch.

Da die Stadt bereits 325 Millionen Euro für die 25 Prozent an der Fernwärme bezahlt habe, belaufe sich der über dem tatsächlichen Wert zu zahlende Preis auch nicht auf 300 Millionen Euro, die sich aus der Wertminderung ergäben. "Es geht um 141 Millionen Euro Mehrkosten", sagte Braasch.

Hermann Falk von der GLS Treuhand verwies auf die gesellschaftlichen Folgen, sollte die Umsetzung des im Volksentscheid geäußerten Bürgerwillens an der Preisfrage scheitern. Der Volksentscheid sei eindeutig gewesen. "Fünf Jahre später liegt immer noch nicht das Fernwärmenetz in Händen des Landes und der Bürger. Das ist schon auch ein Aspekt, an dem man festmachen kann, warum sich Bürger abwenden von der Politik."

Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) ging auf Nachfrage nicht direkt auf das Gutachten ein. "Wir prüfen und begutachten aktuell behördenübergreifend alle Aspekte für einen möglichen Rückkauf der Fernwärme, insbesondere technisch, wirtschaftlich, finanziell und rechtlich", sagte er. Es seien noch viele Fragen zu klären. "Gründlichkeit geht dabei vor Schnelligkeit. So eine Entscheidung muss sauber gerechnet sein - es geht um sehr viel Geld."/fi/DP/nas

AXC0135 2018-08-17/14:54

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