Das Führungsvakuum bei Hugo Boss hat mit Grieders Amtsantritt ein Ende. Nach dem Abgang von Konzernchef Mark Langer im Juli hatte Finanzvorstand Yves Müller die Rolle des Vorstandssprechers übernommen. Grieder gilt als Hoffnungsträger für die Modemarke, der die Pandemie zuletzt schwer zugesetzt hatte. Er ist ein Kenner: Seit mehr als 30 Jahren ist er in der Branche tätig, die meiste Zeit in verschiedenen Funktionen für die Marke Tommy Hilfiger, zuletzt als deren Chef.

Bei Hugo Boss startet er nun mit viel Vorschusslorbeeren. Der 58-Jährige habe maßgeblich zur positiven Umsatz- und Ergebnisentwicklung bei Tommy Hilfiger beigetragen, lobten die Metzinger den Neuen bei der Vertragsbekanngabe. Er habe die Digitalisierung und weitere Innovationsprojekte vorangetrieben sowie "wegweisende Nachhaltigkeitsinitiativen" umgesetzt.

Frischen Wind hat Hugo Boss dringend nötig. Denn nicht erst seit der Pandemie kämpfen die Metzinger mit Problemen. So brachte eine Turbo-Expansion des früheren Vorstandschefs Claus-Dietrich Lahrs den Konzern in die Bredouille. Lahrs, der von 2008 bis 2016 die Führung bei der Modemarke innehatte, setzte dabei wie viele Modemanager seinerzeit auf den bedingungslosen Ausbau des eigenen Einzelhandels. Dazu franste er die Marke Hugo Boss durch viele neue Unterkategorien aus. Die Strategie, die vor allem für die Herrenanzüge bekannte Marke auch bei Frauen nach vorne zu treiben, zündete zudem nicht richtig.

Nach seinem Weggang übernahm der damalige Finanzchef Langer die Führung und versuchte, Hugo Boss wieder auf Kurs zu bringen. Er richtete den Edelschneider Schritt für Schritt neu aus. Unrentable Läden wurden geschlossen, Rabatte eingedampft, Preise angeglichen und an den Marken gefeilt. Zudem setzte Hugo Boss mehr auf Digitalisierung. Der Umbau und die stärkere Ausrichtung auf das Internet kosteten jedoch viel Geld. 2019 musste der Konzern sogar zweimal seine Prognose senken. 2020 kam dann noch die Corona-Krise hinzu, die der Branche das Leben schwer machte. Geschäfte blieben geschlossen, Kunden hielten sich zurück. All dies ließ den Modekonzern 2020 in die Verlustzone rutschen.

Grieder übernimmt in schwierigen Zeiten und steht vor mehreren Herausforderungen. Neben einer Rückkehr zu Wachstum und Profitabilität muss er der Marke wieder Glanz verleihen und skizzieren, wofür sie eigentlich steht. Der Trend zu mehr lässiger Kleidung dürfte sich auch nach der Pandemie fortsetzen. Zwar betonte das Management in den vergangenen Monaten immer wieder, der klassische Anzug sei "nicht tot", jedoch gilt es, den veränderten Konsumgewohnheiten Rechnung zu tragen. So machte der Anzug zuletzt bereits weniger als ein Fünftel des Umsatzes aus. Im wichtigen US-Markt etwa ist Hugo Boss jedoch noch stark mit den Klassikern vertreten.

Auch bei der Digitalisierung muss Hugo Boss zulegen. Ungeachtet der großen Wachstumssprünge, die der Konzern in den letzten Monaten etwa im Onlinehandel verbuchte, machte dieses Geschäft mit elf Prozent einen vergleichsweise geringen Anteil am Gesamtumsatz aus.

Grieder hat jedenfalls eine erste Duftmarke gesetzt. Am Ende seiner fünfjährigen Amtszeit soll der Konzern mit rund fünf Milliarden Euro mehr als doppelt so viel erlösen wie heute, schrieb zuletzt das "Manager Magazin". Der Bericht zitiert Grieder mit den Worten: "Es gibt keinen Grund, dass Hugo Boss weniger umsetzen kann als Tommy Hilfiger." Inzwischen habe jeder verstanden, dass das Unternehmen eine neue Relevanz brauchte, sagte Grieder dem Blatt. "Eine neue Vision ist willkommen."

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