Beim diesjährigen Internet Summit Austria wurde unter dem Titel „Digitale Souveränität in Europa – Erfolgsfaktor oder Risiko?“ von hochkarätigen Expert:innen aus dem In- und Ausland das brandaktuelle Thema diskutiert – und zeigte einmal mehr auf, dass Schlagwörter allein zu wenig sind 

„Entscheidend für das Zusammenleben, die Wirtschaft und unsere Zukunft ist digitale Infrastruktur. Von der Transformation der Arbeit bis hin zum Klimawandel: Digitalisierung ist die Lösung! Daher braucht es gemeinsame europäische Anstrengungen, Strategien und Investitionen“, betonte Stefan Ebenberger, Generalsekretär der ISPA, bei seiner Begrüßung zum diesjährigen Branchentreffen dem Internet Summit Austria 2022 im Van Swieten Saal der Med Uni Wien.

Dies unterstrich Othmar Karas, 1. Vizepräsident des Europäischen Parlaments, in seiner Eröffnung: „Während wir die Technologieregulierung bisher losgelöst von gesellschaftlichen und demokratiepolitischen Erwägungen betrachtet haben, verändern die zunehmende Bedeutung sozialer Medien, die rasche Verbreitung von Desinformation und die Entwicklung künstlicher Intelligenz die Risikobilanz. Die europäischen Gesetze müssen den neuen Bedrohungsszenarien entsprechen. Gleichzeitig muss Europa wieder zu einem ökonomischen Powerhouse werden. Der digitale Sektor ist der Wirtschaftsmotor der kommenden Jahrzehnte.“ 

Expert:innen aus Politik, Verwaltung, Forschung und Praxis

In der ersten Keynote gab Wolfgang Ebner, Büroleiter von Digitalisierungs-Staatssekretär Florian Tursky, einen Einblick in die Strategie der österreichischen Bundesregierung: „Digitale Souveränität. Europas Weg in eine digitale Unabhängigkeit!“ Gerald Steiner vom GAIA-X-Hub Austria, dem Projekt für eine europäische Cloud, ergänzte dies in seiner Keynote um die Rolle der Unternehmen für die Praxis und „die  Herausforderungen in der Digitalen Transformation, welche Europa stärker zusammenwachsen lässt. Der GAIA-X-Hub unterstützt hier Unternehmen, Projekte und Use Cases zu initiieren und sich auf nationaler und internationaler Ebene zu vernetzen sowie neue digitale Geschäftsmodelle voranzutreiben.“

Andreas Weiss vom deutschen eco – Verband der Internetwirtschaft e.V. sprach über die Bedeutung von GAIA-X als eine „absolute Notwendigkeit, um Europa in die Richtung digitaler Wertschöpfung und Selbstbestimmtheit zu bewegen und damit einen essenziellen Beitrag zur Erlangung digitaler Souveränität zu leisten.“ Und auch die ebenfalls aus Deutschland angereiste Forscherin und Autorin Svenja Falk unterstrich dies mit der Definition: „Technologische Souveränität ist die Fähigkeit, jederzeit Zugang zu denjenigen Schlüsseltechnologien garantieren zu können, die zur Umsetzung gesellschaftlicher Prioritäten und Bedürfnisse notwendig sind.“

Julia Pohle vom Wirtschaftszentrum Berlin für Sozialforschung erinnerte: „Digitale Souveränität ist zwar ein derzeit sehr beliebtes, aber auch ein sehr problematisches Konzept. Es wird von verschiedenen Akteuren mit sehr unterschiedlichen Ideen verknüpft, die von staatlicher Sicherheit über wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit bis hin zu Selbstbestimmungsfähigkeit der Bürger über ihre Daten reichen. Souveränität ist dabei nicht messbar. Das Erreichen der digitalen Souveränität kann daher nie ein realisierbares und quantifizierbares Ziel sein. Gewinnbringender wäre es, Wünsche und Ziele konkret zu benennen und diese auf ihre Kompatibilität, Machbarkeit sowie Sinnhaftigkeit zu überprüfen.“

Michael Nentwich, Direktor des Instituts für Technikfolgen-Abschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, plädiert dafür, dass Österreich auch eigenständig seine Spielräume ausnützt, um sich digital souverän zu machen: „Wir sollten massiv in den Aufbau nationaler Kompetenzen investieren, um von ausländischem Knowhow in den Bereichen Software und Cybersecurity unabhängiger zu werden. Ein wichtiger Beitrag wäre es auch, die öffentliche Beschaffung so zu organisieren, dass die digitale Souveränität gestärkt wird, selbst wenn das eventuell teurer wird.“

Europa muss in Digitale Souveränität investieren 

ISPA-Präsident Harald Kapper resümiert: „Unser gemeinsames Ziel muss es sein, die Tore der Zukunft zu öffnen und die Potenziale der Digitalisierung – für Österreich und Europa – nachhaltig zu nutzen. Investitionsanreize und Regulierung bilden die Basis für europäische Lösungen. Fairer Wettbewerb, Grund- und Freiheitsrechte werden die Maßstäbe sein, an denen sich ein gemeinsames europäisches Vorgehen und die Politik beweisen muss. Die Zukunftschance für unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft, die wir unbedingt nutzen müssen, heißt Souveränität.“

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