Lenzing: Kein Analyst hält derart tiefe Kurse für fair
09.08.2018 | 16:37
Die Erstreaktion der Lenzing-Aktie auf die veröffentlichten Halbjahreszahlen war gestern klar negativ. In der Spitze verlor der Titel 7,7 Prozent auf 98,5 Euro, um sich danach deutlich zu erholen, nur leider machten die wiederaufgeflammten Sorgen vor einer Ausweitung des internationalen Zoll-Disputs das wieder zunichte. Schlusskurs war bei 100 Euro.
Aus charttechnischer Sicht war das Anfangs ein Zeichen der Stärke, die gleitenden 50- und 200-Durchschnittlinien (bei 101,9 bzw. 100,8 Euro) hielten dem Ansturm Stand - schlussendlich aber doch nicht so ganz. Womit die Chance weiter besteht, dass das charttechnisch bullishe Signal des ‘Goldenen Kreuzes’ (die kürzerlaufende Durchschnittslinie schneidet die längere von unten nach oben) seine Kraft entfaltet. Da auch noch die Kursziele aller Analysten oberhalb der aktuellen Notierung liegen, und der Peergroup-Vergleich eine Unterbewertung des Titels zeigt (siehe Grafik), haben wir Lenzing auch neu in unser Wikifolio aufgenommen (und beim bis dato letzten Kauf Andritz aufgestockt - siehe hier). Das Risiko - siehe Seite zuvor - sollte jedenfalls mit 90 Euro begrenzt sein.
Was ist passiert? Der Faserhersteller unterbot den erwarteten Ergebnisrückgang noch um 5 Prozent: konkret prognostizierten Analysten im Bloomberg-Konsens für das 2. Quartal einen Gewinn je Aktie von 1,63 Euro - geworden sind es 1,55 Euro (zuletzt 2,81). Konkret hat der Faserhersteller nach zwei Jahren mit Rückenwind heuer mit Gegenwind wie schwankenden Viskosepreisen, negativen Währungseffekten und steigenden Inputkosten (etwa Natronlauge) zu kämpfen. Der Umsatz ging im ersten Halbjahr vor allem wegen ungünstiger Währungseffekte um 6,4% auf 1,075 Mrd. Euro zurück, das EBIT um 37% auf 128,7 Mio. Euro. Dafür ist der Umsatzanteil von Spezialfasern, mit denen der Konzern mehr verdient als mit Viskosefasern, mittlerweile auf 44% gestiegen, bis 2020 sollen es 50% sein. Entsprechend wurden die Investitionen im ersten Halbjahr um 60,8% auf 117,2 Mio. Euro erhöht. Kommendes Jahr soll die Entscheidung für das milliardenschwere Projekt in Brasilien fallen, an dem Lenzing zu 51% beteiligt ist. Die restlichen 49% hält der brasilianische Partner Duratex. Das neue Zellstoffwerk soll alle Standorte beliefern können und den Eigenversorgungsgrad auf 75% steigern. 2019 soll auch über den Bau des geplanten Werks in Thailand (Kapazität 100.000 Tonnen) entschieden werden.
Aus dem Börse Express-PDF vom 9. August - dort mit allen Charts und Grafiken
