6,0 - Kommentar zur Inflation von Mark Schrörs

Frankfurt (ots) - Und der nächste Inflationsschocker: Auf sage und schreibe 6,0

Prozent ist die deutsche Inflation im November gesprungen - gemessen an dem für

EU-Zwecke berechneten HVPI-Index. In nationaler Rechnung sind es immerhin 5,2

Prozent - der höchste Stand seit 1992, also seit fast 30 Jahren! Nun ist Panik

zwar weiter fehl am Platz. Aber die Zeit der Beschwichtigungen und Schönrederei

muss endgültig vorbei sein. Die Inflation in Euroland ist zurück - und die EZB

muss das endlich anerkennen.

Sicher, es spricht einiges dafür, dass die 6,0 Prozent den Höhepunkt des

jüngsten Anstiegs markieren. Und noch mehr spricht dafür, dass die Teuerung 2022

schon wieder deutlich zurückgehen wird. Aber die Preise legen mittlerweile auf

breiterer Front zu, der Druck auf den vorgelagerten Stufen bleibt hoch, und die

Unsicherheit über den Ausblick hat zugenommen. Vor allem aber gibt es gerade

auch mittelfristig einige Inflationsrisiken. Liquiditätsschwemme,

De­-Globalisierung und Klimawandel sind da nur einige Stichworte. Das gilt es

ernst zu nehmen.

Aber auch der aktuelle Inflationsanstieg ist bei aller vermeintlichen

Kurzlebigkeit schon ein Riesenproblem. Er schmälert etwa die reale Kaufkraft

mächtig und ist damit eine schwere Hypothek für den Konjunkturhoffnungsträger

Konsum. Es ist eben beileibe nicht so, dass nur eine voreilige Straffung der

Geldpolitik Schaden in einer Volkswirtschaft anrichten kann. Auch bei einer

hohen Inflation drohen gehörige Wachstumseinbußen.

Es ist deshalb gut, dass auch im EZB-Rat ein Umdenken stattzufinden scheint.

Gleichwohl kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass zumindest einige

EZB-Granden das Problem immer noch auf die allzu leichte Schulter nehmen.

Natürlich steht die EZB da auch vor ei­­­nem Dilemma, weil sich zu­gleich die

Euro-Wirtschaft ab­schwächt und nun die Coronavariante Omikron die Unsicherheit

über den Konjunkturausblick er­höht. Aber bislang besteht die be­rechtigte

Hoffnung, dass auch Omikron den Aufschwung allenfalls etwas verzögert, aber

nicht beendet. Ein Dilemma löst man auf jeden Fall nicht, indem man sich

einseitig nur auf ein Problem fokussiert.

Die EZB muss also viel klarer machen, dass sie nicht nur bereit ist, ihre

Politik weiter zu lockern, falls die Wirtschaft stärker abschmiert, sondern dass

sie sich auch des Inflationsrisikos be­wusst ist und notfalls strafft. Nur so

kann sie das Vertrauen als Hü­terin von Preisstabilität wahren bzw.

zurückgewinnen. Dass ausgerechnet die EZB-Gewerkschaft Ipso jetzt um einen

Ausgleich für die hohe Inflation bangt und mehr Geld verlangt, ist bezeichnend -

als Misstrauensvotum gegen die eigene Spitze.

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