Autobauer im Dilemma, Kommentar von Stefan Kroneck zum

Verbrennungsmotor

Frankfurt (ots) - Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Der

geplante Abschied bei Audi vom Verbrennungsmotor in der zweiten Hälfte dieser

Dekade und Daimlers jüngste Ankündigung, ihre langfristigen Klimaziele viel

früher erreichen zu wollen, gleichen einem Beben in der deutschen Autoindustrie.

Das heißt, dass in Ingolstadt und Stuttgart der Übergang von Fahrzeugen mit

Benzin- und Dieselmotoren einschließlich Hybriden zu reinen batteriegetriebenen

Autos in absehbarer Zukunft konsequenter vonstatten geht als ursprünglich

gedacht.

Statt seinen Kollegen bei Audi (Markus Duesmann) und Daimler (Ola Källenius) zu

folgen, gibt sich BMW-Vorstandschef Oliver Zipse derweil trotzig. Er hält an

seinem Konzept fest, mehrgleisig zu fahren. Das heißt, der Münchner Hersteller

will weiterhin Autos mit allen Antriebsvarianten anbieten. Sein Argument: BMW

folgt der Nachfrage, die aus Sicht der Konzernführung im Übergang zur

Elektromobilität vielschichtiger bleibt, als mancher glauben mag. Er plädiert

für "Technologieoffenheit".

Letzteres war nach außen auch der verbliebene gemeinsamen Nenner mit

Volkswagen-Chef Herbert Diess, nachdem beide Konzerne einen "Richtungsstreit"

beim Thema E-Autos öffentlich ausgetragen hatten. Aber in der Politik

beziehungsweise in der Lobbyarbeit ist das so eine Sache. In der

Elektromobilität gibt nicht der Käufer bzw. der Kunde den Takt vor, sondern der

Regulator. Im Fall Europas ist es die EU-Kommission. Das zeigte sich unlängst

vorige Woche, als Brüssel mit einem Testballon beim Branchen-Dachverband VDA für

Aufregung sorgte: Angesicht des Klimawandels plant die Gemeinschaft noch

strengere Flottengrenzwerte für die Abgasemissionen. Aus Sicht der Berliner

Interessenvertreter bedeutet das den Todesstoß für den Verbrenner (vgl. BZ vom

18. Juni).

Wie auch immer man das bewerten mag, Fakt ist, dass sich die Autoindustrie auf

den damit verbundenen Strukturwandel noch schärfer wird einstellen müssen. Davon

zeugt der Umbau des Produktions- und Zuliefernetzes. Der politische Druck von

außen beschleunigt das. Sollten die Grünen nach der Bundestagswahl

Regierungsverantwortung übernehmen, wird dieser Prozess an Tempo gewinnen.

Doch die Branche steckt in einem Dilemma. Denn bisher war es die Strategie, den

Übergang zum E-Zeitalter mit dem Verkauf teurer Modelle mit herkömmlichen

Motoren zu finanzieren. Das funktioniert so nicht mehr. Ein radikaler Schritt,

wie er Duesmann vorschwebt, impliziert Einschnitte, die die Vorzeigeindustrie

der deutschen Wirtschaft bislang nicht kannte.

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