Börsen-Zeitung: Auf Autopilot / Kommentar zum Brexit-Vertragsentwurf

von Andreas Hippin

Frankfurt (ots) - Theresa May will es noch einmal wissen. Sie hat

die Mitglieder ihres Kabinetts einzeln vorgeladen, um sie auf ihren

Brexit-Deal mit Brüssel einzuschwören. Zahlreiche Minister hatten

Bedenken geäußert. Schon heute Nachmittag soll das Kabinett

zusammentreten, um über den Entwurf für die Austrittsvereinbarung zu

beraten. Die als Durchbruch verkaufte Übereinkunft auf Beamtenebene

ist nicht ganz neu, dem irischen Sender RTE zufolge lag sie Downing

Street schon am Montagabend vor. Und der ITV-Journalist Robert Peston

hatte schon vor einem Monat berichtet, Mays Brexit-Sherpa Oliver

Robbins und sein Brüsseler Gegenüber Sabine Weyand seien handelseinig

geworden.

Tatsächlich hat die Verwaltung bereits nach der Wahlschlappe Mays

im vergangenen Jahr angesichts des Machtvakuums an der Spitze der

Regierung auf Autopilot umgeschaltet, um das Schlimmste zu vermeiden.

Robbins dürfte sich bemüht haben, in Brüssel das Beste für Britannien

herauszuholen. Nun müssen Mays Minister entscheiden, ob sie sich für

das Ergebnis seiner Anstrengungen erwärmen können.

Man darf davon ausgehen, dass es Rücktritte geben wird. Wenn

Schwergewichte wie Innenminister Sajid Javid oder Außenminister

Jeremy Hunt unter denen sind, die Mays Deal nicht mittragen wollen,

wird es schwer für sie, sich im Amt zu halten.

Die nächste Hürde wird, die Zustimmung des Parlaments zu

erreichen, dem sie ein aussagekräftiges Votum versprochen hatte.

Derzeit sieht es nicht so aus, als hätte sie im Unterhaus eine

Mehrheit für einen Deal, der Großbritannien in eine Zollunion mit

der EU zwingen könnte, ohne eine Ausstiegsoption zu bieten. Gestern

musste sie bereits Zugeständnisse machen, als es um die Offenlegung

von Rechtsgutachten zur Austrittsvereinbarung ging. Sonst hätte sich

Labour mit einem entsprechenden Ersuchen durchgesetzt - dank

Unterstützung der nordirischen Unionisten, die ansonsten Mays

Regierung als Mehrheitsbeschaffer dienen. Die Brexiteers aus den

eigenen Reihen hatten mit Enthaltung gedroht.

Das Thema Brexit ist also noch lange nicht vom Tisch, ob es dazu

einen EU-Sondergipfel im November gibt oder nicht. Und vielleicht

tickt die Uhr ja auch noch länger als bis zum 29. März. Derzeit

scheint alles möglich. Allerdings müsste Großbritannien diesen Monat

ernsthaft mit den Vorbereitungen auf einen EU-Austritt ohne

Übereinkunft beginnen. Sonst drohen chaotische Verhältnisse.

(Börsen-Zeitung, 14.11.2018)

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