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18.03.2019 | 20:30
Börsen-Zeitung: Auf dem Holzweg, Kommentar zu den
Sondierungsgesprächen zwischen Deutscher Bank und Commerzbank von
Bernd Wittkowski
Frankfurt (ots) - Die Politik ist das Schicksal der Deutschen
Bank. Das fing schon vor 149 Jahren an. Graf Bismarck, damals
Bundeskanzler im Norddeutschen Bund, trug persönlich dazu bei, dass
die Bank am 10. März 1870 aus der Taufe gehoben werden konnte, etwa
indem er Einfluss auf ihr Statut nahm. Schließlich stand hinter der
Gründung aus Sicht der Initiatoren, die es leid waren, den deutschen
Außenhandel über London oder andere ausländische Plätze finanzieren
zu müssen, "ein wahrhaft patriotischer Gedanke". Und für Bismarck
waren Banken und Bankiers stets ein "Instrument der Politik", wie
Fritz Seidenzahl, einst Chefredakteur der Börsen-Zeitung, in seinem
1970 erschienenen Buch über das erste Jahrhundert des Instituts
schrieb.
Welche patriotischen Gedanken es konkret sind, die die von
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem Vize Olaf Scholz (SPD)
geführte Bundesregierung dazu bewegen, bei der Schaffung eines neuen
"nationalen Champions" mindestens Geburtshilfe leisten zu wollen, ist
noch nicht so recht ersichtlich. Was man aber schon weiß: Die
Regierungschefin und der Finanzminister tragen die politische
Verantwortung für den Abbau von sicher mehr als 40.000 Arbeitsplätzen
innerhalb weniger Jahre, den die kostengetriebene Fusion von
Deutscher Bank und Commerzbank der betriebswirtschaftlichen Logik
entsprechend nach sich ziehen müsste. Es mag martialisch klingen,
aber am Finanzplatz nennt man die absehbaren personellen Konsequenzen
eines Zusammenschlusses der beiden verbliebenen Großbanken mit ihren
insgesamt mehr als 130.000 Vollzeitstellen ein "Blutbad". Nicht von
ungefähr erkennt Kanzleramtschef Helge Braun eingedenk der drohenden
Jobverluste einen "schwierigen Befund".
Aber Blau und Gelb können ja nicht fusionieren und dann die
Synergien aus politischer Rücksichtnahme liegen lassen. Das muss
wissen, wer "so etwas wie eine Standort- oder Industriepolitik" für
den Finanzsektor betreibt und als "fairer Begleiter von
privatwirtschaftlichen Diskussionen" zugange ist: Von den insgesamt
2400 Inlandsfilialen beider Häuser können am Tag 1 nach der Fusion in
jeder zweiten die Rollläden unten bleiben. Und allein das
Zusammenschieben der Zentralen in Frankfurt wird Tausende Stellen
kosten.
Das heißt: Mit der offiziellen Ankündigung "ergebnisoffener
Gespräche über einen eventuellen Zusammenschluss" (Commerzbank)
beziehungsweise der Prüfung strategischer Optionen (Deutsche Bank) am
Sonntag hat in beiden Konzernen der Kampf um die berufliche Existenz
begonnen. Denn von der Putzkolonne bis zum Vorstand gilt es, sich
beim berühmt-berüchtigten "Blending of the Best" als Gelber gegen den
blauen Konkurrenten durchzusetzen und umgekehrt. Wer da von
vornherein fürchtet, schlechte Karten zu haben, oder das Alter 50
deutlich überschritten hat, wird sich schon mal in die
Sozialplanarithmetik vertiefen und kann gelassen abwarten.
Ausgesprochen motivierend, sich intensiv um die Kunden und ums
Geschäft zu kümmern, ist weder das eine noch das andere.
Fusionspartner, das zeigt eben alle Erfahrung, sind jahrelang mit
sich selbst beschäftigt. Das gilt nicht nur für die Opfer der
Neuaufstellung und für ein paar hundert Strategen, es gilt für die
Organisationen als Ganzes, die ja im aktuellen Fall in ihrer jüngeren
Geschichte ohnehin nie zu sich selbst gefunden haben. Sie fahren seit
Jahrzehnten strategisch Achterbahn, reihen eine Restrukturierung an
die nächste oder befinden sich im permanenten Übergang zu einem ein
ums andere Mal revidierten Zielbild. Und jetzt, da in der Branche
dank europäischer Null- und Negativzinsen, Regulierung und
Digitalisierung mehr Umbruch herrscht, als ihn Deutsche Bank und die
zwölf Tage ältere Commerzbank in der Nachkriegszeit je erlebt haben,
eine Megafusion als Zugabe? Nebenbei: Die Integration der Postbank
würde zum dritten Mal aufgerollt. Das lässt sich nur als Realsatire
deuten.
Landesbanken, DZ Bank und Auslandsbanken mit ihren hiesigen
Tochtergesellschaften können sich also freuen. Zumal
Unternehmenskunden, die in der Regel mindestens eine Handvoll
Kernbanken haben - das gilt schon für viele Mittelständler -, sowieso
einen neuen Bankpartner brauchen, wenn ihnen ein bisheriger
abhandenkommt.
Das Argument von Scholz, Blau und Gelb hätten nicht die Größe und
die Globalität, die deutsche Wirtschaft zu begleiten, ist blanker
Unfug. Weil ein paar chinesische Adressen noch größer sind? Die
Deutsche Bank mit ihrer 1,3 Bill. Euro schweren Bilanz ist auch
allein "too big/too complex to fail" genug, um in der vom
Finanzstabilitätsrat zusammengestellten Liste der Banken mit der
weltweit höchsten Systemrelevanz auf einem Top-4-Platz zu stehen!
Der deutsche Branchenchampion muss nicht in allen 193
Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen präsent sein, ein Drittel
davon tut es auch. Und die Commerzbank schafft es immerhin, 30
Prozent des deutschen Außenhandels abzuwickeln. Es wäre doch ein
Armutszeugnis, wenn Europas größte Volkswirtschaft nicht zwei private
Großbanken ernähren könnte, so sie denn über zukunftsträchtige
Geschäftsmodelle verfügen. Fehlt es aber an wettbewerbsfähigen
Konzepten, lassen diese sich auch nicht qua Fusion herbeizaubern.
Schon gar nicht, wenn man bei M&A-Deals einen Track Record hat wie
deutsche Banken und Versicherer.
Deutsche und Dresdner Bank brauchten 30 Tage, um ihre im Jahr 2000
beschlossene Fusion und den Dreierbund mit der Allianz wieder
abzublasen. Es wäre gut, wenn Blau und Gelb in Frankfurt und
Schwarz-Rot in Berlin es noch schneller schafften, den Holzweg zu
verlassen. Sonst nähme die Sache kein so gutes Ende wie bei der
Intervention des Kanzlers anno 1870.
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