Börsen-Zeitung: Auf dem Holzweg, Kommentar zu den

Sondierungsgesprächen zwischen Deutscher Bank und Commerzbank von

Bernd Wittkowski

Frankfurt (ots) - Die Politik ist das Schicksal der Deutschen

Bank. Das fing schon vor 149 Jahren an. Graf Bismarck, damals

Bundeskanzler im Norddeutschen Bund, trug persönlich dazu bei, dass

die Bank am 10. März 1870 aus der Taufe gehoben werden konnte, etwa

indem er Einfluss auf ihr Statut nahm. Schließlich stand hinter der

Gründung aus Sicht der Initiatoren, die es leid waren, den deutschen

Außenhandel über London oder andere ausländische Plätze finanzieren

zu müssen, "ein wahrhaft patriotischer Gedanke". Und für Bismarck

waren Banken und Bankiers stets ein "Instrument der Politik", wie

Fritz Seidenzahl, einst Chefredakteur der Börsen-Zeitung, in seinem

1970 erschienenen Buch über das erste Jahrhundert des Instituts

schrieb.

Welche patriotischen Gedanken es konkret sind, die die von

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem Vize Olaf Scholz (SPD)

geführte Bundesregierung dazu bewegen, bei der Schaffung eines neuen

"nationalen Champions" mindestens Geburtshilfe leisten zu wollen, ist

noch nicht so recht ersichtlich. Was man aber schon weiß: Die

Regierungschefin und der Finanzminister tragen die politische

Verantwortung für den Abbau von sicher mehr als 40.000 Arbeitsplätzen

innerhalb weniger Jahre, den die kostengetriebene Fusion von

Deutscher Bank und Commerzbank der betriebswirtschaftlichen Logik

entsprechend nach sich ziehen müsste. Es mag martialisch klingen,

aber am Finanzplatz nennt man die absehbaren personellen Konsequenzen

eines Zusammenschlusses der beiden verbliebenen Großbanken mit ihren

insgesamt mehr als 130.000 Vollzeitstellen ein "Blutbad". Nicht von

ungefähr erkennt Kanzleramtschef Helge Braun eingedenk der drohenden

Jobverluste einen "schwierigen Befund".

Aber Blau und Gelb können ja nicht fusionieren und dann die

Synergien aus politischer Rücksichtnahme liegen lassen. Das muss

wissen, wer "so etwas wie eine Standort- oder Industriepolitik" für

den Finanzsektor betreibt und als "fairer Begleiter von

privatwirtschaftlichen Diskussionen" zugange ist: Von den insgesamt

2400 Inlandsfilialen beider Häuser können am Tag 1 nach der Fusion in

jeder zweiten die Rollläden unten bleiben. Und allein das

Zusammenschieben der Zentralen in Frankfurt wird Tausende Stellen

kosten.

Das heißt: Mit der offiziellen Ankündigung "ergebnisoffener

Gespräche über einen eventuellen Zusammenschluss" (Commerzbank)

beziehungsweise der Prüfung strategischer Optionen (Deutsche Bank) am

Sonntag hat in beiden Konzernen der Kampf um die berufliche Existenz

begonnen. Denn von der Putzkolonne bis zum Vorstand gilt es, sich

beim berühmt-berüchtigten "Blending of the Best" als Gelber gegen den

blauen Konkurrenten durchzusetzen und umgekehrt. Wer da von

vornherein fürchtet, schlechte Karten zu haben, oder das Alter 50

deutlich überschritten hat, wird sich schon mal in die

Sozialplanarithmetik vertiefen und kann gelassen abwarten.

Ausgesprochen motivierend, sich intensiv um die Kunden und ums

Geschäft zu kümmern, ist weder das eine noch das andere.

Fusionspartner, das zeigt eben alle Erfahrung, sind jahrelang mit

sich selbst beschäftigt. Das gilt nicht nur für die Opfer der

Neuaufstellung und für ein paar hundert Strategen, es gilt für die

Organisationen als Ganzes, die ja im aktuellen Fall in ihrer jüngeren

Geschichte ohnehin nie zu sich selbst gefunden haben. Sie fahren seit

Jahrzehnten strategisch Achterbahn, reihen eine Restrukturierung an

die nächste oder befinden sich im permanenten Übergang zu einem ein

ums andere Mal revidierten Zielbild. Und jetzt, da in der Branche

dank europäischer Null- und Negativzinsen, Regulierung und

Digitalisierung mehr Umbruch herrscht, als ihn Deutsche Bank und die

zwölf Tage ältere Commerzbank in der Nachkriegszeit je erlebt haben,

eine Megafusion als Zugabe? Nebenbei: Die Integration der Postbank

würde zum dritten Mal aufgerollt. Das lässt sich nur als Realsatire

deuten.

Landesbanken, DZ Bank und Auslandsbanken mit ihren hiesigen

Tochtergesellschaften können sich also freuen. Zumal

Unternehmenskunden, die in der Regel mindestens eine Handvoll

Kernbanken haben - das gilt schon für viele Mittelständler -, sowieso

einen neuen Bankpartner brauchen, wenn ihnen ein bisheriger

abhandenkommt.

Das Argument von Scholz, Blau und Gelb hätten nicht die Größe und

die Globalität, die deutsche Wirtschaft zu begleiten, ist blanker

Unfug. Weil ein paar chinesische Adressen noch größer sind? Die

Deutsche Bank mit ihrer 1,3 Bill. Euro schweren Bilanz ist auch

allein "too big/too complex to fail" genug, um in der vom

Finanzstabilitätsrat zusammengestellten Liste der Banken mit der

weltweit höchsten Systemrelevanz auf einem Top-4-Platz zu stehen!

Der deutsche Branchenchampion muss nicht in allen 193

Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen präsent sein, ein Drittel

davon tut es auch. Und die Commerzbank schafft es immerhin, 30

Prozent des deutschen Außenhandels abzuwickeln. Es wäre doch ein

Armutszeugnis, wenn Europas größte Volkswirtschaft nicht zwei private

Großbanken ernähren könnte, so sie denn über zukunftsträchtige

Geschäftsmodelle verfügen. Fehlt es aber an wettbewerbsfähigen

Konzepten, lassen diese sich auch nicht qua Fusion herbeizaubern.

Schon gar nicht, wenn man bei M&A-Deals einen Track Record hat wie

deutsche Banken und Versicherer.

Deutsche und Dresdner Bank brauchten 30 Tage, um ihre im Jahr 2000

beschlossene Fusion und den Dreierbund mit der Allianz wieder

abzublasen. Es wäre gut, wenn Blau und Gelb in Frankfurt und

Schwarz-Rot in Berlin es noch schneller schafften, den Holzweg zu

verlassen. Sonst nähme die Sache kein so gutes Ende wie bei der

Intervention des Kanzlers anno 1870.

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