Börsen-Zeitung: Im Ausnahmezustand, Kommentar zu Europas Banken von

Anna Sleegers

Frankfurt (ots) - Deutsche Bank, Commerzbank und jetzt auch noch Unicredit:

Während sich aus Sicht der Banken ein weiteres enttäuschendes Jahr dem Ende

zuneigt, zückt ausgerechnet eines der wenigen verbliebenen, international

vorzeigbaren Geldhäuser, die Europa noch zu bieten hat, schon wieder den

Rotstift. Auf dem Kapitalmarkttag in London kündigte der kürzlich erst in

Frankfurt zum europäischen Banker des Jahres gekürte Vorstandschef Jean Pierre

Mustier drastische Sparmaßnahmen an. Um die Aktionäre mit höheren Ausschüttungen

bei Laune zu halten, sollen 8000 Stellen und 500 Filialen in Westeuropa weichen.

Die Münchner Konzerntochter HVB kann ein Lied davon singen, dass man in Mailand

nicht lange fackelt, wenn es darum geht, den Renditevorstellungen des Marktes

gerecht zu werden. Die italienische Unicredit mit ihrem französischen Chef hat,

so scheint es, das typisch deutsche Sprichwort "Spare in der Zeit, dann hast du

in der Not!" offensichtlich besser verinnerlicht als die hiesigen Wettbewerber.

Trotz Hunderter geschlossener Filialen verebbte die Empörung über die

Geschäftspolitik des Unicredit-Konzerns hierzulande recht schnell. Die Zeiten,

in denen Stellenstreichungen trotz Milliardengewinnen zum öffentlichen Aufschrei

führen, sind vorbei - zumindest in der Finanzbranche. Zum einen erwartet der

Durchschnittsbürger seit der Finanzkrise von den Banken ohnehin nicht mehr viel

und ist schon zufrieden, wenn sie nicht mit seinem Steuergeld gerettet werden

müssen. Zum anderen befindet sich die Branche wegen der negativen Zinsen im

betriebswirtschaftlichen Ausnahmezustand, so dass auch die Gewinne nicht mehr so

üppig ausfallen wie früher.

Unicredit hat sich offenbar von der Hoffnung verabschiedet, dass sich daran auf

absehbare Zeit etwas ändert. Die neue Planung basiert jedenfalls auf der Annahme

dauerhaft negativer Zinsen. Selbst in diesem pessimistischen Szenario will das

Institut die Eigenkapitalrendite von derzeit 8 Prozent sogar noch leicht

steigern, obwohl der regulatorisch verordnete Anstieg des Eigenkapitals dies

zusätzlich erschwert.

Die prekäre Lage der hiesigen Banken verdeutlicht besonders der Vergleich mit

der Commerzbank. Ihr wenig ambitioniertes Ziel einer Eigenkapitalrendite von 4

Prozent im Jahr 2023 traut ihr kaum jemand zu. Auch der Deutschen Bank nimmt man

nicht ab, nach dem Abschluss der Umbauarbeiten bis 2022 mit 8 Prozent an das

Niveau von Unicredit anzuschließen. Mehr als 5 Prozent trauen ihr selbst

wohlwollende Beobachter kaum zu.

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AXC0294 2019-12-03/20:31

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