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04.06.2020 | 19:01
Im Draghi-Modus / Kommentar zur Aufstockung der EZB-Anleihekäufe von
Mark Schrörs
Frankfurt (ots) - Da wollte sich wohl auch die Europäische Zentralbank (EZB)
nicht lumpen lassen. Nach dem Vorschlag der EU-Kommission für einen
EU-Wiederaufbaufonds in Höhe von 750 Mrd. Euro und dem deutschen Konjunkturpaket
in Höhe von 130 Mrd. Euro haben die Euro-Hüter ihr ohnehin beispielloses
Corona-Notfallanleihekaufprogramm PEPP um satte 600 Mrd. Euro auf gigantische
1.350 Mrd. Euro aufgestockt. Das toppte sogar noch die von den Märkten
erwarteten 500 Mrd. Euro. EZB-Präsidentin Christine Lagarde ist also auch in dem
Punkt endgültig im "Draghi-Modus" angekommen.
Angesichts der historischen Mega-Rezession in Euroland erscheint es verständlich
und angemessen, dass auch die EZB aus allen Rohren feuert. Trotzdem hätte es
durchaus auch einige gute Argumente gegeben, mit der PEPP-Aufstockung zumindest
noch zu warten. So scheint die Euro-Wirtschaft die konjunkturelle Talsohle im
Mai durchschritten zu haben, und es herrscht große Unsicherheit über die weitere
Entwicklung. Zudem ist noch ein immenser geldpolitischer Stimulus in der
Pipeline. Die Mehrheit der EZB-Granden aber agiert nach dem Motto: Lieber zu
viel und zu früh als zu wenig und zu spät. Aber auch das kann, zumindest
langfristig, gehörig nach hinten losgehen - nicht zuletzt mit Blick auf die
makrofinanzielle Stabilität.
Auf jeden Fall sollte jetzt aber niemand erwarten, dass noch mehr Geld aus der
EZB-Notenbankpresse einen wahnsinnigen Schub für die gesamtwirtschaftliche
Nachfrage und das Wachstum generiert. Und die Finanzierungskosten waren auch
vorher schon sehr günstig. Im besten Fall stützen die Hilfen noch das Vertrauen
der Haushalte und Unternehmen in ein Überwinden der Krise. Das sollte die EZB
aber nicht konterkarieren, indem sie zugleich ein Deflationsgespenst an die Wand
malt. Eine typische Deflation zeichnet sich nicht ab - und überhaupt gibt es
längst Studien, dass eine Abwärtsspirale aus fallenden Preisen und sinkendem
Wachstum extrem selten ist. Schwarzmalerei trägt nur zu Attentismus bei Konsum
und Investitionen bei.
Bedauerlich ist, dass die EZB bislang keinen Gedanken daran verschwendet, wie
sie aus PEPP wieder herauskommt. Denn das ist die Krux mit Anleihekäufen: Wenn
man sie einmal gestartet hat, ist es verdammt schwer, wieder auszusteigen. Das
hat das Jahr 2017 bewiesen, als die EZB trotz Wirtschaftsbooms Anleihen gekauft
hat wie in einer Krise. Die Euro-Hüter sollten klarmachen, unter welchen
Bedingungen sie die Coronakrise für überwunden betrachten. Manch Euro-Hüter mag
es nicht gern hören - aber die EZB braucht für die Zukunft eine Exitstrategie.
(Börsen-Zeitung, 05.06.2020)
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