Im Draghi-Modus / Kommentar zur Aufstockung der EZB-Anleihekäufe von

Mark Schrörs

Frankfurt (ots) - Da wollte sich wohl auch die Europäische Zentralbank (EZB)

nicht lumpen lassen. Nach dem Vorschlag der EU-Kommission für einen

EU-Wiederaufbaufonds in Höhe von 750 Mrd. Euro und dem deutschen Konjunkturpaket

in Höhe von 130 Mrd. Euro haben die Euro-Hüter ihr ohnehin beispielloses

Corona-Notfallanleihekaufprogramm PEPP um satte 600 Mrd. Euro auf gigantische

1.350 Mrd. Euro aufgestockt. Das toppte sogar noch die von den Märkten

erwarteten 500 Mrd. Euro. EZB-Präsidentin Christine Lagarde ist also auch in dem

Punkt endgültig im "Draghi-Modus" angekommen.

Angesichts der historischen Mega-Rezession in Euroland erscheint es verständlich

und angemessen, dass auch die EZB aus allen Rohren feuert. Trotzdem hätte es

durchaus auch einige gute Argumente gegeben, mit der PEPP-Aufstockung zumindest

noch zu warten. So scheint die Euro-Wirtschaft die konjunkturelle Talsohle im

Mai durchschritten zu haben, und es herrscht große Unsicherheit über die weitere

Entwicklung. Zudem ist noch ein immenser geldpolitischer Stimulus in der

Pipeline. Die Mehrheit der EZB-Granden aber agiert nach dem Motto: Lieber zu

viel und zu früh als zu wenig und zu spät. Aber auch das kann, zumindest

langfristig, gehörig nach hinten losgehen - nicht zuletzt mit Blick auf die

makrofinanzielle Stabilität.

Auf jeden Fall sollte jetzt aber niemand erwarten, dass noch mehr Geld aus der

EZB-Notenbankpresse einen wahnsinnigen Schub für die gesamtwirtschaftliche

Nachfrage und das Wachstum generiert. Und die Finanzierungskosten waren auch

vorher schon sehr günstig. Im besten Fall stützen die Hilfen noch das Vertrauen

der Haushalte und Unternehmen in ein Überwinden der Krise. Das sollte die EZB

aber nicht konterkarieren, indem sie zugleich ein Deflationsgespenst an die Wand

malt. Eine typische Deflation zeichnet sich nicht ab - und überhaupt gibt es

längst Studien, dass eine Abwärtsspirale aus fallenden Preisen und sinkendem

Wachstum extrem selten ist. Schwarzmalerei trägt nur zu Attentismus bei Konsum

und Investitionen bei.

Bedauerlich ist, dass die EZB bislang keinen Gedanken daran verschwendet, wie

sie aus PEPP wieder herauskommt. Denn das ist die Krux mit Anleihekäufen: Wenn

man sie einmal gestartet hat, ist es verdammt schwer, wieder auszusteigen. Das

hat das Jahr 2017 bewiesen, als die EZB trotz Wirtschaftsbooms Anleihen gekauft

hat wie in einer Krise. Die Euro-Hüter sollten klarmachen, unter welchen

Bedingungen sie die Coronakrise für überwunden betrachten. Manch Euro-Hüter mag

es nicht gern hören - aber die EZB braucht für die Zukunft eine Exitstrategie.

(Börsen-Zeitung, 05.06.2020)

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