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08.03.2021 | 20:31
Kaugummi-Krise, ein Kommentar von Bernd Neubacher zu Kreditausfällen
Frankfurt (ots) - Exakt ein Jahr ist es her, dass die Dimension der
Corona-Pandemie schlagartig ins Bewusstsein der Finanzmarktteilnehmer trat. Am
9. März 2020 legte der Dax den größten Tagesverlust seit dem 11. September 2001
hin. Sicher: Nur die kühnsten Optimisten dürften damals geglaubt haben, die
Seuche werde binnen Jahresfrist ausgestanden sein. Wer aber hätte gedacht, dass
man geschlagene zwölf Monate später immer noch darauf warten würde, dass sie in
Form von Schuldnerausfällen in den Büchern der Kreditwirtschaft ankommt?
Die Zahlen, welche die Sparkassen Hessen-Thüringens am Montag präsentiert haben,
zeigen ebenso wie die zuvor publizierten Ergebnisse der öffentlich-rechtlichen
Institute in Baden-Württemberg und Niedersachsen sowie der Kreditgenossen im
Ländle: Zwar zieht die Risikovorsorge teils scharf an. Noch immer aber rüstet
man sich damit sowie mit der Thesaurierung von Gewinnen für Gegenwind, der noch
kommen wird.
Vor Jahresfrist hatten Bankmanager schwere Einschläge fürs dritte und vierte
Quartal des vergangenen Jahres angekündigt. Mittlerweile verschiebt sich der
Horizont in die Ferne. Gerhard Grandke, Präsident des Sparkassen- und
Giroverbands Hessen-Thüringen (SGVHT), richtet sich schon darauf ein, sich mit
dem Thema vor seinem Ausscheiden aus dem Amt zum Jahresende kaum mehr verstärkt
befassen zu müssen: Denn vor der Bundestagswahl Ende September, lautet seine
Rechnung, wird es die Politik kaum als opportun empfinden, ihre
Stützungsmaßnahmen zu beenden. Und wenn die sich anschließenden
Koalitionsverhandlungen abgeschlossen sind, dürfte man bereits das Jahr 2022
schreiben. Die europäische Bankenaufsicht wird ihr Dividendenmoratorium dann
beendet oder aber ein zweites Mal verlängert haben. Die Sparkassen Hessens und
Thüringens jedenfalls wollen das Bewertungsergebnis auch im laufenden Jahr dazu
nutzen, Reserven zu bilden. Die Pandemie mutiert vom schlagartig eintretenden
Ereignis zur Kaugummi-Krise, wie die 2007 einsetzenden und später in die
Euro-Krise mündenden Verwerfungen, wie die scheinbar zum Dauerzustand gewordenen
Negativzinsen.
Aufschübe helfen, Belastungen zu strecken und verdaulich zu portionieren. Sie
sind aber eine Wette, dass während der Bewältigung neue Krisen ausbleiben, zudem
können sie nur befristet sein. Und wie in der Geldpolitik gilt: Der Einstieg in
den Krisenmodus fällt bedeutend leichter als der Ausstieg. Und bis zum Ende
bleibt unklar, wie hoch die Rechnung letztlich ausfällt.
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