Keinen Tag zu früh, Kommentar zur Commerzbank von Anna Sleegers

Frankfurt (ots) - Knapp drei Monate nach dem Doppelrücktritt von Vorstands- und

Aufsichtsrat ist das Führungsvakuum bei der Commerzbank überwunden. Die Berufung

von Manfred Knof zum Vorstandschef ist für die Commerzbank ein Glücksfall. Die

Commerzbank, so viel ist sicher, schmort schon zu lange im eigenen Saft.

Insofern ist es gut, dass mit dem Kölner Juristen ein Manager übernimmt, der

nicht nur Erfahrungen aus dem Privatkundengeschäft von Deutscher und Dresdner

Bank mitbringt, sondern auch aus einer anderen Branche. Das Know-how aus der

Restrukturierung und Digitalisierung der Allianz wird ihm bei der Neuausrichtung

der Commerzbank von Nutzen sein.

Je früher diese Neuausrichtung kommt, desto besser. Deshalb ist es gut, dass die

Deutsche Bank ihn schnell ziehen lässt - das gibt Knof Zeit, sich schon vor dem

ersten Arbeitstag einzuarbeiten. Die Rahmenbedingungen, die er vorfindet, sind

eher bescheiden. Schließlich stellt die Europäische Zentralbank mit ihrer

Entschlossenheit, die Eurozone noch lange mit billigem Geld zu fluten, die

Commerzbank - wie andere Banken auch - vor enorme Herausforderungen im

Zinsgeschäft. Ein Umstand, den das Management unter Knofs Vorgänger Martin

Zielke zu lange verdrängt hat. Hinzu kommt nun die finstere Aussicht auf

steigende Kreditausfälle in Folge der Corona-Pandemie, die das ohnehin

schwächelnde Firmengeschäft der Commerzbank belasten wird.

Die dritte große Herausforderung, der sich die Commerzbank stellen muss, ist die

Einflussnahme ihres größten Aktionärs. Dass der Bund nicht mit offenem Visier

kämpft, hat sich nicht nur bei den Fusionsgesprächen mit der Deutschen Bank

gezeigt, die der Bund erst anzettelte, um dann gar nichts damit zu tun gehabt

haben zu wollen. Gut möglich, dass Zielke oft eine unglückliche Figur abgegeben

hat, weil die öffentlichen Aussagen zur Commerzbank aus Berlin im diametralen

Gegensatz zu den Ansagen im Hinterzimmer standen. Es bedarf keiner

hellseherischen Kräfte um vorherzusagen, dass sich dieses Problem durch den

Wahlkampf eher noch verschärfen wird.

Vor diesem Hintergrund ist einer wie Knof geeignet: Dem als ziemlich sperrig

geltenden Manager haftet nicht der Verdacht an, es allen recht machen zu wollen.

Nicht wenige haben seinen Abgang bei der Allianz als Weigerung gewertet, sich

verbiegen zu lassen. Im Bundesfinanzministerium wird man sich gut überlegen

müssen, wie viel Doppelzüngigkeit man dem mühsam gefundenen Nachfolger zumuten

kann.

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