OTS: Börsen-Zeitung / Kontrastprogramm, Kommentar zu Tui von Heidi Rohde
12.08.2020 | 20:30
Kontrastprogramm, Kommentar zu Tui von Heidi Rohde
Frankfurt (ots) - Die Gegensätze können augenscheinlich kaum größer sein:
Während der Touristikriese Tui offenbar völlig unsicher ist, wohin die Reise
noch geht, nimmt das kalifornische Start-up Airbnb in bewegten Zeiten Kurs auf
die Börse. Das junge Kultunternehmen der Branche, dessen Bewertung von einem
illustren Investorenkreis in der Spitze auf 31 Mrd. Dollar gehievt wurde, musste
durch den Einbruch der Reiseaktivitäten in der Coronakrise zwar auch heftig
Federn lassen - Umsatzeinbruch und Personalabbau blieben nicht aus. Jedoch
meldete Airbnb schon im Juni und Juli eine kräftige Erholung der Nachfrage, die
die Führung für die geschäftliche Entwicklung offenbar so optimistisch stimmt,
dass sie den Sprung an die Börse wagen will. Dabei wird immerhin noch über eine
Bewertung von knapp unter 20 Mrd. Dollar spekuliert.
Dagegen hat die Tui durch Covid-19 in allen Geschäftsfeldern geradezu
vernichtende Schläge erhalten. Das Gros der Flugzeugflotte steht noch immer am
Boden, die Hotelkapazitäten sind weltweit insgesamt deutlich unterausgelastet,
und die meisten Kreuzfahrtschiffe liegen im Hafen. Diese Boom-Branche wurde in
voller Fahrt gestoppt. Die Tui sieht sich gezwungen, um den drohenden
Schiffbruch zu vermeiden, den Anker nach dem Staat zu werfen. Dieser stopft das
Leck mit einer erneuten Milliarde, bevor der Tui-Tanker als Ganzes sinkt.
Die rasante Mittelverbrennung, die in den vergangenen Monaten bei bis zu 650
Mill. Euro lag, konnte zuletzt eingedämmt werden. Doch sind die Perspektiven für
die Wintersaison derart unsicher, dass der Reisekonzern die Reserven nochmals
aufstocken muss. Ein Unterfangen, das ohne staatliche Hilfe aussichtslos wäre.
Die Investoren zeigen sich erfreut, wenn auch nicht berauscht. Immer stirbt die
Hoffnung zuletzt. Indes erscheint zunehmend fraglich, wie lange ein Unternehmen
überleben kann, dessen Geschäftsmodell durch eine so hohe Kapitalbindung
belastet ist. Die mangelnde Auslastung der Kapazitäten ist verhängnisvoll.
Der Kontrast zu dem hochmargigen wie flexiblen "Asset light"-Modell einer Airbnb
muss den Investoren ins Auge springen. Auch Tui hatte begonnen, die
Digitalisierung voranzutreiben und hochrentable Aktivitäten wie
Urlaubserlebnisse auf einer digitalen Angebotsplattform zu entwickeln - ein
Bereich, wo sie mit Airbnb konkurriert und dieser sogar etwas voraus hat. Ob ihr
im Bann von Corona die Zeit bleibt, diesen Vorteil auszuspielen, erscheint indes
zunehmend ungewiss.
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