Kontrastprogramm, Kommentar zu Tui von Heidi Rohde

Frankfurt (ots) - Die Gegensätze können augenscheinlich kaum größer sein:

Während der Touristikriese Tui offenbar völlig unsicher ist, wohin die Reise

noch geht, nimmt das kalifornische Start-up Airbnb in bewegten Zeiten Kurs auf

die Börse. Das junge Kultunternehmen der Branche, dessen Bewertung von einem

illustren Investorenkreis in der Spitze auf 31 Mrd. Dollar gehievt wurde, musste

durch den Einbruch der Reiseaktivitäten in der Coronakrise zwar auch heftig

Federn lassen - Umsatzeinbruch und Personalabbau blieben nicht aus. Jedoch

meldete Airbnb schon im Juni und Juli eine kräftige Erholung der Nachfrage, die

die Führung für die geschäftliche Entwicklung offenbar so optimistisch stimmt,

dass sie den Sprung an die Börse wagen will. Dabei wird immerhin noch über eine

Bewertung von knapp unter 20 Mrd. Dollar spekuliert.

Dagegen hat die Tui durch Covid-19 in allen Geschäftsfeldern geradezu

vernichtende Schläge erhalten. Das Gros der Flugzeugflotte steht noch immer am

Boden, die Hotelkapazitäten sind weltweit insgesamt deutlich unterausgelastet,

und die meisten Kreuzfahrtschiffe liegen im Hafen. Diese Boom-Branche wurde in

voller Fahrt gestoppt. Die Tui sieht sich gezwungen, um den drohenden

Schiffbruch zu vermeiden, den Anker nach dem Staat zu werfen. Dieser stopft das

Leck mit einer erneuten Milliarde, bevor der Tui-Tanker als Ganzes sinkt.

Die rasante Mittelverbrennung, die in den vergangenen Monaten bei bis zu 650

Mill. Euro lag, konnte zuletzt eingedämmt werden. Doch sind die Perspektiven für

die Wintersaison derart unsicher, dass der Reisekonzern die Reserven nochmals

aufstocken muss. Ein Unterfangen, das ohne staatliche Hilfe aussichtslos wäre.

Die Investoren zeigen sich erfreut, wenn auch nicht berauscht. Immer stirbt die

Hoffnung zuletzt. Indes erscheint zunehmend fraglich, wie lange ein Unternehmen

überleben kann, dessen Geschäftsmodell durch eine so hohe Kapitalbindung

belastet ist. Die mangelnde Auslastung der Kapazitäten ist verhängnisvoll.

Der Kontrast zu dem hochmargigen wie flexiblen "Asset light"-Modell einer Airbnb

muss den Investoren ins Auge springen. Auch Tui hatte begonnen, die

Digitalisierung voranzutreiben und hochrentable Aktivitäten wie

Urlaubserlebnisse auf einer digitalen Angebotsplattform zu entwickeln - ein

Bereich, wo sie mit Airbnb konkurriert und dieser sogar etwas voraus hat. Ob ihr

im Bann von Corona die Zeit bleibt, diesen Vorteil auszuspielen, erscheint indes

zunehmend ungewiss.

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