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22.05.2020 | 19:37
Neue Sorgen um Nasdaq / Kommentar zu Risiken an der Tech-Börse von
Alex Wehnert
Frankfurt (ots) - Inzwischen hat die zurückgekehrte Unsicherheit an den Märkten
auch den Nasdaq 100 erreicht. Der US-Index hat seit der Wochenmitte Einbußen
hinnehmen müssen - dabei hatte er sich zuletzt in einem schwankungsanfälligen
Marktumfeld besonders fest gezeigt. Tatsächlich bleibt er weiterhin der einzige
der großen US-Indizes, der seit Jahresbeginn gerechnet im Plus liegt - und auch
sein im Februar erreichtes Allzeithoch ist für den Nasdaq 100 schon wieder in
Sichtweite. Die übergeordnete bullishe Stimmung im Marktsegment zeigt sich auch
darin, dass die Bewertungen eine kräftige V-förmige Erholung hingelegt haben.
So hatte sich das Kurs-Gewinn-Verhältnis im Index auf Basis von
Zwölfmonatsprognosen zwischen März 2009 und Februar des laufenden Jahres von 12
auf 25 ausgeweitet, nur um auf 18 einzubrechen - mittlerweile liegt es laut der
Commerzbank wieder bei 27. Nach einem derart steilen Anstieg der Bewertungen sei
zu erwarten, dass die jüngste Marktrally an Momentum verlieren und in den
kommenden Wochen auslaufen werde. Denn der Optimismus der Marktteilnehmer stütze
sich weiterhin nicht auf eine fundamentale Stärke, sondern vorrangig auf die
Effekte der expansiven Fed-Geldpolitik.
Ob dieses Argument auch für den Nasdaq 100 gilt, darf aber durchaus bezweifelt
werden. Zwar ist dieser anders als häufig beschrieben kein reiner
Technologieindex und beinhaltet auch stark von der Krise betroffene Titel wie
United Airlines. Allerdings haben Tech- und Online-Riesen wie Apple, Microsoft,
Amazon und die Google-Mutter Alphabet bei weitem das größte Gewicht im Nasdaq
100 und machen 50% der Marktkapitalisierung aus. Und diese Unternehmen sind
bislang nur in äußerst geringem Umfang von den Folgen der Coronakrise betroffen.
Sie alle verzeichneten im ersten Quartal ein Umsatzwachstum. Gerade Amazon
gehört zu den großen Krisenprofiteuren. Schließlich verfügt das Unternehmen über
eine dominante Position im Internet-Einzelhandel, der in Lockdown-Zeiten enorm
an Zulauf gewonnen hat. Überstrahlt wird die Amazon-Aktie im Nasdaq 100 in Bezug
auf coronabedingte Gewinne noch von Zoom. Das Papier des Videochat-Anbieters
liegt im laufenden Jahr mit über 150% im Plus.
Neben der Performance in der Krise scheint auch der langfristige Erfolg für den
Nasdaq 100 zu sprechen. Laut dem Vermögensverwalter Unigestion weisen die im
Index vertretenen Unternehmen nicht nur ein überdurchschnittliches
Umsatzwachstum auf, sondern haben in den vergangenen fünf Jahren auch
anderthalbmal höhere Gewinnspannen als die Unternehmen des S&P 500 erzielt.
Während der Nasdaq 100 laut dem Assetmanager DNB zwischen 1985 und 2019 eine
jährliche Rendite von 13,5% aufgewiesen hat, ist der S&P 500 im gleichen
Zeitraum im Schnitt nur auf 11% gekommen. Der Tech-Sektor bleibe weiterhin
interessant, da viele Branchen über Innovationen wie 5G und künstliche
Intelligenz ihre Produktivität zu verbessern suchten.
Allerdings stellt die hohe Gewichtung einiger weniger Tech-Werte im Nasdaq auch
ein Konzentrationsrisiko dar. Mittelfristig würde ein demokratischer Sieg bei
den US-Präsidentschaftswahlen laut Unigestion zudem die Wahrscheinlichkeit einer
stärkeren Regulierung der US-Tech-Industrie ernsthaft erhöhen. Kurzfristig liegt
die größte Gefahr aber wohl in den wieder aufkeimenden Spannungen im Streit
zwischen Washington und Peking. Gerade der Nasdaq könnte unter einem
wiederaufflammenden Handelskonflikt leiden, exportieren die USA neben Rohstoffen
doch vor allem höherwertige Waren und Dienstleistungen nach China. Bereits jetzt
gehen die bisher beschlossenen verschärften Exportkontrollen aber am
US-Technologiesektor nicht spurlos vorüber.
(Börsen-Zeitung, 23.05.2020)
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