Widerstandsfähige Rally, ein Marktkommentar von Christopher Kalbhenn

Frankfurt (ots) - Bemerkenswert beständig hat sich die Hausse an den

Aktienmärkten in der abgeschlossenen Woche präsentiert. Der Dax hat endlich das

alte Rekordhoch hinter sich gelassen und den Durchbruch über die Marke von

13.600 Zählern geschafft. Zuletzt lag er mit einem Wochenplus von 0,4 Prozent

auf 13.577 Zähler nicht weit von der neuen Bestmarke entfernt. Dabei waren die

Umstände durchaus widrig. Denn kaum hatten die USA und China den

Waffenstillstand in ihrem Handelskonflikt besiegelt, stellte sich mit der im

Reich der Mitte ausgebrochenen und sich ausbreitenden neuen Lungenkrankheit ein

neuer für Unsicherheit sorgender Faktor ein.

Das Virus wird die Märkte, wenn zurückliegende Virenausbrüche zugrunde gelegt

werden, voraussichtlich noch einige Monate lang beschäftigen, und es ist derzeit

noch unklar, wie gefährlich die Krankheit ist und welche Folgen sie haben wird.

Einiges spricht dafür, dass die Auswirkungen geringfügiger sein werden als die

des Sars-Ausbruchs im Jahr 2003. Die chinesischen Behörden waren diesmal besser

vorbereitet und haben schneller und energischer reagiert. Auch soll das

Coronavirus weniger aggressiv sein. Ein Risiko ist allerdings, dass die

intensive Reisaktivität, die mit dem chinesischen neuen Jahr einhergeht, zu

einer gefährlichen Ausbreitung des Virus führt.

Es ist damit bis auf Weiteres unklar, ob der Ausbruch, wie Experten zuletzt

schätzten, das Wachstum der zweitgrößten Volkswirtschaft in diesem Jahr um

ungefähr einen Prozentpunkt schmälern wird oder ob Gravierenderes bevorsteht.

Auf jeden Fall würde dies die erhoffte Stabilisierung bzw. Erholung des globalen

Wachstums verzögern. Auf einen starken Ausbruch des Virus würde die chinesische

Regierung jedoch reagieren, so NN Investment Partners am Freitag. "Sie würde

wohl nicht zögern, zu neuen Stimulusmaßnahmen zu greifen, und die bisherigen

Prioritäten, Schuldenabbau und Reduzierung von Risiken im Finanzsystem, vorerst

ad acta legen. In diesem Fall würde sich das Kreditwachstum in China deutlich

erhöhen, was wiederum neues Potenzial für Investitionen in China und das

Exportwachstum der Schwellenländer mit sich brächte."

Auf Basis der derzeit bekannten Tatsachen wird das Coronavirus voraussichtlich

zwar bremsende Effekte für die Aktienmärkte haben. Die grundsätzlichen Treiber

bleiben jedoch intakt, so dass noch Luft nach oben bzw. eine Fortsetzung der

Rekordjagd an den Aktienmärkten der Industrieländer wahrscheinlich ist. Zu

erwähnen ist in erster Linie das extrem niedrige Zinsniveau. Der Mangel an

Anlagealternativen hat unverändert Bestand, die vom Ausbruch ausgehende

Unsicherheit wirkt in dieser Hinsicht sogar verstärkend: Die laufende Verzinsung

der zehnjährigen Bundesanleihe ist 15 Basispunkte tiefer in den Minusbereich

vorgedrungen und liegt nun bei minus 0,34 Prozent. Hinzu kommt, dass nach den

Konjunkturstimmungsindikatoren auch die angelaufene Quartalsberichtssaison in

den Vereinigten Staaten die Erholungshoffnungen der Marktteilnehmer zu

bestätigen scheint.

Von den ersten 60 Unternehmen des S&P 500, die schon Geschäftszahlen vorgelegt

haben, übertrafen 75 Prozent die Erwartungen. Ein sehr positives Signal setzte

dabei Intel. Die weltweite Nummer 1 der Chipbranche übertraf mit ihren Zahlen

sowie ihrem Umsatzausblick für das laufende Jahr die Erwartungen, was ihre Aktie

auf den höchsten Stand seit dem Jahr 2000 katapultierte.

All dies spricht dafür, dass die weiteren Zuflüsse die Aktienmärkte stützen

werden, auch wenn die Aufwärtsbewegung durch die Entwicklung in China eine Zeit

lang ins Stocken geraten könnte. Dividendentitel dürften weiterhin erste Wahl

sein, wobei die aktuelle Entwicklung zeigt, dass Top-Staatsanleihen trotz

kläglicher Verzinsung zur Absicherung unverzichtbar bleiben. Angesichts der

recht hohen absoluten Bewertungen der Aktienmärkte sind neben den

Unternehmensberichten in den kommenden Monaten vor allem die Konjunkturdaten

unter Beobachtung zu halten.

Gleich zu Beginn der neuen Woche steht das Ifo-Geschäftsklima vom Januar zur

Veröffentlichung an. Es hat sich in der Vergangenheit als recht zuverlässiger

Indikator für die Perspektiven des Aktienmarktes erwiesen. Die Volkswirte

rechnen mit weiteren ermutigenden Signalen. Laut dem Bloomberg-Konsens rechnen

sie im Median mit einem Anstieg von 96,3 auf 97 Punkte.

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