OTS: Börsen-Zeitung / Zurück auf Los / Kommentar zu Apples Steuersieg gegen ...
15.07.2020 | 19:41
Zurück auf Los / Kommentar zu Apples Steuersieg gegen die
EU-Kommission von Detlef Fechtner
Frankfurt (ots) - Das Gericht der EU hat gestern eine enorm wichtige
Entscheidung der EU-Kommission kassiert. Die Richter kippten die Anweisung an
den US-Konzern Apple, 13 Mrd. Euro Steuern plus Zinsen nachzuzahlen, weil der
iPhone-Hersteller nach Überzeugung der EU-Kommission in unfairer Weise von allzu
großzügigen Steuerdeals der irischen Regierung profitiert habe.
Man mag über die Details des Urteils trefflich streiten. Ob die Gewinne von
Apple tatsächlich in Irland versteuert werden mussten und ob die
EU-Wettbewerbshüter belastbar eine selektive Vorzugsbehandlung von Apple belegt
haben, ist selbst unter Experten umstritten. Das kann man so oder so sehen.
Unstrittig ist indes, dass die EU-Kommission durch das Urteil im Kampf gegen
aggressive Steuervermeidung zurückgeworfen wird - im Grunde zurück auf Los. Das
ist fatal, denn dadurch büßt die EU-Behörde an Glaubwürdigkeit ein, hat sie doch
zugesagt, nicht mehr zu dulden, dass nationale Regierungen globalen Firmen dabei
helfen, sich einer angemessenen Steuerzahlung zu entziehen.
Da Kompromisse im Steuerrecht wegen der Einstimmigkeit extrem mühsam sind, hat
die EU-Kommission versucht, den umstrittenen Steuerdeals auf dem Umweg des
Wettbewerbsrechts einen Riegel vorzuschieben. Diese Strategie hat sich
spätestens gestern als riskant erwiesen. Denn selbst bei offensichtlich
aggressiver Steuervermeidung - wie im Falle Apple mit einer Effektivbesteuerung
im Promillebereich - ist es äußerst schwer, den Verstoß gegen EU-Recht
gerichtsfest zu beweisen.
Das Urteil des EU-Gerichts mahnt dazu, unfaire Steuerpraktiken nicht über
Beihilfeverfahren zu bekämpfen, sondern durch Korrekturen im Steuerrecht. Das
verlangt aber, dass die Mehrheit der EU-Staaten bereit sein muss, sich ernsthaft
mit den Regierungen anzulegen, die generöse Steuerdeals mit internationalen
Konzernen zum Geschäftsmodell für den heimischen Standort gemacht haben. Mit
gesundem Steuerwettbewerb haben einige dieser Tax Rulings nämlich nichts zu tun.
Die Kontroverse darüber, ob ein Binnenmarkt einigen seiner Mitglieder erlauben
darf, mit unfairen Mitteln Standortpolitik zu betreiben, wird schmerzhaft, denn
es geht ans Eingemachte. Die Debatte könnte die EU in eine Zerreißprobe treiben.
Trotzdem muss die Union diesen Streit ausfechten. Denn wenn sie dauerhaft
zulässt, dass im EU-Binnenmarkt einige Konzerne trotz blühender Geschäfte so gut
wie keine Steuern zahlen, korrumpiert dies das Gerechtigkeitsverständnis der
EU-Bürger.
(Börsen-Zeitung, 16.07.2020)
Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de
Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/30377/4653425
OTS: Börsen-Zeitung
AXC0327 2020-07-15/19:41
Copyright dpa-AFX Wirtschaftsnachrichten GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Weiterverbreitung, Wiederveröffentlichung oder dauerhafte Speicherung ohne ausdrückliche vorherige Zustimmung von dpa-AFX ist nicht gestattet.