Zurück auf Los / Kommentar zu Apples Steuersieg gegen die

EU-Kommission von Detlef Fechtner

Frankfurt (ots) - Das Gericht der EU hat gestern eine enorm wichtige

Entscheidung der EU-Kommission kassiert. Die Richter kippten die Anweisung an

den US-Konzern Apple, 13 Mrd. Euro Steuern plus Zinsen nachzuzahlen, weil der

iPhone-Hersteller nach Überzeugung der EU-Kommission in unfairer Weise von allzu

großzügigen Steuerdeals der irischen Regierung profitiert habe.

Man mag über die Details des Urteils trefflich streiten. Ob die Gewinne von

Apple tatsächlich in Irland versteuert werden mussten und ob die

EU-Wettbewerbshüter belastbar eine selektive Vorzugsbehandlung von Apple belegt

haben, ist selbst unter Experten umstritten. Das kann man so oder so sehen.

Unstrittig ist indes, dass die EU-Kommission durch das Urteil im Kampf gegen

aggressive Steuervermeidung zurückgeworfen wird - im Grunde zurück auf Los. Das

ist fatal, denn dadurch büßt die EU-Behörde an Glaubwürdigkeit ein, hat sie doch

zugesagt, nicht mehr zu dulden, dass nationale Regierungen globalen Firmen dabei

helfen, sich einer angemessenen Steuerzahlung zu entziehen.

Da Kompromisse im Steuerrecht wegen der Einstimmigkeit extrem mühsam sind, hat

die EU-Kommission versucht, den umstrittenen Steuerdeals auf dem Umweg des

Wettbewerbsrechts einen Riegel vorzuschieben. Diese Strategie hat sich

spätestens gestern als riskant erwiesen. Denn selbst bei offensichtlich

aggressiver Steuervermeidung - wie im Falle Apple mit einer Effektivbesteuerung

im Promillebereich - ist es äußerst schwer, den Verstoß gegen EU-Recht

gerichtsfest zu beweisen.

Das Urteil des EU-Gerichts mahnt dazu, unfaire Steuerpraktiken nicht über

Beihilfeverfahren zu bekämpfen, sondern durch Korrekturen im Steuerrecht. Das

verlangt aber, dass die Mehrheit der EU-Staaten bereit sein muss, sich ernsthaft

mit den Regierungen anzulegen, die generöse Steuerdeals mit internationalen

Konzernen zum Geschäftsmodell für den heimischen Standort gemacht haben. Mit

gesundem Steuerwettbewerb haben einige dieser Tax Rulings nämlich nichts zu tun.

Die Kontroverse darüber, ob ein Binnenmarkt einigen seiner Mitglieder erlauben

darf, mit unfairen Mitteln Standortpolitik zu betreiben, wird schmerzhaft, denn

es geht ans Eingemachte. Die Debatte könnte die EU in eine Zerreißprobe treiben.

Trotzdem muss die Union diesen Streit ausfechten. Denn wenn sie dauerhaft

zulässt, dass im EU-Binnenmarkt einige Konzerne trotz blühender Geschäfte so gut

wie keine Steuern zahlen, korrumpiert dies das Gerechtigkeitsverständnis der

EU-Bürger.

(Börsen-Zeitung, 16.07.2020)

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