Der EU-Austritt Großbritanniens und vor allem ein harter Brexit würde laut Experten von Raiffeisen Research vor allem die britische Wirtschaft stark treffen. Die Wahrscheinlichkeit für einen solchen "harten Brexit" wird aktuell auf 30 Prozent geschätzt. Österreichs Wirtschaft wäre vor allem indirekt betroffen.

An Europas Aktienbörsen könnte es im Fall eines überraschend harten Brexit ohne Abfederung am 29. März zu einem Minus in einer Dimension von 5 bis 10 Prozent kommen, so Raiffeisen-Research-Experte Valentin Hofstätter am Mittwoch vor Journalisten. Der Effekt könnte allerdings bald wieder abgemildert werden, wenn es relativ rasch zu einem Package komme, wie es weitergehe. Wenn man dann noch glaube, man müsse verkaufen, könnte es sein, dass man am Tief verkaufe. Allzu lange dürfte der Brexit die Finanzmärkte aber nicht beschäftigen, andere Themen wie etwa die Handelskonflikte würden die Märkte dann wieder beeinflussen.

Die Folgen eines ungeregelten Brexit für Österreichs Wirtschaft seien vor allem indirekt, man sollte sie nach Ansicht der Raiffeisen-Experten aber nicht unterschätzen. Wichtige Handelspartner wie Deutschland und osteuropäische Länder hätten eine größere Außenhandelsverflechtung mit Großbritannien, was sich wiederum auf die Konjunktur in Österreich auswirken könnte. Im Tourismus könnten sich Effekte wegen einer dann geringeren Kaufkraft der Briten zeigen.

Die Wahrscheinlichkeit eines "well-managed-Brexit" sehen die Raiffeisen-Experten derzeit bei 70 Prozent, dabei wird einer Verhandlungsverlängerung eine Gesamtwahrscheinlichkeit von 42 Prozent zugeschrieben. Im "Hard-Brexit"-Szenario mit einer 30-Prozent-Wahrscheinlichkeit sind aber auch Übergangsregelungen vorgesehen. Solche Übergangsregelungen wären aber nur zeitlich befristet etwa für sechs bis neun Monate gültig.

Für die Verlagerung von Unternehmen sehen die Experten noch viel Potenzial, auch aus dem Finanzsektor. Ein Viertel des internationalen Bank-Exposure in der EU beispielsweise komme aus Großbritannien. Mögliche Verlagerungen gehen aber über die Banken hinaus und umfassen auch Finanzdienstleistungen. Großbritannien sei ein wichtiger EU-Hub. Raiffeisen-Research-Experte Günter Deuber erwartet, dass sich in diesem Bereich noch einiges tun wird, Unternehmen hielten sich bezüglich ihrer Entscheidung noch bedeckt.

Die Wirtschaft in Großbritannien dürfte sich nach einem "harten Brexit" nach ein bis zwei schwachen Jahren wieder auf einem niedrigen Niveau normalisieren - mit einem niedrigeren durchschnittlichen Wachstum als bei einem Verbleib in der EU. Eine zentrale Rolle werde beim Brexit der Leistungsbilanzkorrektur zukommen. Für Industrieländer sei ein Leistungsbilanzdefizit von 5 bis 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) kaum tragbar. Aktuell hat es sich in Großbritannien zwar wieder auf rund 3,5 Prozent verbessert, dürfte aber nach einem geringeren Erholungsbeitrag des Dienstleistungssektors im Zuge des Brexit wieder steigen. Eine Leistungsbilanzkorrektur in Industrieländern könne generell eine (mehrjährige) Währungsabwertung von 10 bis 30 Prozent. Eine Währungskrise sollte aber bei der notwendigen Leistungsbilanzkorrektur ebenso vermeidbar sein wie eine umfassende Währungskrise. Am Londoner Aktienmarkt dürften vor allem Unternehmen negativ betroffen sein, die stark in der lokalen Wirtschaft tätig sind und weniger international tätige Konzerne.

itz/sp/cs

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