Wer sich in den frühen 2000er Jahren eine Solaranlage aufs Dach schraubte oder sein Geld in Windparks steckte, durfte sich Pionier der Energiewende nennen. Die Besitzer alter Ökostrom-Anlagen stehen nun vor einem Problem: Für die ersten läuft Ende des Jahres die Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) aus. Denn die ist auf 20 Jahre begrenzt. Solar- und Windbranche warnen, dass Anlagen zu Tausenden vom Netz gehen könnten, was den Umstieg von Atom- und Kohlestrom auf erneuerbare Energien ausbremsen würde. Sie sehen die Politik in der Pflicht - dabei geht es nicht nur ums Geld.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat das Thema auf dem Schirm. Es werde mit der EEG-Novelle angegangen, teilte sein Ministerium auf Anfrage mit. Ein Entwurf soll nach der Sommerpause kommen. Die Verhandlungen dürften schwierig werden, es gibt viel zu viele Regeln - die "Ü-20-Anlagen" sind nur eine von vielen Baustellen.

Über die EEG-Umlage, die Verbraucher mit der Stromrechnung zahlen, werden Ökostrom-Anlagen gefördert - aber nur 20 Jahre lang. In den kommenden Jahren fallen also immer mehr Anlagen aus der Förderung.

Im ersten Jahr sind nach Angaben des Ministeriums etwa 18 300 Solaranlagen mit einer Gesamtleistung von 72 Megawatt betroffen - das ist nicht viel, allein 2019 wurde mehr als das 50-Fache dieser Leistung neu zugebaut. Erst ab 2025 seien erste anlagenstarke Jahrgänge betroffen. Bei den Windrädern sind es laut Ministerium etwa 3700 Megawatt installierte Leistung verteilt auf etwa 4900 Anlagen. Die Branche selbst spricht von rund 6000 betroffenen Windrädern.

Wer bisher Sonnenstrom ins Netz eingespeist hat und dafür Geld bekam, kann den Strom künftig entweder selbst nutzen oder aber den Strom direkt vermarkten. "Es ist wünschenswert, dass möglichst viele Anlagenbetreiber die Direktvermarktung nutzen", heißt es beim Wirtschaftsministerium. "Erste Hinweise aus der Branche ergeben, dass einige Akteure kleinere Anlagen poolen wollen und so die Direktvermarktung organisiert werden könnte."

Der Bundesverband Solarwirtschaft sieht aber einigen Reformbedarf. "Der überwiegende Teil der Ü-20-Betreiber wird sich nur dann für einen Weiterbetrieb der Solarstromanlagen begeistern lassen, wenn dieser zumindest weitgehend kostendeckend möglich ist", sagte Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig der Deutschen Presse-Agentur. "Einer Anschlussförderung bedarf es dafür nicht, aber eines Abbaus von Marktbarrieren." Der Verband fordert unter anderem, den Eigenverbrauch von Umlagen und Abgaben zu befreien.

Die nach Auslaufen der EEG-Förderung vorgeschriebene Direktvermarktung lohnt sich nach Einschätzung des Solarverbands für die meisten sehr kleinen Altanlagen bisher nicht - weshalb die Gefahr bestünde, dass die Anlagen abgebaut würden oder aber "wild", also illegal, einspeisten. Daher solle die Direktvermarktung vereinfacht werden. Zudem brauche es eine Auffanglösung für Betreiber, die nicht in die Direktvermarktung wechseln wollten.

Bei Windenergie ist die Lage insofern anders, als Politik und Branche hier viel Wert aufs "Repowering" legen - das Ersetzen alter Anlagen durch neuere, meiste größere, die viel mehr Strom produzieren. Aber auch für Ü-20-Windräder ist der Weiterbetrieb mit Direktvermarktung eine Option. "Einige Direktvermarkter haben sich bereits darauf spezialisiert, ausgeförderte Anlagen unter Vertrag zu nehmen", teilte das Wirtschaftsministerium mit. Man gehe davon aus, "dass hier ein Markt jenseits des EEG entstehen wird". Das entspricht den Zielen der Politik - irgendwann soll Ökostrom der förderfreie Normalfall sein.

Der Bundesverband Windenergie sieht aber Probleme. Denn der Stromverkauf müsse den wirtschaftlichen Betrieb ermöglichen, damit Anlagen nicht einfach abgebaut würden. Die Corona-Krise mit ihren Folgen habe den Strombedarf drastisch gesenkt, die Preise seien eingebrochen, erklärte ein Sprecher. Daher sei eine "politische Flankierung" nötig. Neben verschiedenen rechtlichen Vereinfachungen schlägt der Verband für Anlagen, die bis einschließlich 2000 ans Netz gegangen sind, Zuschüsse für weitere zwei bis drei Jahre vor.

Aus Sicht von Thorsten Lenck von der Denkfabrik Agora Energiewende ist das Corona-Tief der Börsenstrompreise kein dauerhaftes Problem. "An den Terminmärkten deutet sich schon an, dass die Energie- und Strompreise auch wieder steigen werden", sagte er der dpa. Eine zu hohe Förderung auch in Zukunft könne kreative marktwirtschaftliche Lösungen, die Kosten und Risiken senkten, ausbremsen.

Aber auch er findet, dass das Thema "Ü-20-Anlagen" mit der EEG-Novelle dringend angegangen werden müsse - um die Pioniere der Energiewende nicht rechtlichen Unsicherheiten auszusetzen und klimafreundlichen Strom im Markt zu halten. "Notwendige Investitionen für Windräder, um deren Lebensdauer auf 30 Jahre zu erhöhen, sollten bezuschusst werden", sagte Lenck. Auch eine Vergütung für Solarstrom sei weiter sinnvoll, wenn auch nicht so hoch wie die EEG-Vergütung. Sie könne sicherstellen, dass Anlagen weiter in Betrieb blieben, auch wenn zum Beispiel hohe Wartungs- oder Versicherungskosten anfielen./ted/DP/zb

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