Zum Start ins neue Jahr Negativzinsen: Mindestens 16 Institute, vor allem Volksbanken und Sparkassen, haben nach Daten des Internetportals Verivox in den ersten Wochen 2020 Negativzinsen für Geldanlagen von Privatkunden eingeführt oder bestehende Strafzinsen erhöht. "Die Wucht der Negativzinswelle hat in diesem Jahr noch einmal deutlich zugenommen", sagte Oliver Maier, Geschäftsführer der Verivox Finanzvergleich GmbH.

Maier wies darauf hin, dass die Einführung zunächst nur für Neukunden gilt. Wolle eine Bank von Bestandskunden Strafzinsen erheben, müsse sie dies mit den Betroffenen individuell vereinbaren.

Das Bundesfinanzministerium hat Negativzinsen für Bankkunden kritisch im Blick. Auf Basis der geltenden Gesetzeslage sei es für Banken zumindest mit hohen rechtlichen Risiken behaftet, innerhalb bestehender Verträge Negativzinsen von Kunden zu verlangen, teilte eine Sprecherin am Samstag auf Anfrage mit. Zuvor hatte die "Passauer Neue Presse" über die Ergebnisse einer entsprechenden Prüfung des Ministeriums berichtet.

Sogenannte "Negativzinsklauseln", die mittels einer Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) in bestehende Verträge einfließen, dürften demnach nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Kunden zulässig sein. Die Finanzaufsicht Bafin verfüge "über ausreichende aufsichtsrechtliche Instrumente, mit denen etwaige systematische Verstöße gegen diese Rechtslage unterbunden werden könnten", hieß es vom Ministerium. Die Bundesregierung beobachte weiterhin die Situation, insbesondere in Bezug auf die tatsächlichen Marktentwicklungen.

Nach Verivox-Daten, für die im Internet veröffentlichte Preisaushänge von 800 Banken und Sparkassen ausgewertet wurden, verlangen aktuell 38 Institute Negativzinsen von Privatkunden - in der Regel für Guthaben auf dem Tagesgeldkonto. Hinzu kämen sieben Finanzhäuser, bei denen das Tagesgeldkonto Gebühren koste. Dadurch entstünden faktisch Negativzinsen, auch wenn sie nicht als solche ausgewiesen seien.

In der Regel trifft es reiche Privatkunden. Verivox zufolge verlangen derzeit allerdings fünf Institute für Tagesgeldeinlagen unter 100 000 Euro Negativzinsen - zwei davon verzichteten komplett auf einen Freibetrag.

Durch die Strafzinsen versuchen die Banken, Kosten an die Kunden weiterzugeben, die ihnen selbst durch die Negativzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) entstehen. Parken Banken Geld bei der Notenbank, müssen sie dafür derzeit 0,5 Prozent Minuszinsen zahlen. Dadurch wollen die Währungshüter Anreize für die Kreditvergabe schaffen, um die Konjunktur anzukurbeln.

Von Mitte Dezember 2018 bis Mitte Dezember 2019 mussten die deutschen Finanzinstitute insgesamt rund 2,4 Milliarden Euro Zinsen für bei den Währungshütern gebunkertes Geld berappen, wie aus Daten der Deutschen Bundesbank hervorgeht, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegen. Zuvor hatte die "Wirtschaftswoche" über die Zahlen berichtet.

Der CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach geht davon aus, dass Bankkunden künftig noch mehr mit Strafzinsen konfrontiert sein werden. "Die Spirale wird sich weiter drehen", sagte Michelbach der "Passauer Neuen Presse" (Samstag). Dadurch leide das Vertrauen der Menschen in die Soziale Marktwirtschaft. "Die Leute sagen, es kann doch nicht sein, dass ich auf mein sauer verdientes Geld bei der Bank auch noch selbst Zinsen zahlen muss." Michelbach schlägt einen vom Staat aufgelegten Innovationsfonds mit einem Garantiezins von zwei Prozent als sichere Anlagealternative vor.

Geschäftsbanken müssen mittlerweile 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie überschüssige Gelder bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken. Auch wenn es neuerdings Freibeträge für bestimmte Summen gibt, bleibt dies für die Branche eine Milliardenbelastung. Die Kosten geben immer mehr Geldhäuser inzwischen weiter und berechnen ihren Kunden Negativzinsen. Nach Angaben der Bundesbank gab es im vergangenen Jahr 1783 Banken und Sparkassen in Deutschland./mar/tos/DP/he

AXC0078 2020-01-19/18:07

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