Nach dem verheerenden Brückeneinsturz in Genua mit Dutzenden Toten verstärken die italienischen Behörden den Druck auf die Betreibergesellschaft. Das Verkehrsministerium leitete eine Untersuchung von Autostrade per l'Italia ein und forderte das Unternehmen am Donnerstagabend auf, binnen 15 Tagen nachzuweisen, dass es all seinen Instandhaltungspflichten nachgekommen sei. Die Gesellschaft müsse außerdem bestätigen, dass sie den Viadukt auf eigene Kosten vollständig wiederaufbauen werde.

Der Präsident der Region Ligurien, Giovanni Toto, und Verkehrsstaatssekretär Edoardo Rixi erklärten laut Nachrichtenagentur Ansa, Genua werde bis 2019 eine neue Autobahnbrücke haben. "Die Gesellschaft Autostrade wird sie bezahlen. Wer sie baut, werden wir abwägen", sagte Rixi.

Italienische Einsatzkräfte bargen am späten Donnerstagabend die auf den Resten der Brücke noch stehenden Fahrzeuge. Darunter war auch der grüne Lastwagen, dessen Fahrer bei der Katastrophe am Dienstag wenige Meter vor der Abbruchstelle bremsen konnte. Lokale Medien zeigten ein Video von dem Lastwagen am Abgrund.

Die Retter suchten die ganze Nacht zum Freitag nach weiteren Opfern, da mindestens zehn Menschen noch vermisst werden. Die Suche konzentrierte sich auf die Trümmer eines Brückenpfeilers am linken Polvecera-Ufer. Während eines Unwetters war ein etwa 180 Meter langer Abschnitt des Viadukts in der italienischen Hafenstadt in die Tiefe gestürzt und hatte zahlreiche Fahrzeuge mitgerissen.

Bei dem Unglück waren mindestens 38 Menschen ums Leben gekommen. Laut italienischen Presseberichten vom Freitag wollen die Angehörigen von 17 der 38 Opfer aus Ärger über die Regierung in Rom nicht an der für Samstag angesetzten offiziellen Trauerfeier teilnehmen.

Die Regierung macht die zum italienischen Infrastrukturkonzern Atlantia gehörende Autostrade per l'Italia für das Unglück verantwortlich. Das Unternehmen versicherte bisher, seinen Wartungspflichten stets nachgekommen zu sein. Die Zeitung "La Repubblica" berichtete am Freitag aber, dass eine von der Firma in Auftrag gegebene Studie schon 2017 Schwächen in den Tragseilen der Brücke entdeckt habe.

In der neuen italienischen Regierung zeigten sich unterdessen erste Differenzen, wie weiter vorzugehen sei. Der Chef der Fünf-Sterne-Bewegung und Minister für Wirtschaftliche Entwicklung, Luigi Di Maio, bekräftigte am Donnerstagabend im Sender La7, man werde dem Unternehmen nicht nur die Lizenz für die Autobahn entziehen, sondern auch eine Strafe von bis zu 150 Millionen Euro verhängen und dafür - wenn nötig - vor Gericht ziehen.

Dagegen sagte der Innenminister und Chef der rechten Lega, Matteo Salvini, er wolle vom Betreiber "alles, was möglich ist" für die Angehörigen der Opfer, die Verletzten und die nun Obdachlosen bekommen. "Über Konzessionen, Strafen und Spitzfindigkeiten reden wir von kommende Woche an", zitierte ihn Ansa.

Aus Sicherheitsgründen waren in Genua insgesamt 13 Wohnhäuser evakuiert worden. 558 Menschen verloren der Präfektur zufolge ihr Zuhause. 117 seien in Hotels oder bei Privatleuten untergebracht.

Der mehr als 40 Meter hohe Polcevera-Viadukt, der auch Morandi-Brücke genannt wird, spannte sich nicht nur über Wohnhäuser, sondern auch über Gleisanlagen und Fabriken. Die Brücke ist Teil der Autobahn 10 und verbindet den Osten mit dem Westen der Stadt. Sie ist als Urlaubsroute "Autostrada dei Fiori" bekannt und eine wichtige Fernstraße nach Südfrankreich, ins Piemont und in die Lombardei./blu/DP/nas

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AXC0079 2018-08-17/12:00

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