IWF-Chefin Christine Lagarde hat der Wirtschaftspolitik von Donald Trump und dessen Angriffen auf die eigene Zentralbank eine deutliche Abfuhr erteilt. Sie eröffnete die Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds und Weltbank am Donnerstag mit scharfer Kritik am Vorgehen des US-Präsidenten. Das System des weltweiten Handels dürfe nicht zerstört werden, sagte Lagarde zu Beginn des Treffens in Nusa Dua (Indonesien) vor dem Hintergrund einer sich abschwächenden Weltkonjunktur. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) zeigte sich optimistisch zur weiteren wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland.

Trump hatte erklärt, die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) sei wegen ihrer raschen Zinserhöhungen "verrückt geworden". Lagarde entgegnete hierauf, Notenbank-Chef Jerome Powell und der Fed-Vorstand wirkten sehr solide und seriös. "Ich würde ihn nicht mit Verrücktheit in Verbindung bringen", sagte die IWF-Chefin dem US-Sender CNBC.

Lagarde räumte einen Reformbedarf des Handelssystems unter dem Dach der Welthandelsorganisation (WTO) ein - wie schon tags zuvor deren Präsident Roberto Azevêdo. Ihre Forderung: "Repariert es, aber zerstört es nicht." Die Regeln des Welthandels hätten allen Nationen genutzt. Weltbank-Präsident Jim Yong Kim hatte erklärt, die Welt brauche "mehr Handel, nicht weniger". Die Globalisierung habe Millionen Menschen aus der Armut geführt. Dies müsse weitergehen.

Scholz gab sich am Rande der Tagung überzeugt, dass der deutsche Haushalt gut aufgestellt ist für eine mögliche Eintrübung der Konjunktur und gegebenenfalls wieder steigende Zinsen auch in Europa. Er bekräftigte, die Bundesrepublik stehe zum Ziel, 2019 zum sechsten Mal in Folge einen Haushalt ohne neue Schulden ("schwarze Null") aufzustellen. Der IWF hatte die Wachstumsprognose für Deutschland um 0,6 Punkte für das Jahr 2018 auf 1,9 Prozent zurückgenommen.

Auf dem Hinflug gab es an Bord des Regierungs-Airbus "Konrad Adenauer" kurzzeitig Überlegungen, wegen eines Erdbebens der Stärke 6,3 nahes des Konferenzortes auf Bali einen Zwischenstopp in Bangkok oder Singapur einzulegen - es gab vom Flieger aus Rücksprachen mit der Botschaft und den Behörden vor Ort in Indonesien. Am Ende gab es Entwarnung. Rund 34 000 Teilnehmer werden zum wichtigsten Treffen von Finanzministern, Bankenchefs und Finanzexperten erwartet.

Scholz zeigte sich besorgt über die hohe Verschuldung vieler Schwellen- und Entwicklungsländer, die bei einem Einbruch dann womöglich nicht mit einem Konjunkturpaket reagieren können. Die Schuldenlast der öffentlichen und privaten Haushalte ist laut IWF auf 182 Billionen Dollar angewachsen - ein Rekord. Die Summe liegt um 60 Prozent über dem Wert von 2007, also vor der letzten Finanzkrise.

Es gehe zum Beispiel darum zu verhindern, "dass die Länder Afrikas in eine zu hohe Verschuldung geraten, ohne ihre Wachstumsperspektiven zu verschlechtern", sagte Scholz. Die Bundesregierung hat wegen der hohen Flüchtlingszahlen in den vergangenen Jahren das Ziel ausgegeben, Fluchtursachen zu bekämpfen. Daher wird die Entwicklung gerade auf diesem Kontinent sehr aufmerksam verfolgt.

Die IWF-Chefin hatte bereits zuvor betont, Zentralbanken müssten ihre Zinsbeschlüsse gemäß ökonomischen Indikatoren treffen. Wenn das Wachstum stark und die Arbeitslosigkeit extrem niedrig sei, müssten sie "die Entscheidungen treffen, die sie treffen", betonte die frühere französische Finanzministerin.

Die Fed hat in diesem Jahr schon drei Mal den Leitzins in den USA erhöht, ein vierter Schritt gilt als wahrscheinlich. Trump befürchtet offensichtlich vor den Kongresswahlen, dass der Boom in der US-Wirtschaft dadurch gebremst werden könnte. Am Mittwoch war es zu einem deutlichen Kurssturz an den US-Börsen gekommen. Trump spricht im Wahlkampf stets von Börsenrekorden während seiner Präsidentschaft.

Auch beim Streit um angebliche Wechselkurs-Manipulationen Chinas stellte sich Lagarde nicht auf die Seite Trumps. Die jüngsten Ungleichgewichte hätten viel mit dem starken Dollar zu tun, sagte sie. Im Vergleich zu einem Korb mit mehreren Währungen habe der chinesische Yuan nicht im selben Maße verloren wie zum Dollar.

Der starke Dollar und die steigenden Zinsen in den USA sind allerdings ein Problem für die Weltwirtschaft. Der IWF befürchtet etwa Kapitalabflüsse aus Entwicklungs- und Schwellenländern. Zudem könnten in US-Dollar aufgenommene Schulden für diese Staaten und dort angesiedelte Unternehmen sehr teuer werden.

Der IWF hatte bereits am Dienstag in seinem Weltwirtschaftsbericht die Wachstumsprognose für die globale Wirtschaft zurückgenommen. Während noch im April mit einem Wachstum von 3,9 Prozent für die Jahre 2018 und 2019 gerechnet worden war, wurde diese Einschätzung nun auf 3,7 Prozent zurückgenommen. "Die Wirtschaft ist stark, aber sie ist nicht stark genug", sagte Lagarde./dm/ir/DP/mis

AXC0181 2018-10-11/14:34

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