SPD und Grüne haben in Hamburg einen klaren Wahlsieg eingefahren und können damit die letzte rot-grüne Koalition in Bund und Ländern fortsetzen. Bei der Bürgerschaftswahl in dem Stadtstaat landete die SPD von Bürgermeister Peter Tschentscher weit vor dem grünen Regierungspartner. Trotz Verlusten setzte sie sich damit vom jahrelangen Negativtrend der Partei im Bund ab. Die CDU rutschte auf ihr bundesweit schlechtestes Ergebnis bei Landtagswahlen seit knapp 70 Jahren. Überraschend musste die zuletzt in allen Bundesländern erfolgreiche AfD um den Verbleib in der Bürgerschaft bangen - ebenso die FDP. Die Abstimmung in der Hansestadt ist nach derzeitigem Stand die einzige Landtagswahl in diesem Jahr.

Nach den Prognosen von ARD und ZDF (18.00 Uhr) rutschte die SPD zwar ab, erreichte mit 37,5 bis 38 Prozent aber wieder klar Platz eins (2015: 45,6) - Werte, die sie sonst in keinem anderen Bundesland hat. Die Grünen mit ihrer Spitzenkandidatin Katharina Fegebank verdoppelten zwar ihr Ergebnis annähernd auf 25,5 Prozent (12,3), lagen jedoch weiter hinter den Sozialdemokraten als zu Beginn des Wahlkampfs erwartet. Die in Hamburg oppositionelle CDU sackte noch einmal ab auf nun 11 bis 11,5 Prozent (15,9). Die Linke stagnierte bei 9 bis 9,5 Prozent (8,5). Die FDP und überraschend auch die AfD verloren. Die AfD lag in den Prognosen nur zwischen 4,7 und 4,8 Prozent (6,1) und wäre damit möglicherweise nicht in der Bürgerschaft, die FDP lag bei 5 Prozent (7,4).

Das Landesparlament hat regulär 121 Sitze. Die Zahl kann durch Überhang- und Ausgleichsmandate sowie erfolgreiche Einzelbewerber steigen. Die Prognosen ergaben folgende Sitzverteilung: SPD 51 (2015: 58), Grüne 35 (15), CDU 15 bis 16 (20), Linke 12 bis 13 (11) und FDP 7 (9).

Die wahrscheinlichste Regierungsvariante ist die Fortsetzung der seit 2015 bestehenden rot-grünen Koalition - sowohl Tschentscher als auch seine bisherige Stellvertreterin Fegebank hatten dies als naheliegend bezeichnet. Die Grünen hatten allerdings lange gehofft, selbst stärkste Kraft zu werden und Fegebank zur Regierungschefin zu machen. Neben Rot-Grün wäre rechnerisch auch eine Koalition von SPD und CDU möglich, politisch ist das jedoch unwahrscheinlich.

Für Tschentscher war es die erste Wahl. Er hatte den Bürgermeisterposten 2018 von Olaf Scholz übernommen, der damals an die Spitze des Bundesfinanzministeriums wechselte.

Im Wahlkampf hatte die SPD in der Wirtschaftsmetropole stark versucht, sich vom negativen Trend der Bundespartei abzukoppeln. Die beiden neuen Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans waren nicht zu Auftritten eingeladen. Gleichwohl verschafft das Hamburger Ergebnis dem Duo, das alle Aufmerksamkeit auf die Lage der CDU zu lenken versucht, etwas Erleichterung.

Christdemokraten und FDP stehen seit der Regierungskrise in Thüringen stark unter Druck. Beiden Parteien könnte die dortige Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich mit Stimmen von CDU und AfD geschadet haben. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte in Folge der Erfurter Krise vor wenigen Tagen ihren Rückzug angekündigt. Das historisch schlechte Ergebnis des Hamburger Landesverbands dürfte in seinen Auswirkungen auf die Bundespolitik dennoch begrenzt sein.

Tschentscher hatte im Wahlkampf massiv das Thema Klimaschutz besetzt, das traditionell eher mit den Grünen verbunden wird: "Grüner wird's nicht" war einer seiner Slogans. Daneben bestimmten lange die Themen Mieten und Verkehr den Wahlkampf.

Auf den letzten Metern schlug eine eigentlich alte Geschichte hohe Wellen. Medien hatten über angeblich nicht eingeforderte Steuerrückforderungen gegenüber der im "Cum-Ex"-Skandal unter Verdacht stehenden Warburg-Bank berichtet. Bürgermeister Tschentscher wies den Vorwurf der politischen Einflussnahme zurück.

Mehrere Parteien sagten ihre Wahlkampfabschlussveranstaltungen nach dem Anschlag von Hanau am Mittwochabend ab.

In der Nacht zu Montag sollte zunächst nur ein Ergebnis für die voraussichtliche Verteilung der 121 Sitze auf die Parteien bekanntgegeben werden. Wie sich die Stimmen auf die einzelnen Listenkandidaten verteilen, ergibt sich erst bei einer Fortsetzung der Auszählung am Montag. Erst dann steht fest, ob es bei den 121 Sitzen bleibt oder noch Überhang- und Ausgleichsmandate hinzukommen. Grund ist das komplizierte Wahlsystem, bei dem jeder Wähler jeweils fünf Stimmen auf die Landes- und auf die Wahlkreisliste verteilen kann./and/DP/nas

AXC0053 2020-02-23/18:16

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