65 000 Euro sind eine Menge Geld. Dafür kann man sich einen Porsche kaufen. Oder ein kleines Feld, 100 mal 100 Meter groß. Soviel jedenfalls müssen Bauern in Bayern inzwischen für ein Stückchen Acker zahlen, dem Bundesland mit dem teuersten Boden. Der Hektar Agrarland kostete dort im vergangenen Jahr mehr als zweieinhalb mal so viel wie 2009. Genauso stark sind die Preise in Ostdeutschland gestiegen, wie das Statische Bundesamt am Mittwoch mitteilte.

Es gebe "außerlandwirtschaftliche Investoren", die mit Ackerland spekulierten, gerade in den neuen Bundesländern, sagte Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU). "Das ist alarmierend, was dort läuft." Denn die Preisexplosion für Ackerland hat gravierende Folgen nicht nur für die Bauern selbst. Ganze Dörfer leiden.

Mit einem Hektar allein ist dem Bauern ohnehin nicht gedient. Ein landwirtschaftlicher Betrieb hat im bundesweiten Durchschnitt rund 62 Hektar. Im Osten ist es zwei- bis viermal so viel. Die großen - und lange Zeit vergleichsweise günstig zu bekommenden - Betriebe haben in den vergangenen Jahren immer mehr Investoren gelockt. Ostdeutsche Äcker wurden seit der Finanzkrise ein sicherer Hort für Kapital. Denn Zinsen gibt es dafür kaum noch.

Das trifft die Region ausgerechnet in einem Umbruch: "Die Gründergeneration nach der Wende gibt jetzt ihre Betriebe ab", erklärte Udo Hemmerling, der Vize-Generalsekretär des Deutschen Bauerverbands. Erst die Dürre 2018 habe den Preisanstieg zuletzt gebremst.

Doch viele große Flächen früherer Landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften (LPG) sind so schon an Großunternehmer von außerhalb gegangen, auch an börsennotierte Unternehmen. Mit dem Leben vor Ort haben diese in der Regel nicht viel am Hut.

Ihre Manager sitzen in den Unternehmenszentralen, fürs Ackern und Ernten fahren sie Saisonkräfte heran, von staatlichen Fördermitteln bleibt immer weniger vor Ort hängen, wie der aktuelle Agrarbericht der Bundesregierung feststellt. Folge: Das Dorfleben erlahmt. "Diese Entwicklung widerspricht den Zielen der Bundesregierung für die ländlichen Räume", vermerken die Beamten.

Für heimische Bauern wird es immer schwieriger, Flächen zu halten, geschweige denn, neue zu bekommen. "In vielen Fällen sind die geforderten Pachten oder die Kapitalkosten für Flächenkäufe betriebswirtschaftlich nicht mehr zu rechtfertigen", heißt es im Bericht.

Klöckner sagte, ihr Ziel sei "Ackerland in Bauernhand". Landwirte sollten größere Chancen beim Zugriff auf Flächen erhalten, etwa durch steuerrechtliche Änderungen und mehr Transparenz bei bevorstehenden Verkäufen. Sie will sogenannte Share Deals einschränken, mit denen Investoren die Grunderwerbsteuer umgehen.

Der Bauernverband kritisiert, dass zu viel Ackerland überbaut wird, etwa mit Straßen, Wohnvierteln und Gewerbegebieten. Um die Bauern in den Dörfern zu unterstützen, verlangt er ein Vorkaufsrecht für ortsansässige Landwirte. Diskussionen darüber gibt es bereits in mehreren ostdeutschen Ländern.

Für Kritiker muss sich auch die Förderpolitik ändern. Nicht wer viel Fläche habe, müsse belohnt werden - sondern, wer Klima-, Natur- oder Tierschutz diene, verlangt der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt will Kapitalgesellschaften ganz den Subventionshahn abdrehen. Die FDP sieht dagegen Fehlanreize etwa im Erneuerbare-Energien-Gesetz, weil die Biogas-Förderung die Flächennachfrage erhöhe.

Im bundesweiten Durchschnitt sind die Preise von 2009 auf 2018 nach den amtlichen Angaben auf das 2,3-fache gestiegen, auf durchschnittlich knapp 25 500 Euro je Hektar. Nur im Saarland gibt es den Hektar noch unter 10 000 Euro.

Die Entwicklung verlief in den Regionen sehr unterschiedlich, wie das Statistische Bundesamt berichtete. Die Steigerungen waren in Mecklenburg-Vorpommern (auf das 2,9-fache) und Sachsen (2,7) am stärksten. Nach Bayern (2,6) ist im Westen Niedersachsen (2,4) stark betroffen. Am geringsten kletterten die Preise für Äcker und Grünland in Hessen und Rheinland-Pfalz (jeweils 1,4)./ceb/bf/sam/DP/jha

AXC0222 2019-10-23/16:27

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