FRANKFURT (dpa-AFX) - Der deutsche Aktienmarkt hat am Mittwoch den
nächsten Kursrutsch erlitten. Die Vortageserholung von den Verlusten
zu Wochenbeginn erwies sich als nicht nachhaltig. Angesichts erneut
aufflammender Sorgen um den Bankensektor schloss der Dax
3,27 Prozent tiefer bei 14 735,26 Punkten und fiel
damit unter die runde Marke von 15 000 Zählern. Die charttechnisch
wichtige Unterstützungszone bei 14 800 Punkten konnte der Leitindex
auch nicht halten. Für den MDax der mittelgroßen
Werte ging es um 3,56 Prozent auf 26 790,72 Punkte abwärts. Auch
andere wichtige Aktienindizes in Europa und die Wall Street gaben
deutlich nach.
Nach dem Kollaps dreier US-Banken und der Angst vor einer Ausweitung
auf den gesamten Sektor rückte zur Wochenmitte wieder die kriselnde
Credit Suisse in den Fokus. Der Chairman der
saudischen National Bank, Ammar Abdul Wahed Al Khudairy, schloss in
einem Interview mit dem Fernsehsender Bloomberg TV zusätzliche
Unterstützung auf Nachfrage kategorisch aus. Die Bank ist
Großaktionär der Credit Suisse, deren Aktien in Zürich zeitweise auf
ein Rekordtief einbrachen. Laut "Financial Times" hat die Credit
Suisse bei den Schweizer Aufsichtsbehörden um Unterstützungssignale
gebeten.
Derweil haben frische US-Konjunkturdaten enttäuscht. "Sowohl die
Einzelhandelsumsätze in den USA als auch der Empire-State-Index sind
niedriger als befürchtet ausgefallen", kommentierte Marktexperte
Andreas Lipkow und sprach von einer "toxischen Gemengelage, die nun
auch den letzten positiv gestimmten Börsianer verjagt hat". Der
Anstieg der US-Erzeugerpreise hat sich im Februar jedoch
überraschend deutlich abgeschwächt, was weiteren Druck von der
US-Notenbank Fed nimmt. Ob die Fed ihren Inflationskampf fortsetzt,
gilt wegen der Unruhe im Bankensektor als fraglich.
Am Donnerstag steht zunächst der Zinsentscheid der Europäischen
Zentralbank (EZB) an. Analyst Konstantin Oldenburger vom Handelshaus
CMC Markets stellt sich die Frage, wie die EZB ihre zukünftige
Geldpolitik einem Finanzmarkt kommuniziert, "der durch die ersten
großen Bankenzusammenbrüche in den USA seit Lehman Brothers ziemlich
unter Stress steht." Oldenburger rechnet dennoch mit einer weiteren
Zinserhöhung um 0,50 Prozentpunkte.
Auf Unternehmensseite drückten die hohen Kursverluste der Credit
Suisse auch andere Bank-Aktien in die Verlustzone. Der Branchenindex
Stoxx Europe 600 Banks fiel um 6,9 Prozent.
Hierzulande rutschten Commerzbank-Anteile um 8,7
Prozent ab, Deutsche-Bank-Papiere verloren am
Dax-Ende 9,3 Prozent. "Wenn eine Bank hustet, wird auf alle
draufgehauen", kommentierte Analyst Salah-Eddine Bouhmidi vom Broker
IG. Allerdings klaffe ein großer Unterschied zwischen den
verschiedenen Geldhäusern. "Hier sollten Anleger versuchen, die
Spreu vom Weizen zu trennen."
Auch viele Auto- und Zulieferer-Aktien notierten schwach. Für die
Volkswagen-Vorzüge ging es um 4,1 Prozent bergab, der
Konzern hatte das Margenziel für seine Kernmarke gesenkt. Die zuvor
nach der Jahresbilanz noch gefragten BMW-Aktien
konnten dem Abwärtssog ebenfalls nicht standhalten, sie verloren
aber nur rund 1 Prozent. Zunächst hatte der Münchener Autobauer die
Anleger noch mit einem höheren Margenziel und einer verbesserten
Investitionsquote überzeugen können.
Schwache Zahlen beim Modehändler H&M und höhere
Kosten bei dessen Konkurrent Inditex setzten zudem
den Einzelhandel unter Druck. Der europäische Retail-Sektor
fiel um 4,6 Prozent. Im Dax gab Online-Modehändler
Zalando 4,8 Prozent nach. Die Aktien von
Sportartikelhersteller Adidas sackten um 4,6 Prozent
ab, Puma verlor 3 Prozent.
Einer von wenigen positiven Ausreißern im Dax war Eon
mit einem Plus von 0,5 Prozent. Die endgültigen Zahlen des
Energieversorgers seien noch besser ausgefallen als nach den
Eckdaten erhofft, erklärte ein Händler. Er lobte vor allem den
Ausblick: Die Ziele machten "einen starken Eindruck" und mit der
geplanten Ausweitung des Investitionsprogramms liege der Konzern
über den Erwartungen einiger Analysten.
Zweistellige Verluste von 11,3 Prozent mussten derweil die Aktionäre
von Lanxess im MDax verkraften. Die Geschäftszahlen
und Prognosen des Chemiekonzerns kamen schlecht an. Börsianer
störten sich vor allem an verhaltenen Zielen für das Auftaktquartal
und der Entwicklung des freien Mittelflusses im Schlussquartal 2022.
Im Nebenwerte-Index SDax setzten die Papiere des
zuletzt mit roten Zahlen kämpfenden Biotech-Unternehmens Morphosys
mit 5,4 Prozent Kursverlust ihre Talfahrt fort.
Nachbörslich wird der Konzern seine Jahreszahlen vorlegen.
Der EuroStoxx 50 als Leitindex der Eurozone schloss
3,46 Prozent tiefer bei 4034,92 Punkten. Für den französischen Cac
40 und den britischen FTSE 100 ging es
ähnlich drastisch nach unten. Der New Yorker Dow Jones Industrial
verlor zum europäischen Handelsschluss gut 2 Prozent.
Der Euro gab deutlich nach und notierte zuletzt bei
1,0539 US-Dollar. Die Banken-Turbulenzen trieben die Anleger in
sichere Häfen wie Staatsanleihen oder den Dollar. Die EZB setzte den
Referenzkurs auf 1,0549 (Dienstag: 1,0737) Dollar fest. Der Dollar
kostete damit 0,9480 (0,9314) Euro.
Am Rentenmarkt fiel die Umlaufrendite von 2,38 Prozent am Vortag auf
2,34 Prozent. Der Rentenindex Rex verlor 0,41 Prozent
auf 125,82 Punkte. Der Bund-Future stieg kräftig um
2,89 Prozent auf 137,85 Zähler./niw/jha/
--- Von Nicklas Wolf, dpa-AFX ---
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