Die Konjunkturerwartungen deutscher Finanzexperten haben sich im August überraschend aufgehellt. Wie das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) am Dienstag mitteilte, stieg der von ihm erhobene Indikator um 12,2 Punkte auf 71,5 Zähler. Dies ist der höchste Stand seit Januar 2004. Analysten hatten im Mittel mit einem Rückgang auf 55,8 Punkte gerechnet.

Im Zuge der Coronakrise waren die Erwartungen im März noch bis auf minus 49,5 Punkt eingebrochen. Sie hatten sich dann drei Monate in Folge erholt. Im Juli waren sie leicht gefallen.

Enttäuschend entwickelte sich im August hingegen die Bewertung der aktuellen Konjunkturlage. Der Indikator fiel um 0,4 Punkte auf minus 81,3 Punkte. Hier war hingegen ein Anstieg auf minus 69,5 Punkte erwartet worden.

"Die Hoffnung auf eine schnelle Konjunkturbelebung ist wieder größer geworden, die Lageeinschätzung verbessert sich bisher allerdings nur schleppend", erklärte ZEW-Präsident Achim Wambach. Die Unternehmen würden vor allem von einer breiten Erholung der Binnenwirtschaft ausgehen. "Anlass zur Vorsicht geben jedoch die nach wie vor sehr schlechten Ertragserwartungen für die Bankenbranche sowie für die Versicherer mit Blick auf das kommende halbe Jahr", zeigt sich Wambach besorgt.

Bankvolkswirte äußern sich vorsichtig optimistisch mit Blick auf die Zahlen. "Die Anzeichen für eine kräftige Konjunkturerholung im Sommer formieren sich somit weiter, im Einklang mit einem weiterhin recht optimistischen Stimmungsbild an den Finanzmärkten", sagte Uwe Burkert, Chefvolkswirt bei der Landesbank Baden-Württemberg. Die weiter sehr düster beurteilte aktuelle Lage bezeichnete er als Wermutstropfen. "Die Gefahr einer Erwartungsblase, ausgelöst durch massive fiskal- und geldpolitische Impulse, welche vor allem die Finanzmärkte beflügeln, ist nicht vom Tisch."

In der Eurozone ist die Entwicklung ähnlich wie in Deutschland. Der Indikator für die Erwartungen stieg um 4,4 Punkte auf 64,0 Punkte. Der Indikator für die aktuelle Konjunkturlage im Eurogebiet sinkt hingegen um 1,1 Punkte auf einen Wert von minus 89,8 Punkten.

An der Umfrage vom 3. bis 10. August haben sich 178 Analysten und institutionelle Anleger beteiligt. Sie wurden nach ihren mittelfristigen Erwartungen bezüglich der Konjunktur- und Kapitalmarktentwicklung befragt. Der Indikator Konjunkturerwartungen gibt die Differenz der positiven und negativen Einschätzungen für die zukünftige Wirtschaftsentwicklung auf Sicht von sechs Monaten in Deutschland wieder.

Der Kurs des Euro stieg nach Veröffentlichung der ZEW-Daten auf ein Tageshoch bei 1,18 US-Dollar. Am Frankfurter Aktienmarkt baute der DAX seine frühen Gewinne weiter aus und stieg wieder über die Marke von 13 000 Punkte./jsl/jkr/jha/

AXC0195 2020-08-11/12:25

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