Mit einem umfassenden Plan zum Finanzplatz Europa will die EU-Kommission den Kontinent fit fürs digitale Zeitalter machen. "Das heutige Paket wird Europas Wettbewerbsfähigkeit und Innovation im Finanzsektor stärken und den Weg bereiten, damit Europa weltweit Vorreiter ist", teilte die Brüsseler Behörde am Donnerstag mit. Dazu gehören neue Regeln für Digitalwährungen in der EU wie Bitcoin oder das Facebook -Projekt Libra. Dazu gehört auch, die Kapitalmarktunion voranzutreiben und die Finanzunternehmen gegen Risiken etwa durch einen "No Deal" mit Großbritannien abzusichern. "Die Zukunft der Finanzwelt ist digital", sagte der zuständige EU-Kommissar Valdis Dombrovskis.

SEKUNDENSCHNELLES BEZAHLEN: Das soll in der ganzen EU Standard werden

- ob bei Online-Einkäufen oder im Laden. Schnellüberweisungen -

sogenannte Instant Payments - soll es bis Ende 2021 überall geben. Auch Überweisungen in Länder außerhalb der EU sollen einfacher und billiger werden. Elektronische Bezahllösungen von der EC- oder Kreditkarte über Handy-Apps bis zur Smartwatch haben mit der Corona-Krise nochmals Schub bekommen. Die EU-Kommission beklagt jedoch eine Zerstückelung des europäischen Marktes. Mit Ausnahme von Kreditkarten globaler Anbieter und Lösungen großer Technologiekonzerne gebe es keine digitale Bezahllösung, die in ganz Europa in Läden und Online genutzt werden könne. In ihrer Strategie nennt die EU-Kommission drei Ansatzpunkte für Verbesserungen: einheitliche Regeln, günstige Lösungen für den Endverbraucher und eine bessere Infrastruktur.

KAPITALMARKT: "Wir haben 27 nationale Kapitalmärkte, die nicht voll entwickelt und integriert sind", klagte der Vizekommissionspräsident. Ziel ist, diese nationalen Märkte einander anzupassen. Das soll die Finanzierung in der EU ankurbeln und Chancen für große Unternehmen wie für Start-ups bieten. Die Europäer müssten sicher in ihre Zukunft investieren können, betonte Dombrovskis. Dazu setzt die Kommission auf ein Paket von 16 Initiativen. So sollen große Investoren unterstützt werden, Geld in europäischen Unternehmen anzulegen. Investoren sollen zudem leichter an Informationen kommen können. Gute und günstige Finanzprodukte sollen europaweit zu bekommen sein.

Wirecard : Der SPD-Europaparlamentarier Joachim Schuster lobte besonders die Ankündigung, nach dem Wirecard-Skandal Lücken in der Finanzaufsicht zu schließen. Starke Aufsichts- und Durchsetzungsmechanismen seien nötig sind, "um solche Formen der Finanzkriminalität effizient zu bekämpfen", sagte Schuster. "Hierzu kann die EU-Kommission noch deutlich nachlegen." Dombrovskis räumte ein, dass bestehende Regeln nicht korrekt angewendet worden seien. Er betonte aber, das Grundproblem sei gewesen, dass der mittlerweile insolvente Zahlungsdienstleister "keine korrekten, ehrlichen Informationen an seine Aktionäre weitergab".

BREXIT: Der CSU-Europaparlamentarier Markus Ferber warnte mit Blick auf einen drohenden Austritt Großbritanniens ohne Handelsvertrag mit der EU, für die Gemeinschaft drohe der wichtigste Kapitalmarkt in Europa wegzubrechen - London. "Wir dürfen bei der Unternehmensfinanzierung nicht vollkommen von Drittstaaten abhängen. Es geht hier auch um die strategische Frage der Autonomie der Europäischen Union", sagte Ferber. Dombrovskis schlug in dieselbe Kerbe. Der Brexit habe die Kapitalmarktunion viel dringlicher gemacht. "Wir müssen versuchen, andere Quellen der Finanzierung zu finden", sagte er.

KRYPTO-WÄHRUNGEN: Hier befindet sich die Kommission auf einem schmalen Grat. Einerseits geht es darum, in einem Zukunftsmarkt nicht den Anschluss zu verlieren. Vor allem Start-ups fürchten hohe Auflagen, die Innovationen hemmen könnten. Anderseits pochen Verbraucherschützer darauf, Gefahren für Privatanleger, aber auch Missbrauch durch Kriminelle oder Terroristen zu minimieren. Dombrovskis fasste das so zusammen: "Wir sollten den digitalen Transformationsprozess aktiv gestalten und gleichzeitig potenzielle Risiken minimieren."

Mit dem Kommissionspaket würden Verbraucher mehr Auswahl und Möglichkeiten bei finanziellen Diensten und modernen Zahlungsmethoden erhalten. Gleichzeitig würden Verbraucherschutz und finanzielle Stabilität gestärkt. Die Erwartungshaltung ist groß: "Die EU harmonisiert den bestehenden Regulierungs-Flickenteppich bei Kryptowerten und kann damit eine weltweite Vorreiterrolle einnehmen", sagte Patrick Hansen, Blockchain-Experte des Digitalverbands Bitkom.

LIBRA: Das maßgeblich von Facebook getragene Digitalwährungsprojekt gehört zu den Vorhaben, die die Kommission stärker regulieren will. Das Projekt habe großes Potenzial doch müssten die Finanzstabilität sichergestellt werden sowie Absicherungen etwa gegen Geldwäsche und Betrug, betonte Dombrovskis. Dafür gab es Lob von CSU-Mann Ferber: "Es ist angemessen, dass Produkte wie Libra, die ein besonderes Risiko für die Finanzstabilität darstellen, auch besonders streng reguliert werden." Unter anderem Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und sein französischer Kollege Bruno Le Maire hatten strenge Regeln verlangt für Libra, das vom Netzwerk Facebook für Geschäfte im Internet angekündigt ist. Die Idee ist, dass Libra mit etablierten Währungen wie Euro oder Dollar gekauft werden kann./bvi/vsr/chd/DP/nas

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AXC0294 2020-09-24/15:44

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