LUXEMBURG (dpa-AFX) - Die Inflation in der Eurozone hat im Mai stärker nachgegeben als erwartet. Die Jahresrate fiel von 7,0 Prozent im Vormonat auf 6,1 Prozent, wie das Statistikamt Eurostat am Donnerstag in Luxemburg nach einer ersten Schätzung mitteilte. Volkswirte hatten im Schnitt mit einer Rate von 6,3 Prozent gerechnet. Im April war die Rate noch leicht gestiegen. Es ist die niedrigste Rate seit Februar 2022. Im vergangenen Jahr war die Inflation als Folge des Ukraine-Kriegs zeitweise zweistellig gewesen.

Im Vergleich zum Vormonat stagnierte das Preisniveau im Euroraum. Hier war ein Anstieg um 0,2 Prozent erwartet worden.

Auch die Kerninflation ging zurück. Sie fiel von 5,6 Prozent im Vormonat auf 5,3 Prozent. Die Kernteuerung klammert schwankungsanfällige Preise für Energie und Nahrungsmittel aus und gibt damit einen Eindruck über den grundlegenden Inflationstrend.

Etwas weniger Preisauftrieb ging im Mai von Lebens- und Genussmitteln aus, wenngleich der Anstieg mit 12,5 Prozent immer noch hoch ist. Auch industriell gefertigte Waren und Dienstleistungen verteuerten sich nicht mehr so stark wie im April. Die Energiepreise fielen sogar um 1,7 Prozent zum Vorjahresmonat.

In allen vier großen Mitgliedsländern ging die Inflationsrate zurück. So sank die HVPI-Rate in Deutschland auf 6,3 Prozent. In Italien ging die Inflation ebenfalls merklich zurück, blieb aber mit 8,1 Prozent vergleichsweise hoch. In Spanien fiel die Rate mit 2,9 Prozent relativ niedrig aus.

"Das Inflationsthema verliert an Brisanz", kommentierte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. Dies werde sich auch in den kommenden Monaten fortsetzen. "Die Einzelhandelsumsätze brachen zuletzt so stark ein, wie selten zuvor seit Bestehen der Eurozone", schreibt Gitzel. Die Verbraucher seien zum Sparen gezwungen und die Unternehmen hätten daher keinen Spielraum, um die Preise weiter zu erhöhen.

Weniger optimistisch zeigt sich die Commerzbank: "Mit den kräftig steigenden Löhnen steht bereits eine neue Kostenwelle ins Haus", schreibt Volkswirt Christoph Weil. Daher sei die Inflation noch lange nicht besiegt. Dessen ungeachtet dürfte die EZB die Daten "mit Wohlwollen" zur Kenntnis nehmen, heißt es weiter. Die Commerzbank rechnet nur noch mit einer weiteren Leitzinserhöhung um 0,25 Prozentpunkte.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat unterdessen die Entschlossenheit zu weiteren Zinserhöhungen im Kampf gegen die nach wie vor hohe Teuerung betont. "Heute ist die Inflation zu hoch und dürfte es noch zu lange bleiben", sagte Lagarde beim Deutschen Sparkassentag in Hannover. "Wir sind entschlossen, sie zeitnah auf unser mittelfristiges Ziel von zwei Prozent zurückzuführen." Lagarde betonte: "Sie sollten daran keinen Zweifel haben."

Das Inflationsziel der EZB von mittelfristig zwei Prozent wird nach wie vor überschritten. Die Notenbank stemmt sich seit vergangenem Sommer mit höheren Leitzinsen gegen die Teuerung. Auch auf der nächsten Sitzung in zwei Wochen wird überwiegend eine weitere Anhebung erwartet.

Die Reaktion an den Finanzmärkten hielt sich in Grenzen. Schließlich waren die Inflationszahlen aus wichtigen Mitgliedsländern schon bekannt./jsl/bgf/jha/

AXC0144 2023-06-01/12:18

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