Vor den Brexit-Verhandlungen beim EU-Gipfel schwankt die Stimmung zwischen Optimismus und Pessimismus. Trotz des jüngsten Rückschlags bei den Gesprächen zwischen Großbritannien und der Europäischen Union am Wochenende zeigte sich die britische Premierministerin Theresa May am Montag optimistisch, dass noch eine Einigung erzielt werden könne.

EU-Ratspräsident Donald Tusk warnte dagegen in seinem Einladungsschreiben zu dem Gipfel, ein Brexit ohne Abkommen sei "wahrscheinlicher denn je". Eine Einigung zu finden, habe sich als "komplizierter herausgestellt, als einige erwartet haben". Trotzdem sollte die Hoffnung nicht aufgegeben werden. Es gebe auf beiden Seiten guten Willen, die Gespräche fortzuführen.

May sah bei einem Auftritt im Parlament in London Lichtblicke. Die Konturen eines Austrittsabkommens seien nun klar. Es habe "echten Fortschritt" gegeben bei den Brexit-Gesprächen, sagte sie. Ein Abkommen sei das beste Ergebnis für Großbritannien und die EU. Sie glaube, dass es zu erreichen sei. "Es ist Zeit, dass ruhige, kühle Köpfe die Oberhand behalten."

Am Dienstag will May bei einer Kabinettssitzung ihre Minister auf einen Kompromiss mit Brüssel einschwören. Bereits vergangene Woche hatte es Gerüchte gegeben, mehrere Kabinettsmitglieder könnten ihr Amt niederlegen, sollte May zu weit auf die Forderungen der EU eingehen. Im Juli waren der damalige Brexit-Minister David Davis und Außenminister Boris Johnson im Streit um Mays Brexit-Pläne zurückgetreten.

Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz gab sich vorsichtig optimistisch zu den Brexit-Verhandlungen. Es gebe Fortschritte, sagte Kurz am Montagabend in Den Haag nach einem Treffen mit seinem niederländischen Kollegen Mark Rutte. Österreich hält zur Zeit die Ratspräsidentschaft der EU. Man müsse die derzeit stockenden Gespräche nicht so negativ sehen. "Die Situation könnte schlimmer sein."

Auch Rutte äußerte sich verhalten positiv. Es sei aber unklar, ob es schon in dieser Woche einen Durchbruch geben könne. "Wir sind sehr nahe", sagte der Rechtsliberale. "Aber es ist schwierig."

Auch Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron sah noch Möglichkeiten zu einer Lösung. Er glaube an die "kollektive Intelligenz", sagte Macron. "Ich glaube, dass man vorankommen kann", fügte er hinzu. Dennoch sei Frankreich auf "alle Szenarien" vorbereitet.

Am Wochenende war den Unterhändlern beider Seiten trotz intensiver Verhandlungen nicht der erhoffte Durchbruch für ein Austrittsabkommen gelungen. Wichtigste Hürde ist immer noch die Frage, wie Kontrollen an der künftigen EU-Außengrenze zwischen der Republik Irland und dem britischen Nordirland vermieden werden können. Die EU macht dies zur Bedingung für einen Vertrag, der den Brexit regeln und die Folgen mit einer knapp zweijährigen Übergangsphase abpuffern soll.

Beim EU-Gipfel am Mittwoch könnte eine Vorentscheidung fallen. Aus EU-Kreisen hieß es, May könnte dort selbst mit den 27 übrigen EU-Staats- und Regierungschefs eine Lösung suchen. Der Brexit sei nun Chefsache. Doch selbst wenn es am Mittwoch oder in den Wochen darauf zu einer Einigung kommen sollte, ist fraglich, ob May dafür eine Mehrheit im Parlament bekommt oder gar von den Brexit-Hardlinern in der eigenen Partei gestürzt wird.

An der höchst komplizierten Irland-Frage arbeiten sich beide Seiten seit Monaten vergeblich ab. Auf der irischen Insel entsteht durch den Brexit eine EU-Außengrenze zwischen der Republik Irland und der britischen Provinz Nordirland. Schlagbäume und Kontrollen wollen beide Seiten aber vermeiden - aus Furcht vor neuen Konflikten in der früheren Bürgerkriegsregion bei einer Teilung der Insel./aha/DP/zb

AXC0031 2018-10-16/06:35

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