Der wachsende Einfluss der Schwellenländer ist allgemein bekannt. Wenn wir die Regionen hinsichtlich ihrer Kaufkraftparitäten vergleichen, macht das Bruttoinlandsprodukt der Schwellenländer 59 Prozent des globalen Gesamtvolumens aus. Dies ist laut dem Internationalen Währungsfonds ein Anstieg um 23 Prozentpunkte in den letzten 30 Jahren.(1) Der steigende Einfluss der Schwellenländer spiegelt sich auch in der langfristigen, relativen Anlageperformance wider. Die annualisierte Rendite von Schwellenländeraktien beträgt seit Anfang 2001 rund 9,26 Prozent für den MSCI EM-Index, verglichen mit 5,33 Prozent für den MSCI World und 5,43 Prozent für die MSCI ACWI-Indizes.

Traditionell sind Schwellenländeraktien nicht unbedingt die erste Anlaufstelle für ESG-Kriterien. Dennoch kann ein aktiver Managementansatz bei der Integration von ESG-Kriterien einen großen Unterschied machen, da auf diese Weise potenzielle Risiko-Rendite-Chancen genutzt werden können. In den letzten zehn Jahren bis zum 30. September 2018 betrug die annualisierte Rendite 9,07 Prozent für den MSCI EM ESG Leaders Index, verglichen mit 5,4 Prozent für den MSCI EM Index im gleichen Zeitraum.

ESG-Ansatz bei Schwellenländeraktien ist unterschiedlich weit entwickelt

Auf Länder-, Branchen- und Unternehmensebene gibt es stetige, wenn auch unterschiedliche, Fortschritte bei der Umsetzung von ESG-Kriterien. Aus Governance-Sicht ist der zunehmende Einfluss internationaler Aktionäre ein wichtiger Treiber. Unternehmen aus den Schwellenländern, die internationale Kapitalmärkte erschließen wollen, werden zunehmend auf ihre Governance-Standards hin überprüft, da vielen globalen Investoren aktive Aktionäre und Aktionärsabstimmungen besonders wichtig sind.

Der ökologische und soziale Fortschritt unterliegt hingegen einer Vielzahl von Einflüssen. In einigen Ländern, beispielsweise in China, treiben stärkere, national ausgerichtete Themen wie Umweltverschmutzung Reformen auf Regierungs- und Unternehmensebene voran. Ein weiterer wichtiger Faktor für einen positiven Wandel ist außerdem die kritische Prüfung der globalen Lieferketten von Unternehmen durch Verbraucher und Medien. Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre Umwelt- und Arbeitsnormen einheitlich hoch sind, um die Lieferkette der westlichen Verbraucher nutzen zu können. Dies gilt insbesondere im Elektronik- und Textilsektor.

Schutz in einem riskanteren Umfeld?

Die Aktienkurse der Schwellenländer werden derzeit tendenziell durch globalen Makrofaktoren angetrieben. Um jedoch mittelfristig nachhaltig hohe Anlageerträge für die Kunden zu erzielen, müssen sich die Anleger bewusst sein, was die wichtigsten unternehmens- und branchenspezifischen Treiber sind. Die ESG-Kriterien sind ein wichtiger Teil davon.

Da wir die Unternehmen hinsichtlich einer Vielzahl von ESG-Indikatoren beobachten und eng mit ihnen zusammenarbeiten, erhöhen wir ihre Chancen, mittelfristig erfolgreich zu sein.  Natürlich können in einem risikoreichen Umfeld, wie wir es derzeit erleben, aktienspezifische Risikoereignisse wie ein Corporate Governance-Problem besonders von den Märkten bestraft werden. Dies macht die ESG-Überlegungen noch wichtiger. Unternehmen, die verglichen zu ihren Mitbewerbern höhere ESG-Verbesserungen aufweisen, werden üblicherweise belohnt für ihre operative Effizienz und höhere Widerstandsfähigkeit gegenüber bestimmten Risiken einschließlich Arbeits-, Umwelt- und Rechnungslegungsproblemen.

Ein Beispiel liefert unsere Beteiligung an Hartalega Holdings, einem Hersteller von Nitrilhandschuhen für die medizinische Industrie mit Sitz in Malaysia. Als weltweit größter Hersteller hochwertiger Einweg-Nitrilhandschuhen stammt ein Großteil des Umsatzes aus den USA und Europa, wo strengere Umweltauflagen eingeführt werden. Im Laufe der Jahre hat Hartalega konsequent in erstklassige Fertigungsanlagen investiert, die die Umweltstandards erfüllen oder übertreffen und dabei den Verbrauch natürlicher Ressourcen reduzieren. Hartalegas Leistung in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit und Umwelt übertrifft regelmäßig viele seiner Konkurrenten. Zudem stellt das Unternehmen vier Prozent des Jahresgewinns für Investitionen in Geräte und Technologien für den Umweltschutz bereit.

Die Umsetzung von ESG-Kriterien erfolgt auf breiter Front, wo soll man anfangen?

Da viele Unternehmen in den Schwellenländern staatlich oder familiengeführt sind, ist der Governance-Aspekt ein naheliegender Ausgangspunkt. So könnte ein rotes Flaggen-System angewendet werden, um auf die Risiken unternehmerischen Fehlverhaltens hinzuweisen, die Anleger vermeiden sollten. Corporate Governance-Missbräuche treten in bestimmten Schwellenländern häufiger auf. Das beschriebene System wäre vorteilhaft, um Risiken zu minimieren und Investitionen zu fördern.

Wenn Minderheitsaktionäre in Schwellenländer-Unternehmen darauf drängen, sich auf mehr Offenlegungen zu konzentrieren und eine großzügigere Dividendenpolitik zu verfolgen, sollten sie zu höheren Multiplikatoren gehandelt werden. Doch diese Risiken werden für Unternehmen in den Schwellenländern fast automatisch diskontiert. Würden jedoch solche Risiken reduziert, sollten die Unternehmen höher bewertet sein. Wenn dann noch der Anlageentscheidungsprozess weiter auf Umwelt- und Sozialaspekte ausgedehnt werden könnte, wäre für die Investoren ein breiteres Spektrum an Risiken und Chancen verfügbar.